Warum soll ich eigentlich wählen gehen?

vom 15.05.2014, 14:36 Uhr

Warum soll ich eigentlich wählen gehen, wenn ich niemanden wählen will?! Wir leben in einer Demokratie. Wir dürfen also glücklicherweise darüber entscheiden wer uns regiert, und dies ist bei weitem nicht auf der ganzen Welt so, wie man weiß. Warum sollte ich also wählen gehen? Ich alleine kann doch ohnehin nichts ausrichten, denken viele und bleiben lieber zu Hause auf dem Sessel sitzen. Aber das stimmt so nicht. Erst einmal muss man nicht zur Wahl gehen um seine Stimme abzugeben, dies ist auch durch Briefwahl möglich. Somit kann man seine Stimme auch abgeben ohne Sonntags wählen zu gehen.

Aber warum ist das so wichtig?

Wir Bürger bestimmen wer uns regiert, aber nur dann, wenn wir auch wählen! Denn wenn ich nicht wähle, beeinflusse ich das Ergebnis immer zu Gunsten der stärksten Parteien. Das heißt konkret, ich gebe jedem meine Stimme, und die stärkeren Parteien werden noch stärker!

Nur wenn ich bei der Wahl einen leeren Stimmzettel abgebe, weil ich niemanden wählen will, zählt meine Stimme auch! Und zwar für keine Partei. Hierzu mal ein kleines Beispiel:

Bei der Bundestagswahl im September 2009 lag die Wahlbeteiligung bei 72,2 %. Vereinfacht kann man sagen 7 Bürger hatten die Stimmgewalt von 10 Bürgern. Und das sieht dann z.B. wie folgt aus:

Partei/Stimmen: A / 3; B / 1; C / 1; D / 2; E / 0 macht gleich:
(A) 42,855%; (B) 14,285%; (C) 14,285%; (D) 28,575%; (E )0%
Das sind dann 100% aller abgegebenen Stimmen!

Da Partei A in diesem Beispiel die stärkste Fraktion ist, kann sie sich quasi aussuchen mit wem sie koalieren (zusammenarbeiten) möchte. Es reicht ihr in jedem Fall ein Partner aus um die absolute Mehrheit (mehr als 50%) zu erreichen und zu regieren.

Hätten aber nun alle Bürger gewählt und davon 30% einen leeren Stimmzettel abgegeben, dann sähe das Ergebnis anders aus:

Partei/Stimmen: A / 3; B / 1; C / 1; D / 2; E / 0 + 3 Enthaltungsstimmen
macht gleich: (A)30%; (B)10%;(C)10%; (D)20%; (E)0% +30% Enthaltungen

Nun müsste die Partei A mit mindestens zwei weiteren Parteien koalieren. Sollte sich dazu keine Möglichkeit in den Koalitionsgesprächen finden, wäre letztendlich eine Neuwahl erforderlich. Es gibt zwar auch noch die Möglichkeit einer sogenannten Minderheitsregierung (Regierung ohne absolute Mehrheit), wie damals in NRW zwischen SPD und Grünen . Da die Regierung dann aber mit Stimmen der verbleibenden Parteien geduldet werden muss, kommt dies sehr selten vor.

Besonders wichtig ist dabei: Wenn ich niemanden wählen will muss ich einen leeren Stimmzettel abgeben oder senden (Briefwahl). Ein ungültiger Stimmzettel z.B. durch Kritzelein drauf, oder gleich alle angekreuzt, zerrissen oder Ähnliches, zählt so, als hätte man nicht gewählt.

So unterschiedlich und doch einfach beeinflusst man die Politik unseres Landes. Entweder wählt man die Partei der man vertraut oder man wählt nicht, sollte sich dann aber auch nicht beschweren. Oder aber man wählt Niemanden bzw. gibt seine Stimme einer Randpartei. Die sogenannten Sonstigen, auf dem Wahlzettel stehen jede Menge davon. Nur dann kann man sagen, man habe sich an der Wahl und somit an unserer Demokratie, aktiv beteiligt!

Abschließend bleibt mir noch zu schreiben, dass mich dieses Thema schon seit Jahren beschäftigt. Es ärgert mich bei jeder Wahl aufs Neue, dass wir von allen Seiten aufgeklärt werden. Welche Partei will was machen? Wie wichtig ist es wählen zu gehen? etc. Noch nie habe ich irgendetwas in den öffentlichen Medien darüber gehört, dass ich mich einfach enthalten kann! Vielleicht kam das dann mal nachts um 03:00 Uhr oder so ... Also tut euch selbst bei der nächsten Wahl ein Gefallen, nutzt EUER WAHLRECHT!

