Regionale Bräuche übernehmen oder nicht?

vom 01.05.2014, 21:13 Uhr

Ich bin vor etwa einem Jahr von zu Hause weggezogen, weil ich zu studieren begonnen habe und eigentlich bin ich gar nicht weit weggezogen, in einer Stunde mit dem Auto bin ich wieder bei meinen Eltern oder sie eben bei mir. Dennoch hat sich über diese Distanz erschreckend viel getan, hier wird beispielsweise Karneval sehr intensiv gefeiert, bei uns war das eigentlich nie ein Thema gewesen. Daneben gibt es hier noch einige andere Bräuche, die ich nicht gekannt habe, unter anderem dann heute eben auch das mit dem Maibaum und gestern mit dem Tanz in den Mai, das gab es bei uns auch nicht.

Mir ist das dann eben so erklärt worden, dass man am letzten April etwas zusammen mit seinem Partner unternimmt und der erste Mai ist dann der Tag wo man einer Person die man liebt, speziell Frauen eben einen Baum vor die Tür setzt. Ich kannte diesen Brauch vorher nicht und dachte die ganzen Bäume sollten Dekoration sein. An sich finde ich diesen Brauch aber nun nicht so ansprechend, ich weiß nicht so recht, was das mit dem Baum soll und mir tun eher die ganzen Bäume Leid, die da vor sich hin welken, während die Männer sich toll vorkommen, den größten Baum angeschleppt zu haben und die Frauen sich darüber freuen, so ein welkendes Ding vor der Haustür zu haben.

Mein Freund kennt diese Tradition auch nicht, bei ihm in der Gegend war das auch neu. Aber er wohnt nun eben auch schon eine Weile hier und daher hat er bei seiner Exfreundin diese Tradition auch aufgenommen, weil sie das eben gewohnt war und auch von ihm verlangt hat. Bei mir nun wollte er das auch machen, aber ich habe ihm von Anfang an gesagt, dass ich das auf keinen Fall möchte, weil ich das albern finde. Er konnte das nicht ganz nachvollziehen und meinte wohl, ein jeder würde sich über eine solche Geste freuen, aber mir fehlt da wohl einfach irgendwie die Begeisterung für. Irgendwie ist das dann eben auch so, dass man mit diesem Brauch nichts verbindet, weil man ihn nicht kennt und ich persönlich bin dann nicht so angetan davon, diesen Brauch aufzunehmen.

Mein Freund hingegen war da ein bisschen anders eingestellt und meinte, dass es doch komisch wäre, wenn er keinen Maibaum setzen würde. Meine Nachbarn würden dann denken, ich wäre ihm die Mühe nicht wert und andere Menschen würden sich dann auch darüber wundern, dass ich einen Freund habe aber keinen solchen Baum bekommen habe. Für mich war das jetzt kein Argument, ich finde es irgendwie albern so ein Ding vor die Tür zu stellen, nur damit andere Leute wissen, dass man einen Partner hat oder einen Verehrer. Es gibt offenbar genug Frauen, die das toll finden und das nötig haben, aber mich reizt das jetzt nicht und ich wollte das einfach nicht. Mein Freund war dann leider doch etwas traurig, da meine Nachbarin einen sehr großen Maibaum bekommen hat und ich eben keinen.

Wie ist das bei euch, möchtet ihr Bräuche die ihr nicht kennt, die aber in der Region so gefeiert werden annehmen? Könnt ihr euch dafür faszinieren oder lassen sich euch eher kalt, weil ihr sie eben nicht kennt und nicht damit aufgewachsen seit? Findet ihr es wichtig, dass man diese Traditionen dann trotzdem übernimmt, einfach weil die anderen Leute es erwarten und es möglicherweise falsch deuten, wenn man diese Bräuche nicht befolgt, so wie das nun mit dem Maibaum der Fall gewesen sein kann?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich würde nie irgendetwas tun, dass ich lächerlich finde, nur damit die Nachbarn zufriedengestellt sind. Das geht die doch überhaupt nichts an. Die sind ja auch nicht dabei, wenn dein Freund dir Blumen oder eine andere Kleinigkeit mitbringt, um dir zu zeigen, dass er dich gern hat. Wenn sie bei allen anderen Liebesbekundungen nicht dabei sind, warum ist es dann nötig, dass sie die eine mitbekommen?

