Planen Autoren jedes Kapitel oder schreiben sie drauflos?

vom 28.07.2013, 21:31 Uhr

Ich war neulich bei einer Buchlesung einer Autorin, die ich persönlich schon sehr lange kenne. Das Buch, das sie geschrieben hat, ist ihr erstes Buch. Die Lesung war super und am Ende durften noch Fragen an sie gestellt werden. Unter anderem wurde sie dann gefragt, wie sie schreibt. Ob sie einfach drauf los schreibt und die Handlungen nach und nach entstehen oder ob sie einen Plan hat, wie wer in welcher Situation was macht. Sie meinte, dass sie, wenn sie nicht planen würde, irgendwann dann doch den roten Faden verlieren würde und somit es für sie noch alles nach Plan gehen muss.

Ich hätte nun gerne gewusst, ob ihr wisst, wie es andere Autoren machen, wenn sie ein neues Buch in Angriff nehmen. Wird die Handlung komplett durchgeplant und werden dann danach die Kapitel geschrieben oder wird bei der Mehrheit der Autoren einfach drauf los geschrieben und die Handlung entsteht nach und nach? Wie würdet ihr es persönlich machen, wenn ihr ein Buch schreiben würdet? Was ist die bessere oder einfachere Variante?

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» Nettie » Beiträge: 7637 » Talkpoints: -2,59 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Bei den Autoren mit denen ich gesprochen habe oder deren Blogs und Facebook-Einträge ich verfolge, lese ich eigentlich verschiedenes, aber immer wieder, dass die Handlung auch während des Schreibens eine Eigendynamik entwickelt, selbst wenn ein Grundgerüst da ist und sie wissen, wo sie hin wollen, ist das Endergebnis oft doch anders als vorgestellt. Auch kann es passieren, dass ein Verlag Wünsche äußert und das Buch dann dementsprechend umgestaltet werden muss.

Ich durfte mal ein Buch testlesen, wo sich schon währenddessen eine Figur völlig anders entwickelte als es am Anfang geplant war, was auch damit zusammen hing, dass die Autorin sich wegen meines "Gemeckers" klar wurde, wie dick sie in einer Schlüsselszene aufgetragen hatte. Als sie es dann fertig hatte, gefiel dem Verlag das Buch vermarktungstechnisch nicht und es wurde angepasst. Dabei blieb zwar ein Großteil des Urtextes erhalten, wurde aber neu zusammen gepuzzelt. In einem anderen Buch dieses Autors muss das wohl ähnlich abgelaufen sein, nur da kenne ich das Endergebnis noch nicht, sondern nur die Rohfassung.

Ich denke, man braucht halt einfach einen roten Faden und muss wissen, wo die wichtigsten Handlungsstränge hinführen und wie die Figuren sich darstellen. Manche Autoren schreiben sich Leitfäden und Charakterisierungen, wo dann auch so Details wie die Farbe der Augen enthalten sind. Auf der anderen Seite sollte man spontane gute Ideen nicht außer Acht lassen. Dabei denke ich aber auch, dass jeder da selbst sehen muss, wie er klar kommt. Der eine braucht ein klar definiertes Grundgerüst, der nächste mehr Freiraum, um es laufen zu lassen.

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» Bellikowski » Beiträge: 7700 » Talkpoints: 16,89 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Jeder Autor hat seinen eigenen Stil. So wie die einen Autoren wirklich jedes Kapitel vorher planen, arbeiten die anderen Autoren einfach drauf los und sotieren dann, wo welche Textstelle hinpasst. Ich selbst habe in meinem angefangenen Roman auch schon gedacht, dass ein Kapitel fertig wäre und habe es dann später noch durch diverse Absätze ergänzt. Wobei eine Art roter Faden schon gedanklich vorhanden ist. Denn damit stecke ich mir ja selbst ein Ziel, wo die Geschichte landen soll.

Aber du solltest dich selbst nicht so viel an anderen Autoren orientieren. Sicherlich kann man deren Arbeitsweise kennenlernen. Aber am Ende musst du deine eigene Arbeitsweise finden. So wie ich eben sporadisch die Datei aufrufe, wenn mir etwas zum Thema einfällt, gibt es auch Autoren, die täglich zu einer bestimmten Zeit schreiben.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Bei meinem Buch, der Corona, war mir von Anfang an ein Grundgerüst klar. Ich wusste genau, dass die Teufelin für ein Jahr auf die Erde verbannt wird und dort Freundschaft mit einem kranken Mädchen schließt. Auch den Ausgang habe ich mir schon im Vorfeld überlegt, so dass meine Illustratorin auch schon mit ihren Zeichnungen begonnen konnte. Es war mir schon sehr vieles vorher bewusst, wie der Verlauf der Geschichte sein wird.

Nebengeschichten wie zum Beispiel mal eine Strafarbeit, die Corona aufgebrummt bekommt oder ein Krankenhausaufenthalt von Coronas Freundin sind dagegen erst während des Schreibens entstanden. Solche Geschichten überlege ich mir auch nicht vorher, sondern schreibe einfach drauf los. Die Geschichten müssen zwar zum Grundgerüst passen, aber jedes Detail würde mir auch nicht sofort einfallen, wenn die ganze Grundidee entsteht. Einiges wird dann auch beim Korrekturlesen wieder abgeändert, denn dort fallen dann erst die Handlungsfehler so richtig auf.

