Rolle der Kirche noch zeitgemäß?

vom 21.04.2014, 03:37 Uhr

Manchmal frage ich mich, ob die Rolle der Kirche in der heutigen Zeit überhaupt noch zeitgemäß ist. Und zwar frage ich mich dies, nachdem ich mir bereits Gedanken darüber gemacht habe, wieso die Theologie noch immer ein Anrecht darauf hat, in der Verfassung so große Macht zugesichert zu bekommen. Nach all den schrecklichen Taten aus früheren Zeiten und vor allem jetzt nach den großen Skandalen.

Die Gesellschaft verändert sich, sie ist viel fortschrittlicher geworden. Doch einzig die Kirche hat sich diesem Fortschritt nicht angepasst. Es soll eine tolerante Gesellschaft sein, doch die katholische Kirche arbeitet dieser Toleranz ja eigentlich viel mehr entgegen, oder? Ich finde, dass auch die Kirche sich der neuen Situation, mit dieser neuen Welt, anpassen muss.

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» Chiquitalina » Beiträge: 2311 » Talkpoints: -3,62 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Ich denke gerade in Deutschland sollte man wissen, dass man eine Organisation oder eine Menschengruppe niemals anhand früherer Taten beurteilen sollte. Und auch die heutigen Skandale sind wenig representativ für die Masse. Skandale gibt es immer, egal ob bei Politikern, Filmstars oder religiösen Organisationen.

Die Frage ist, was eigentlich "die Kirche" ist. Ist es eine kleine Gruppe der kirchlichen "Elite" oder sind es die Millionen Gläubigen? Die "Elite" vertritt oftmals schon ein angestaubtes Image, welches nicht mehr so recht in das Weltbild passt. Aber in der "Basis" gibt es doch so viele Leute, die eben zu dieser fortschrittlichen Gesellschaft gehören. Unter den hauptamtlich und ehrenamtlich Tätigen gibt sich natürlich ein gemischtes Bild. Es gibt natürlich immer eine Gruppe Erzkonservativer, und auch eine Gruppe, die sich unter dem Deckmantel der Religion eher unmenschlich und egoistisch verhalten. Aber die allermeisten Gläubigen sind durchaus tolerant und fortschrittlich.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Chiquitalina hat geschrieben:Manchmal frage ich mich, ob die Rolle der Kirche in der heutigen Zeit überhaupt noch zeitgemäß ist.

Dazu lässt sich natürlich die Frage stellen, was "Kirche" ausmacht und wie eine "zeitgemäße" Auslegung dann wohl auszusehen hätte - ohne in deren Abschaffung zu enden. Schließlich stammt die Idee der Gottheit aus einer Zeit, in der die Erde als eine Scheibe im Zentrum des Universums stand, Blitz und Donner nicht zu simulieren waren und auch die Vorstellung von Evolution weit weg von allem denkbarem war.

Chiquitalina hat geschrieben:Und zwar frage ich mich dies, nachdem ich mir bereits Gedanken darüber gemacht habe, wieso die Theologie noch immer ein Anrecht darauf hat, in der Verfassung so große Macht zugesichert zu bekommen.

Auch die Frage geht insofern nicht weit genug zurück, als das du so tust, als wäre die Verfassung "Gottgegeben". Sie spiegelt im Grunde nur den Stand der Gesellschaft wieder. Auch wenn du das so nicht sehen magst, ist - unabhängig von der Zahl der Kirchenanhänger - die wesentliche Mehrheit der Gesellschaft fest darin verwurzelt, dass die "christlichen Werte" und deren Traditionen die hiesige Gesellschaft trägt. Du kannst nicht so tun, als wäre die Verfassung bzw. die Gesetzgebung völlig an den Vorstellungen der Mehrheiten vorbei definiert und "von außen" aufgezwungen worden.

Chiquitalina hat geschrieben:Nach all den schrecklichen Taten aus früheren Zeiten und vor allem jetzt nach den großen Skandalen.

Hier muss ich gestehen, verstehe ich den Zusammenhang leider nicht. Stellst du jetzt die Frage hinsichtlich kirchlicher Einflüsse im Schatten der Ereignisse der Kreuzzüge in Frage? Und welche "Skandale" genau meist du in dem Fall? Etwa die Missbrauchsskandale innerhalb der Kirche? Das wäre wirklich seltsam - denn der Missbrauch geschieht ja auch innerhalb der Familie (vermutlich sogar in der Mehrheit!). Was aber nicht dazu führt, dass du die Familie in Frage stellst. Ebenso passiert der Missbrauch an Schulen oder Vereinen. Was sollte dies für Konsequenzen nach sich ziehen?

Chiquitalina hat geschrieben:Die Gesellschaft verändert sich, sie ist viel fortschrittlicher geworden.

Und woran machst du das fest? Ich denke nur daran, dass wir eine Leitkulturdebatte haben - und ich sehe hier wahrlich nichts "Fortschrittliches". Um jetzt nur ein Beispiel zu nehmen.

Chiquitalina hat geschrieben:Doch einzig die Kirche hat sich diesem Fortschritt nicht angepasst.

Wie kommst du darauf? Allein die Idee, die "Kirchensteuer" durch den Staat eintreiben zu lassen, ist z.B. in Deutschland sehr fortschrittlich und eine Menge anderer Kirchen außerhalb der BRD sind auf diesen Fortschritt neidisch. Noch mal die Frage: soll sich die Kirche auf Grund der Tatsache, dass Galilei Galileo doch recht hatte und weil Dinos vor den Menschen gelebt hatten selbst auflösen?