Ihr seid nun mal Zugezogene, die mit den Bräuchen nicht aufgewachsen sind. Wenn es notwendig ist, diese Bräuche zu übernehmen, um in der Dorfgemeinschaft anerkannt zu werden, würde ich auf diese Anerkennung pfeifen. Die sollen euch so mögen, wie ihr seid oder es eben bleiben lassen.

Und ich kann deine Abneigung gegen diesen Brauch verstehen. Ich mag auch Blumensträuße nicht, weil man den armen Dingern einfach nur beim Sterben zusieht. Einen toten Baum braucht mir niemand zu schenken, der mir etwas Gutes tun will.

Es ist natürlich schade, dass dein Freund das so anders sieht als du. Aber das wäre für mich auch kein Grund, mich erweichen zu lassen. Wenn mir mein Freund trotz meines gegenteiligen Wunsches so einen Baum vor die Tür stellen würde, wäre ich sauer. Mir fällt da leider auch kein Kompromiss ein, den ihr eingehen könntet, da die alle das Ganze erst recht ins Lächerliche ziehen würden. Er könnte dir eine schöne Topfpflanze schenken, aber das wäre doch auch absurd.

Ich denke, er muss sich einfach damit abfinden, dass du es nicht willst. Es ist doch auch nicht so, dass es ihm sehr wichtig sein kann, weil er ja ebenfalls nicht mit diesem Brauch aufgewachsen ist. Denn dann wäre es etwas ganz anderes und ich würde mehr Verständnis zeigen. Aber nur um die Nachbarn zu beeindrucken, würde ich mich an deiner Stelle nicht verbiegen.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Den Brauch mit dem Maibaum kenne ich auch nicht und da wo ich herkomme, wird der Karneval auch nicht so extrem und ausschweifend gefeiert wie hier im Rheinland. Daher kann ich deinen Standpunkt schon sehr gut nachvollziehen und kann auch nicht wirklich verstehen, warum man das feiern sollte, wenn man einfach nicht will. Für mich bedeuten diese Traditionen und Bräuche nichts und ich finde es falsch, wenn man das nur wegen dem Image macht um den Nachbarn zu gefallen. Wichtig ist doch nur, dass man sich selbst gefällt.

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Der Brauch mit dem Maibaum ist schon einige Jahrhunderte alt, wobei der Ursprung nichts mit Liebe zu tun hatte, sondern böse Geister vom Hof abhalten sollte. Bei uns wird halt ein Maibaum im Ort gestellt und das eben am 30. April. Das ist auch kein echter Baum, den man jedes Jahr neu schlägt. Es handelt sich dabei um einen Baumstamm, der viele Jahre genutzt wird. Zum Schmuck bekommt er eine frisch gebundene Krone.

Ich finde es nun nicht weiter schlimm, wenn man nicht alle Traditionen mitmacht. Aber ganz verschließen sollte man sich auch nicht. So finde ich es schon recht angenehm, wenn man seine Nachbarn dann eben auch mal zu einem solchen Fest sieht. Wir waren gestern auf zu zwei sogenannten Hexenfeuern. Bei dem ersten Fest konnten wir unser privates Interesse mit meinen beruflichen Belangen verbinden. Danach waren wir halt noch bei der Veranstaltung direkt neben unserem Garten.

Gerade wenn man irgendwo neu hinkommt und vielleicht sogar dort bleiben wird, sollte man einen Mittelweg einschlagen. Deswegen musst du dir ja keinen Baum vor die Tür stellen lassen. Aber ein wenig Abwechslung neben deinem Studium wird eurer Beziehung sicherlich auch gut tun, weil ihr etwas unternehmt, was nicht ständig gemacht wird.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



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