Woher wissen die Parteien, dass ich Erstwähler bin?
Ich bin dieses Jahr 18 Jahre alt geworden und somit Erstwähler, sowohl bei der Bundestagswahl als auch bei der Landtagswahl. Damit die Parteien viele neue Wähler hinzugewinnen, machen die natürlich Werbung. Heute habe ich mich aber etwas gewundert: Ich habe einen Brief von der Partei Bündnis 90/Die Grünen bekommen, in denen sie für sich Werbung gemacht haben. Dabei haben sie mich als Erstwähler angesprochen.
Woher wissen die also meine Adresse und haben die Information, dass ich Erstwähler bin? Durch diese Formulierung kann es ja kein Flugblatt gewesen sein, was sie überall in den Briefkasten geworfen haben. Und wie gesagt kam das ganze auch per Post mit meiner Adresse.
Also woher weiß die Partei, dass ich Erstwähler bin und hat zudem auch noch meine Adresse? Für einen Newsletter oder ähnliches habe ich mich nie bei der Partei und auch bei keiner anderen angemeldet. Das hat mich heute also etwas überrascht, woher die diese Informationen haben.
Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Es fängt an damit, dass solche Adressen aus den Zeitungen oder anderen öffentlichen Medien (Kirchenblatt, Schulzeitung, etc.) herausgesucht werden. Dort steht ja etwa drin, wann man Geburtstag hat, weil einem dazu gratuliert wird. Oder dort war die Anzeige zur Konfirmation drin mit Geburtstag. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die Parteien nicht vielleicht auch ihre Informationen direkt von der Quelle, nämlich den Einwohnermeldeämtern bekommen.
Ich meine, als ich mich das letzte Mal umgemeldet habe, sollte ich auch so etwas unterschreiben, dass die meine Daten weitergeben dürfen. Oder ich habe es vielleicht in der Zeitung gelesen, dass so etwas nun erlaubt sei. Da bin ich mir nicht so sicher. Aber irgend so eine Quelle werden die Parteien haben, denn diese Daten sind auch heiß begehrt.
Die Parteien nutzen die Daten vom Einwohnermeldeamt. Sich nur auf Kirchenblätter zu beschränken oder auf Zeitungs-Anzeigen, und daher die Adressen zu entnehmen, wäre viel zu lückenhaft, da sowas ja nicht mehr von so sonderlich vielen Personen genutzt wird. Da geht das mit dem Einwohnermeldeamt weitaus effektiver, schneller und womöglich sogar automatisiert.
Es müssen nicht etliche Zeitungen durchgelesen werden, sondern man erhält die Namen und Adressen gleich listenweise, teils mit weiteren persönlichen Angaben zusammen. Ich meine, dass man nur angeben muss, man wolle alle Personen aus einem bestimmten Geburtsjahr und aus einer bestimmten Stadt, und schon bekommt man die Angaben. Sofern man zahlt, jedenfalls. Aber die Parteien bekommen ja auch genug Zuschüsse für Wahlwerbung, auf Kosten der Steuerzahler.
Daher haben sie nicht nur Deine Adresse, sondern auch Dein Geburtsdatum und sogar Deine Nationalität. Das stand sogar einmal als Fußnote in einem dieser direkt an mich adressierten Wahl-Werbe-Briefe, als Erklärung für diese Frage, woher die Daten stammen, was sich sicher viele Leute erst einmal fragen, wenn sie den Brief lesen. Dass diese Sache erklärt wurde, fand ich gut. Das war aber auch das einzig Gute an dem Brief.
Ich habe solche personalisierte Werbepost diverser Parteien schon mehrfach über die letzten Jahre erhalten. Jedes Mal finde ich es ein wenig dreist, dass die Meldestelle die Daten tatsächlich für reine Werbezwecke herausgibt. Aber als ich dort mal ein Schülerpraktikum gemacht hatte, hatte man mir schon gesagt, dass die Daten, die dort über jeden Einwohner gespeichert sind, allgemein abfragbar sind. Nur bestimmte Details dürfte man nur mit besonderem Grund erfragen, und teilweise auch nur unter Nachweis von Verwandtschaft. Ebenso kann man den Zugriff auf seine Daten auch sperren lassen, aber das auch nur, wenn man dafür wirklich gute Gründe nennt. Ob "Ich möchte keine Werbung!" ausreicht, weiß ich leider nicht. Ich kann auch nicht sagen, ob die Richtlinien heute noch alle so aussehen, aber damals, als ich dort arbeitete, war es so. Das ist aber jetzt auch schon über 10 Jahre her.
Aber wie dem auch sei: Ich finde es schon irgendwie riskant und auch erschreckend, dass irgendwelche Parteien so schnell und einfach auf solche privaten Daten zugreifen können, und das ohne rechtliche Probleme dabei zu bekommen. Ich musste übrigens auch niemals direkt schriftlich oder mündlich einwilligen, dass meine Daten verteilt werden dürfen. Davon wird wohl standardmäßig ausgegangen, wenn man es nicht möchte, muss man das wohl angeben.
