Leben retten im Labor - ja oder nein?

vom 02.05.2014, 07:10 Uhr

Obwohl ich auch in den vorigen Jahren gefährliche Praktika im Chemielabor gemacht habe, gab es dieses Jahr eine spezielle Sicherheitseinweisung, die nur auf Atemschutz bezogen war. Früher ist zwar immer erwähnt worden, wo die Gasmasken sind und so weiter, aber da wird nicht so oft mit Gasen gearbeitet haben, war das bisher nicht so relevant, wie eben dieses Jahr. Dieses Jahr sind dann die einzelnen Filterklassen und so weiter durchgesprochen worden und die Pressluftatmer, die die Feuerwehr hat, dürfen wir nicht tragen, weil man dafür eine spezielle Schulung braucht.

Letzten Endes aber läuft alles darauf hinaus, dass man eigentlich wissen muss, was für ein Stoff in der Luft ist. Wenn man jetzt durch die Labore geht und hinter einer der Glastüren dann jemanden liegen sieht, dann zieht man sich natürlich keinen Maske mit Kombifilter an, denn die würde einem nichts bringen, sondern müsste eigentlich erstmal wissen, was da in der Luft ist, damit man sich dazu entscheiden kann, reinzugehen oder eben nicht. Im Idealfall liegt vielleicht eine Chemikalienflasche auf dem Boden, an der man sich orientieren kann, aber auch das muss nicht unbedingt der Stoff sein, der zur Bewusstlosigkeit der Person geführt hat. Letzten Endes also heißt es eigentlich, dass man eine solche Person nicht rettet, wenn man nicht weiß, was in der Luft ist.

Als ich das Thema mit anderen Studenten besprochen habe, waren sich da auch alle einig, eigentlich war für alle klar, dass sie da nicht rein gehen würden. Im Kindergarten mag es vielleicht noch toll sein, den Helden zu spielen, aber wenn man im Labor nachher zwei Leichen hat anstatt einer, dann ist das nicht mehr so cool und wenn man Pech hat, gelangt trotz Unterdruck noch etwas aus dem Labor heraus und dann gefährdet man sogar noch andere Personen. Deswegen möchte von uns jetzt keiner den Helden spielen und wir waren uns einig, dass wir die Person wohl oder übel liegen lassen und auf die Feuerwehr warten würden. Da unser Institut eine Hauseigene Feuerwehr hat, dauert das auch gar nicht so lang. Nur Tatsache ist, wenn die Feuerwehr merkt, dass das zu krasse Chemikalien sind, dann wird auch die nicht da rein gehen, sondern auf den Kampfräumungsdienst warten, der dann mit dem Roboter kommt.

Bis dahin ist die Person dann wahrscheinlich schon tot, aber wenn es wirklich üble Chemikalien sind, dann wird sie das wohl auch schon vorher gewesen sein. Die Feuerwehr hat zwar Pressluftatmer, aber das schützt sie nicht vor ätzenden Gasen oder vor Gasen, die sogar durch die Haut diffundieren können. Dann hat man am Ende statt einem, vielleicht zwei oder drei Todesopfer und das ist es die Sache ja dann doch nicht wert. Ich habe mich über dieses Thema auch mit anderen Leuten unterhalten, die nicht mit mir studieren und da waren dann einige erstaunlicherweise anderer Meinung. Viele meinten,dass sie ihr Leben lang Gewissensbisse hätten, wenn sie nicht da rein gehen und die Person retten würden und sich vielleicht nachher rausstellen würde, dass gar nichts gefährliches in der Luft war. Es kann ja auch sein, dass die Person einfach so ohnmächtig geworden ist.

Ich persönlich kann diese Einstellung nun nicht ganz nachvollziehen, denn in der Regel kennt man die meisten Leute in den Laboren jetzt eher nicht und ich hätte keine Lust für jemanden zu sterben, der da einen doofen Unfall hatte. Das wäre mir die Sache ehrlich gesagt nicht wert und man muss sich nicht unnötig in Gefahr begeben, reicht ja, dass das die Person schon getan hat. Natürlich klingt das hart, wenn man sagt, man lässt die Person jetzt da liegen, aber das Risiko ist einfach zu groß, freiwillig will sich da einfach niemand mit CMR Stoffen kontaminieren und so weiter. Wie ist das bei euch, würdet ihr trotz unabsehbarem Risiko in das Labor gehen und die Person retten, auch wenn eure Maske eventuell nichts bringt und ihr dabei sterben könntet?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Es ist doch egal, ob sich um einen Unfall im Labor handelt oder einen Autounfall. Man soll sich nie selbst in Gefahr bringen. Wenn du also nicht weißt, ob und welche gefährlichen Gase da in der Luft sind, dann musst du wohl oder übel zuschauen, wie da vielleicht jemand stirbt. Dessen muss man sich aber bewusst sein, wenn man einen solchen Beruf ergreifen will. Selbst Berufsfeuerwehrleute, die ja doch öfter ihr Leben aufs Spiel setzen, werden nicht einfach irgendwo reinlaufen ohne vorher einen Gedanken daran zu verschwenden, was sie eventuell erwartet.

Und wenn ein Haus unten komplett brennt, dass man nicht mehr durchs Treppenhaus nach oben kann, um Personen zu retten, dann wartet man auf Sprungpolster oder die Drehleiter, um die Leute zu holen. Sind diese Dinge nicht schnell genug da, dann muss man auch damit rechnen, dass die eingeschlossenen Menschen umkommen.

Dass Menschen, die sich der Gefahr nicht wirklich bewusst sind, weil sie damit nichts zu tun haben, anders denken, wundert mich nicht. Denn ohne konkreten Fall lässt es sich leicht reden. Ich habe selbst schon Situationen erlebt, wo alle in der Theorie wussten, was sie machen müssen. Aber als es dann real zu machen war, waren sie überfordert und konnten gar nicht reagieren.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Leben retten obwohl man sich selbst damit schadet

Benutzeravatar

» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^