Wenn Eltern die Defizite der Kinder nicht akzeptieren wollen

vom 27.11.2013, 21:34 Uhr

@danty: Eine LRS-Förderklasse hat absolut nichts mit einer Förderschule zu tun. Denn die so genannten LRS-Klassen sind in einer ganz normalen Grundschule. Für Plauen und Umgebung eben die Grundschule, die in unserem Einzugsgebiet liegt. Die Kinder werden dort auch nicht ausgegrenzt, aber sie sind eben in drei Förderklassen, die nach der Schwere der LRS zusammen gestellt werden.

Die Kinder besuchen diese LRS-Klasse für zwei Schuljahre. In dieser Zeit wird in Deutsch noch mal ganz von vorne begonnen, da die Kinder eine ganz andere Lernstrategie vermittelt bekommen. In Mathematik beginnt man noch mal in der zweiten Klasse mit dem Lehrstoff und alle anderen Fächer sind eben von der dritten Klasse, wo die Kinder regulär gerade wären. Sie arbeiten also allein in Deutsch innerhalb von zwei Schuljahren den Lehrstoff von drei Klassen durch. Und nach diesen zwei Schuljahren kommen die Kinder in die reguläre vierte Klasse ihrer Heimatgrundschule.

Aber sie sind eben nicht an einer Förderschule, die ja weithin eher als Hilfsschule etc. gekannt ist, wo Kinder unterrichtet werden, die eben insgesamt sehr lernschwach sind. Du siehst also, dass eine Umschulung in einer LRS-Förderklasse etwas ganz anderes ist. Wobei man insgesamt viel zu wenig Kindern dabei helfen kann, weil einfach die Kapazitäten nicht vorhanden sind.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



@Punktedieb: Danke für die Klärung. Ich komme zwar auch aus Sachsen, aber als ich in die Grundschule ging, gab es solche Spezialklassen an normalen Grundschulen in Sachsen noch nicht. Ich habe mir gerade mal das Konzept angeschaut und das scheint tatsächlich ganz gut zu sein.

Leider gibt es solche Spezialklassen aber offensichtlich noch lange nicht in jedem Bundesland und deswegen versuchen immer noch genug Grundschulen gerade Schüler mit meiner schweren LRS an eine Förderschule zu schicken. Eine Freundin von mir wehrt sich gerade mit Händen und Füßen dagegen, dass ihr Kind in die Förderschule umgeschult wird, weil jetzt in der dritten Klasse eine schwere LRS festgestellt wurde. Ihr wurde tatsächlich von der Schulleitung gesagt, um so was könne sich eine normale Grundschule nicht kümmern, das Kind wäre dumm und müsse eben auf die Förderschule.

Das Kind ist aber überhaupt nicht dumm, sondern sogar recht intelligent laut dem Gutachten des Psychologen. Es braucht natürlich viel zusätzliche Förderung, aber die Schule ist bei ihr der Meinung, das wäre nicht ihre Aufgabe, das Kind müsse in eine Förderschule gehen. Es gibt leider immer noch zu viele Schulen, die Schüler mit Lernschwächen tatsächlich versuchen gleich auf die Förderschule zu schicken.

» danty » Beiträge: 540 » Talkpoints: 4,79 » Auszeichnung für 500 Beiträge


@danty: Das gibt es auch nur in Sachsen in dieser Form. Und eine diagnostizierte LRS wird auch nicht in jedem Bundesland in der Schule anerkannt. Soweit ich weiß, wird es in Bayern anerkannt. Ich kenne aber auch einen Fall aus Sachsen-Anhalt, wo es die Grundschule anerkannt hat und das Kind entsprechende Sonderregelungen genießen konnte. Meist wird ihnen bei Klassenarbeiten dann mehr Zeit gegeben, weil sie eben langsamer lesen. Oder man kann für Deutsch eine Zensurenaussetzung für die Rechtschreibung beantragen, so dass nur Fakten benotet werden.

Aber dieses Kind geht nun das zweite Jahr auf die Realschule und die LRS erkennt man dort nicht an. Mittlerweile will das Kind gar nicht mehr zur Schule gehen und es gibt täglich zu Hause die entsprechenden Diskussionen. Und das man sich als Eltern dann mit allen möglichen Mitteln gegen eine Umschulung auf die Förderschule wehrt, kann ich durchaus verstehen. Denn dort wird einem Kind mit einer LRS auch nicht wirklich geholfen.

Wobei es selbst hier in den Grundschulen vorkommt, dass man Kinder einfach hinten an stellt, sobald feststeht, dass sie in die LRS-Förderklasse wechseln. Bei uns in der Stadt ist das wohl in zwei Grundschulen so, soweit ich das von betroffenen Eltern erfahren habe. Du siehst also, dass selbst in einem Bundesland, wo die LRS voll anerkannt ist und auch entsprechende Fördermöglichkeiten im Schulgesetz verankert sind, noch ignorante Lehrer im Dienst sind.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Meiner Meinung nach, steht das Wohlergehen des Kindes an oberster Stelle. Dabei muss ich, als Elternteil zusammen mit meinem Partner einschätzen und entscheiden was für mein Kind das beste ist. Wenn es solche Schwierigkeiten in der Entwicklung eines jungen Menschen gibt, ist es heutzutage in unserer Gesellschaft gar kein Problem damit zurecht zu kommen.

Die Idee, den frühzeitigen Test schon in jungen Jahren durchzuführen, finde ich großartig! Warum auch nicht? Je früher man eine LRS erkennt, desto schneller kann man Hilfen in Anspruch nehmen um etwaige Probleme in kommenden Jahren aus dem Weg zu gehen. Außerdem nimmt man durch die bescheinigte Diagnose Druck vom Kind. Ich denke, dass ist im Interesse aller Eltern. Ich kann absolut nicht nachvollziehen, wie manche in solchen Fällen einfach die Augen verschließen kann. Meines Erachtens ist dies eine Form von Realitätsflucht, bedingt durch unbegründete Zukunftsängste und mangelnde Aufklärung.