» Sternchen* » Beiträge: 2804 » Talkpoints: 2,78 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Ich glaube, das ist von Autor zu Autor unterschiedlich. Bei den meisten gibt es vor dem Schreiben sicher ein grobes Konzept, wie sich die Geschichte nach und nach entwickeln soll und wie das Ende letztendlich sein wird. Es gibt sicherlich auch Autoren, die akribisch alles vorbereiten und schon vor dem Schreiben wissen, was welches Kapitel beinhalten wird, wie lang es ungefähr sein wird, welche Charaktere darin vorkommen und mit welchem Cliffhanger es enden wird. Andere wiederum werden sobald sie ein paar Ideen haben wohl einfach drauf los schreiben und vielleicht gar keine Unterteilung in Kapitel machen. Es gibt ja immer noch Lektoren, die dann am Schluss noch darüber lesen und eventuelle Logiklücken oder was sonst so für Fehler beim Schreiben passieren können, zu beheben.

Bei J.K. Rowlings „Harry Potter“ habe ich schon einiges zu der Vorgehensweise beim Schreiben erfahren. Die Autorin wusste wohl von Anfang an, dass es sieben Bücher werden sollten, weil Harry eben sieben Schuljahre in Hogwarts haben wird. Aber auch sie hat im Nachhinein noch Dinge verändert. Beispielsweise hieß der vierte Teil zunächst „Harry Potter und das trimagische Turnier“, wurde dann aber noch in „Harry Potter und der Feuerkelch“ umbenannt. Ansonsten war bei J. K. Rowling aber so gut wie alles perfekt durchgeplant. Sie hatte ganze Stammbäume der Zauberfamilien aufgezeichnet, was dann vor allem bei der Familie Black ab dem vierten Band sehr wichtig wurde.

Um so eine komplexe Geschichte wie „Harry Potter“ zu schreiben braucht man auch unbedingt einen Plan und kann nicht einfach drauf los schreiben. Das funktioniert dann eher bei Geschichten, die nur ein Buch umfassen und keine großartigen Geheimnisse, zum Beispiel einfache Liebesromane.

» *sophie » Beiträge: 3506 » Talkpoints: 1,38 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Da wird wohl jeder Autor seinen komplett eigenen Stil haben, die zum Teil auch sehr weit auseinander gehen. Wenn ich zum Beispiel selbst ein Buch schreiben würde, dann wäre es wohl so, dass ich einfach wild drauf los schreiben würde. Hier kann ich meiner Fantasy am besten freien Lauf geben. Ich würde mich erst am Ende mit der Unterteilung in Kapitel befassen. Manche Bücher haben ja so viele Kapitel, dass man teilweise schon fragt, ob das überhaupt nötig ist. Am Ende würde ich hier weniger Kapitel machen und dafür mehr Text in eins pressen. Sicher ist es nicht ganz verkehrt, wenn man sich ein paar Grenzen setzt, aber jeder macht das eben anders und was zählt ist ja schließlich das Ergebnis.

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» Zohan » Beiträge: 4398 » Talkpoints: 16,33 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Ganz Planlos dürfte kein Autor seine Arbeit verrichten. Jedenfalls dann nicht, wenn er/sie bei der Arbeit ernst genommen werden will. Es wäre praktisch undenkbar, eine schlüssige Geschichte aus dem Handgelenk zu schreiben, wenn man von Beginn an keinen Plan vor sich (seinem geistigen Auge) liegen hat. Das erschwert ja auch die Recherche zur Geschichte.

Es mag dann durchaus sein, dass es während des Schreibens zu Abweichungen und Änderungen kommt. Aber diese sollten den groben Rahmen nicht sprengen und mit der Grundidee abgedeckt sein. Und persönlich glaube ich auch, dass man zu Motivationsproblemen kommt, wenn man während des Schreibens merkt, wie sehr man sich verzettelt und die Geschichte zur "never ending story" wird. Genau solche Situationen werden durch einen groben Rahmen, ein Konzept bzw. eine Grundidee verhindert.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich beschäftige mich gerade mit der Autorin Anna Seghers. Bei ihr ist es so, dass es alles sehr durchdacht ist. Alles bedingt einander und sie hat sich alles ganz genau überlegt. So machen es meiner Meinung nach die meisten Autorinnen und Autoren, die Preisträger der allgemein anerkannten Literaturpreise sind. Der Handlungsstrang und die Entwicklung der Figuren ist sehr dezidiert.

Bei Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die sich so viele Gedanken machen, ist es sogar so, dass kein Wort, kein Satz weggelassen werden kann, weil alles eine bestimmte Funktion erfüllt. Über Flaubert sagt man beispielsweise, dass er teilweise über einen halben Tag lang nachdachte - und das nur wegen eines Kommas und ob dann dies nicht Auswirkungen auf den Text hat; von der grammatikalischen Ebene mal abgesehen. :)

» Minerva » Beiträge: 242 » Talkpoints: 47,90 » Auszeichnung für 100 Beiträge


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