Chiquitalina hat geschrieben:Es soll eine tolerante Gesellschaft sein, doch die katholische Kirche arbeitet dieser Toleranz ja eigentlich viel mehr entgegen, oder?

Die Geschäftsgrundlage der Kirche negiert doch alle anderen Religionen. Du forderst letztlich die Kirchen auf, selbst zu proklamieren, dass andere Kirchen vielleicht auch Recht haben? Das würde die eigene Existenzgrundlage doch entziehen und die eigenen Existenzberechtigung wegnehmen. Solche Religionen können nicht existieren, indem sie anderen Religionen eine Berechtigung zusprechen. Mal davon abgesehen, dass es im christlichen Bereich sogar gegen das Gebot (also die Verfassung der Kirche!) verstoßen würde, dass es nur einen Gott geben kann.

Chiquitalina hat geschrieben:Ich finde, dass auch die Kirche sich der neuen Situation, mit dieser neuen Welt, anpassen muss.

Eigentlich nur dann, wenn die Kirche sich selbst als beliebigen Karnevalsverein sehen würde.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Natürlich ist die Kirche nicht mehr zeitgemäß, weil das, was sie vertritt schon lange nicht mehr zeitgemäß ist. Wir brauchen keine Götter mehr um zu verstehen, warum sich irgendein Phänomen in der Natur ereignet hat. Vieles davon ist inzwischen schon sehr gut erforscht und basierend auf dieser Tatsache können wir sicher sein, dass der Rest auch irgendwann auf völlig natürliche Weise erklärt werden wird. Und wir brauchen auch keine Religionen mehr um das Zusammenleben zu regeln, denn dafür gibt es Regierungen und Gesetze.

Die Frage ist aber, warum sich die Kirche anpassen sollte. Das macht eigentlich nur Sinn, wenn man an deren Weiterbestehen interessiert ist, aber das bin ich nun wirklich nicht. Soziale Aufgaben müssen nicht von Kirchen übernommen werden, das bekommen säkulare Organisationen wesentlich effektiver hin, weil sie kein Geld abzweigen müssen um den luxuriösen Lebensstil ihrer Vorsitzenden zu bezahlen.

Von mir aus kann die Kirche gerne so bleiben wie sie ist, dann wird sich das Thema irgendwann nämlich ganz von selber erledigt haben. Man sieht doch jetzt schon sehr gut, wo die Entwicklung hingeht. Immer mehr Menschen verabschieden sich komplett von der Religion, ein kleiner Teil wird radikaler und lauter und sorgt damit nur dafür, dass sich noch mehr Menschen abwenden und die verzweifelten Versuche von einigen Kirchen moderner zu werden gibt es natürlich auch.

die wesentliche Mehrheit der Gesellschaft fest darin verwurzelt, dass die "christlichen Werte" und deren Traditionen die hiesige Gesellschaft trägt

Wenn von "christlichen Werten" die Rede ist sind eigentlich humanistische Werte gemeint. Es werden die Gebote und Verbote aus der Bibel herausgepickt, die mit dem übereinstimmen, was die Menschen sowieso als richtig und moralisch empfinden und das, was mit der vorherrschenden Moral nicht zu vereinbaren ist, wird dezent verschwiegen. Es gibt über 600 Gebote und Verbote in der Bibel, einige sind einfach total bizarr (man nehme zum Beispiel das berühmte Verbote Kleidung aus gemischten Fasern zu tragen) andere würden dich direkt ins Gefängnis bringen (das Steinigen eines unartigen Kindes, die erzwungene Abtreibung, wenn der Verdacht der Untreue besteht, und so weiter).

Die wesentliche Mehrheit der Gesellschaft hat sich einfach noch nie mit diesem Thema beschäftigt und schluckt einfach die Propaganda der Kirchen, dass Religion nötig wäre für moralisches Verhalten oder, dass Religion irgendwelche Werte vermittelt, die nur sie vermitteln kann.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Cloudy24 hat geschrieben:Wenn von "christlichen Werten" die Rede ist sind eigentlich humanistische Werte gemeint.

Nein, auch die Sakramente sind hier mit eingeschlossen und gehören zu dem, was große Teile der Bevölkerung zu verteidigen bereit sind. Mag zwar sein, dass immer weniger Kirchgänger unterwegs sind. Aber letztlich versteht sich die Mehrheit hier definitiv dem Verschrieben, was unter "christlichem Abendland" verstanden wird. Dazu gehört auch "irgendwie" der feste Glaube an einen Gott, seinen wiedergeborenen Sohn und den hlg. Geist. Das alles in scharfer Abgrenzung gegen das, was gemeinhin als Gefahr eben für dieses christliche Abendland gesehen und verstanden wird: Islam - aber auch Judentum.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


derpunkt hat geschrieben:Aber letztlich versteht sich die Mehrheit hier definitiv dem Verschrieben, was unter "christlichem Abendland" verstanden wird.

Du beziehst den Begriff dann praktisch auf alles, was sich auf die Errungenschaften unseres Kulturkreises, der natürlich durch die christlichen Religionen geprägt ist, bezieht?

Macht irgendwo Sinn, aber andererseits passt der Begriff "christlich" oft überhaupt nicht. Solche Werte wie Gleichberechtigung, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und die dazugehörige Freiheit von der Religion, Demokratie und so weiter sind für mich wichtige Merkmale unserer Gesellschaft, gerade auch in Abgrenzung zu vielen islamisch geprägten Gesellschaften, aber kaum etwas davon hat seinen Ursprung in der christlichen Religion.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


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