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» Marco1971 » Beiträge: 8 » Talkpoints: 3,36 »



Vielleicht habe ich dein Beispiel falsch verstanden. Aber um es klar zu machen: eine ungültige Stimme hat bezogen auf das Wahlergebnis denselben Einfluss, wie eine nicht abgegebene Stimme: gar keinen! Es ist nicht so, dass die "ungültigen Stimmen" zu einem eigenständigen Block gezählt werden. Es werden stets nur die gültigen Stimmen gezählt!

Auch das andere was du aus deinem Beispiel gelesen hast, ist falsch. Nur weil die Partei A 42% der Stimmen hat, bedeutet es nicht, dass nicht einfach B+C+D (zusammen deutlich über 50%) die Mehrheit (=Regierung) bilden könnten. Da muss A nicht mal informiert werden.

Marco1971 hat geschrieben:Entweder wählt man die Partei der man vertraut oder man wählt nicht, sollte sich dann aber auch nicht beschweren.

"Darf" man sich denn beschweren, wenn man gewählt hat, seine Partei aber nicht regiert?

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Wenn alle nicht wählen gehen, dann gibt es nichts zum Auszählen. Wir gehen wahrscheinlich nicht zur Europa Wahl, weil nach 19 Jahren EU in Österreich noch niemand weiß, was die EU macht. Wir sind da nicht im Wien und holen uns keine Wahlkarte. Zu den anderen Wahlen gehen wir aber immer.

» celles » Beiträge: 8677 » Talkpoints: 4,08 » Auszeichnung für 8000 Beiträge



derpunkt: Was ich eigentlich damit sagen will: Natürlich hast du Recht was das erste Beispiel betrifft. Klar könnten sich hier die anderen drei Parteien zu einer Koalition zusammenschlie0en. Nur darum geht es gar nicht!

Es hat sehr wohl Auswirkungen auf die Wahl, wenn du nicht wählst. Denn bei ca. 70 % Wahlbeteiligung gültiger Stimmen, hat ein Jeder der gültig wählt, die Stimmgewalt von ca. 1,4 Stimmen. Somit werden die stärksten Parteien gestärkt!

Und das nur, weil man einfach zu bequem ist seine Enthaltungsabsicht auch zu dokumentieren! Das kann nicht wirklich im Sinne eines verantwortungsbewussten Bürgers sein. Vor allem nicht wenn man sich in diesem unseren Lande so sehr wohl fühlt wie ich dies tue! Und immer nur alles nehmen was geht, insbesondere unseres Rechts auf freie Wahl der Regierung, aber dann so gar nichts dafür tun wollen, halte ich für sehr fragwürdig.

Du musst nicht weit reisen um Menschen zu treffen, die alles dafür geben würden, hätten sie nur diese Möglichkeit!!!

In unserer Demokratie bin ich glücklicherweise nicht dazu gezwungen die machthabenden Politiker zu unterstützen. Dafür wird mir aber das Recht eingeräumt ihnen eben diese Unterstützung offiziell zu verwehren. Dafür bin ich sehr dankbar!

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» Marco1971 » Beiträge: 8 » Talkpoints: 3,36 »



Marco1971 hat geschrieben:Partei/Stimmen: A / 3; B / 1; C / 1; D / 2; E / 0 macht gleich:
(A) 42,855%; (B) 14,285%; (C) 14,285%; (D) 28,575%; (E )0%
Das sind dann 100% aller abgegebenen Stimmen!

Partei/Stimmen: A / 3; B / 1; C / 1; D / 2; E / 0 + 3 Enthaltungsstimmen
macht gleich: (A)30%; (B)10%;(C)10%; (D)20%; (E)0% +30% Enthaltungen

Ich muss derpunkt Recht geben. Es ist egal, wie viele Enthaltungsstimmen eine Wahl enthält. Die Prozente für die Parteien werden lediglich aus allen gültigen Stimmen errechnet. Also auch im zweiten Beispiel mit den 30 % Enthaltungen hätte Partei A genauso wie im ersten Beispiel ihre 42,8555 % der Stimmen erlangt. Eben von 100 % gültiger Stimmen. Es ändert sich nichts.