» elstocko » Beiträge: 5 » Talkpoints: 1,35 »



Ehrlich gesagt finde ich es toll, das es bei euch solche Tests gibt, denn als Elternteil bekommt man das manchmal gar nicht mit, weil man bei uns zum Beispiel viel zu wenig Informationen über den Lernstand bekommt.

Ich selber würde jede Möglichkeit, mein Kind zu fördern, in Anspruch nehmen, schließlich tue ich meinem Kind damit auch was gutes. Bei mir ist es leider oft das Problem, das ich denke, das die Kinder schon mehr können müsste, als sie eigentlich können müssen.

» laraluca » Beiträge: 1068 » Talkpoints: 9,76 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


@elstocko: Und genau dafür gibt es diesen Informationsabend. Damit Eltern ihre eigenen Fragen beantwortet bekommen. Immerhin gibt es bei uns in der Stadt eben nur eine Schule, die diese speziellen Förderklassen hat und eben auch speziell geschulte Lehrer da unterrichten. Zum regulären Studium kommt dann noch eine Ausbildung dazu, die in Blöcken auf drei Jahre verteilt ist.

Und selbst die weiterführenden Schulen bieten hier auch seid Jahren noch Förderung an. Eben weil dort die Lehrer sich auch mit der Thematik auseinander gesetzt haben. Dein Aspekt mit der Realitätsflucht ist aber ein guter Ansatzpunkt. Und ich würde solche Reaktionen auch verstehen, wenn man eben als Eltern mit dem Problem allein gelassen werden würde. Was aber eben nicht so ist, da man die Möglichkeiten der Aufklärung für die Eltern anbietet.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Ich habe selber sehr lange gebraucht, um damit für mich selber klar zu kommen, was meine Tochter für Probleme und Schwierigkeiten hat. Es hat sehr lange gedauert, bis ich es auch akzeptieren konnte und noch sehr viel länger hat es gebraucht, bis auch unser Umfeld es akzeptieren und verstehen konnte. Selbst heute fällt mir das teilweise noch schwer, weil ich dem Druck des Umfeldes manchmal doch noch irgendwie unterliege, weil jemand daher kommt und sagt „deine Tochter ist 8, die wird 9, die muss dieses und jenes einfach in ihrem Alter schon viel besser können“.

Eigentlich müsste ich in der Lage sein sagen zu können „Einen Dreck muss sie, weil sie so und so ist und das ist deshalb und deswegen so und so“, aber es fällt mir nach wie vor schwer. Manche Eltern brauchen scheinbar erst einmal eine Zeit, um sich damit abfinden zu können und es auch akzeptieren zu können. Ich finde mich sogar manchmal selber im Zwiespalt mit meinen eigenen Gedanken wieder. Es braucht eben seine Zeit, manch einer realisiert es für sich schneller, manch einer eben halt später.

» freedomsfly » Beiträge: 120 » Talkpoints: 46,90 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich kann Eltern, die generell Defizite ihrer Kinder nicht wahr haben wollen durchaus sehr gut verstehen. Jedenfalls zunächst einmal. Ich zum Beispiel bin in bestimmten Bereichen sehr ehrgeizig und erwarte das in gewisser Hinsicht auch von meinen Kindern. Wenn ich später einmal sehen würde, dass meine Kinder Probleme in der Schule haben, würde ich es zunächst auch nicht sehen wollen und würde sicherlich zunächst einmal selber versuchen zu schauen, woran es liegen könnte. Ich würde sicherlich dann auch versuchen wollen, ihnen selber zu helfen. Erst danach, wenn ich sehe, dass all meine Versuche nichts bringen, würde ich dann auch die Hilfe der Schule oder der gezielten Förderung in Anspruch nehmen wollen.

Ich denke einfach, dass manche Eltern auch ein wenig Zeit benötigen, um mit Problemen ihrer Kinder klarzukommen, vor allem dann, wenn das eigentliche Problem für die Eltern selber kein Problem war oder ist. Was ich dann aber auch nicht verstehe, sind Eltern, die auch nach einer gewissen Zeit überhaupt nicht einsehen wollen, dass ihre Kinder Probleme haben, dass diese wirklich existent sind und das Kind dann auch beeinträchtigen.

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» Nettie » Beiträge: 7637 » Talkpoints: -2,59 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


@Nettie: Man kann aber eben nicht in allen schulischen Bereichen als Mutter helfen. Und genau dazu gehört eine Lese-Rechtschreibschwäche. Eben weil wir als Eltern gar nicht wissen, dass eine andere Lerntechnik den Kindern hilft. Man würde also mehr Schaden anrichten, als es bringt. Das wurde mir damals, nachdem die Diagnose feststand, auch von einer Horterzieherin so gesagt. Sie ist für den Hortbereich auf LRS spezialisiert und hat eben auch schon in den vielen Jahren erlebt, wie Eltern mehr kaputt gemacht haben, weil sie ihr Kind zu Hause falsch angeleitet haben.

@freedomsfly: Da ich Zwillinge habe, bekomme ich oft genug die Frage, warum halt eine Tochter schon eine Klasse weiter ist. Dann erkläre ich einfach, dass eben meine andere Tochter ein Jahr länger Grundschule hat, weil sie die Förderklasse besuchen konnte. Wobei ich denke, wenn man es nicht schafft anderen Leuten gegenüber offen zu sagen, dass das Kind eben so ist, wie es ist, dann hat man das vorhandene Problem selbst nicht wirklich akzeptiert.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


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