Die Menge der Enthaltungen wird immer nur angeben, weil sie als Gradmesser für die Zufriedenheit der Bürger gesehen wird. Die Wahlbeteiligung sagt nur aus, wie viele Wähler nicht erschienen sind. Ob sie zu faul waren oder keinen Bock auf Politik haben, weiß man nicht. Die Enthaltungen stammen von Menschen, die sich zwar für Politik interessieren, die aber keiner Partei ihre Stimme geben wollten. Die Aussage ist also ein wenig aussagekräftiger. Aber auf das Wahlergebnis hat sie keinen Einfluss.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


@ bienenkönigin: Jetzt bin ich geplättet! Ich habe mich heute erst hier registriert und Dank Dir eine wirklich großen Nutzen daraus gezogen. Ich habe eben gelesen was du geschrieben hast und habe mir daraufhin Gesetzestexte durchgelesen. Und Du hast tatsächlich Recht! Ich fasse es nicht! Auf wen mein Beitrag beruht lasse ich hier unberührt, aber ich bin echt platt! Ich hätte geschworen (da so gelernt), das ich richtig liege. Da wird sich meine verstorbene Frau Jutti freuen. Sie hat immer die Tierpartei gewählt, im Wissen, dass die uns so schnell nicht regieren werden, aber um sie zu unterstützen. Vielleicht mache ich das jetzt auch!

Danke nochmal für die Aufklärung, Ich müsste lügen, wenn ich nicht zugeben würde das es mich wirklich schmerzt, das Du Recht hast, aber Trotzdem, DANKE!

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» Marco1971 » Beiträge: 8 » Talkpoints: 3,36 »


Marco1971 hat geschrieben:Sie hat immer die Tierpartei gewählt, im Wissen, dass die uns so schnell nicht regieren werden, aber um sie zu unterstützen. Vielleicht mache ich das jetzt auch!

Das ist natürlich auch eine Möglichkeit. Für jede Stimme bekommt eine Partei Zuschüsse. Außerdem freut es sie natürlich und motiviert sie, weiterzumachen. Und bei der Europawahl hat die Tierschutzpartei durchaus eine Chance, dass sie einen Abgeordneten entsenden können. Da ist ja die 3-Prozent-Hürde gefallen.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ob die Rechenbeispiele nun alle so stimmen, will ich nicht beurteilen. Fakt ist jedoch: Wenn ich nicht wählen gehe, warum auch immer, kommt mein Nicht-Wählen auch denjenigen Parteien zugute, die ich niemals nicht wähle würde.

Und: nicht Wählen hilft auch radikalen Splitterparteien, die man persönlich ablehnt. Nehmen wir mal als Rechenbeispiel an, die kleine Partei X, die man persönlich nicht ausstehen hat, hat auch nur eine kleine Anzahl Wähler die gerade so nicht reicht, um die Hürde zu überwinden. Diese Wähler sind aber extrem überzeugt von dem, was ihre Partei vertritt und stehen bei jeder Wahl tapfer und zuverlässig in den Wahlbüros, um ihr Kreuz zu setzen. Somit kommen bei jeder Wahl für diese Partei in etwa gleich viele Einzelstimmen zu Stande. Wenn in einem Jahr nur die Hälfte der gesamten sonst üblichen Wählerschaft wählen geht, schafft es so eine Splitterpartei dann doch über die Hürde, weil eine kleine, verlässliche, feste Anzahl Stimmen prozentual gesehen dann einen größeren Anteil an den Gesamtstimmen einnimmt. Und plötzlich ist so eine Partei drin, die die Mehrheit nicht leiden kann, obwohl sie gar nicht mehr Wähler begeistern konnte, als bei der letzten Wahl.

Das sollte man finde ich auch bedenken, bevor man nicht wählen geht, ob man unfreiwillig Splittergruppen unter die Arme greifen möchte, die man ablehnt. Die Gefahr wird nämlich oft auch unterschätzt, die davon ausgeht. Klar, Wählen gehen ist ein Aufwand. Aber wenn man den Urnengang mit einem Ausflug oder einem Spaziergang verbindet, dann ist alles halb so anstrengend und manchmal trifft man sogar alte Bekannte, die man lange nicht mehr gesehen hat.

Lieber wählt man etwas, mit dem man sich weitgehend anfreunden kann, als gar nicht zu wählen. Oder eine harmlose und nicht so bedeutende Partei wie die Tierschutzpartei, die aber hoffentlich keinem Menschen schadet. Und mit den Splitterparteien meine ich jetzt nicht Gruppierungen für den Tierschutz, sondern Parteien, die wirklich radikale politische Ideen vertreten. Namen will ich jetzt bewusst nicht nennen.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


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