Eine kleine Anekdote noch, zum Thema "Werbebriefe speziell für Erstwähler". Ich staunte nicht schlecht, als ich vor einigen Jahren mal so einen Brief im Briefkasten hatte, in dem ich als Erstwähler angesprochen wurde. Es war die NPD. Absurd war nicht nur, dass ich zu dem Zeitpunkt schon 25 Jahre alt war und schon mehrfach an verschiedenen Wahlen teilgenommen hatte, sondern besonders blöd war auch, dass man mir diesen rechten Kram als Werbung schickte, obwohl ich einen Migrationshintergrund habe. Nur habe ich eben die deutsche Staatsbürgerschaft und einen Namen, der als deutschsprachig durchgehen könnte. Über diesen Fehlgriff der NPD, und dass sie offensichtlich nicht einmal schaffen, zu errechnen, dass ein 25-Jähriger kein Erstwähler mehr ist, hätte ich fast lachen müssen, wenn es nicht so traurig wäre.
Ich habe damals nur von einer Partei eine entsprechende Werbung bekommen. Allerdings habe ich mir da keine weiteren Gedanken gemacht, wie sie an die Daten gekommen sind. Denn meine ehemalige Klassenlehrerin ist in dieser Partei und wusste dadurch auch, wer wann volljährig wird. Ich war davon ausgegangen, dass man dadurch an die Daten kommt.
Aber seit einigen Jahren kann man das beim Einwohneramt verhindern, dass quasi Hinz und Kunz an die Daten kommen. Damit bekommen dann nur noch Juristen und Gerichte Auskunft, wenn dies nötig ist. Da muss man dann aber auch zum Einwohnermeldeamt gehen und dort angeben, dass eben niemand die Daten bekommen darf.
Wenn es die Klassenlehrerin gewesen wäre, die einem die Wahlwerbung hat zusenden lassen, fände ich das aber irgendwie auch nicht viel besser, als wenn es Daten aus dem Melderegister sind. Schließlich sollte gerade der Bildungsbereich nicht parteilich beeinflusst sein, und ich fände es nicht gut, wenn Lehrer ihren Schülern Parteipropaganda einimpfen, und womöglich direkte Parteiwerbung zu den Schülern nach Hause senden lassen, sobald diese in ein Alter gekommen sind, in dem sie wählen dürfen. Da ist es mir auch egal, um welche Partei es geht. So etwas hat im schulischen Bereich meiner Meinung nach absolut nichts zu suchen, auch, wenn es in der Praxis leider oftmals anders aussieht. Schule muss allerdings politisch neutral bleiben, beziehungsweise demokratisch und anti-faschistisch, das gerne, aber eine Erziehung in Richtung einer bestimmten Partei finde ich einfach unmöglich.
Zum Hauptthema noch folgender Link, der eine Menge verständlich auf den Punkt bringt. Hier zwar im konkreten Fall über die NPD, aber diese Adress-Verteilungs-Mechanismen gelten genauso für alle anderen Parteien: "Berliner Morgenpost - Rechtsextreme: NPD erhält Erstwähler-Adressen von Einwohnermeldeamt".
rasenderrolli hat geschrieben:Ich meine, als ich mich das letzte Mal umgemeldet habe, sollte ich auch so etwas unterschreiben, dass die meine Daten weitergeben dürfen.
Nein du musst dafür gar nichts unterschreiben. Dass das Einwohnermeldeamt deine Daten an bestimmte Institutionen weitergeben darf ist normal und wird einfach für dich entschieden, da wirst du gar nicht erst gefragt. Du kannst nur von dir aus sagen, dass du dem widersprechen willst und dann musst du das extra beantragen. Ich selber habe das noch nicht gemacht, aber von vielen Leute gehört und gelesen, die das gemacht haben, dass man dann ganz doof angeguckt wird und ewig gefragt wird, wieso man das denn nicht will.
Wichtig ist auch, dass man gewisse Auskünfte gar nicht untersagen kann. Zum Beispiel Namen und Anschriften können sich Anwälte, Inkassobüros einfach berichtigen lassen. Sie fragen also beim Einwohnermeldeamt mit einem vermeintlichen Datensatz von dir an um sich diesen berichtigen zu lassen und kriegen dann völlig gesetzeskonform die richtigen Daten von dir und genau dem kann man nach aktueller Gesetzeslage nicht mal widersprechen.
Wahlwerbung kann man aber untersagen, aber auch hier können die Parteien natürlich einfach mit einem alten oder unvollständigen Datensatz anfragen, ob das denn so noch richtig ist und kriegen dann trotz Widerspruch einen kompletten, aktuellen Datensatz von dir. Hat unsere tolle Regierung letztes Jahr erst so beschlossen unter kräftiger Mithilfe von Werbe- und Inkassoindustrie.
Also im Grunde kannst du der Datenweitergabe widersprechen und trotzdem kann jeder der deinen Namen hat beim Einwohnermeldeamt deine ganzen Daten abgreifen um damit dann Werbung eben auch für Parteien zu schalten.
Die Parteien versorgen sich mit den Daten des Einwohnermeldeamts und dann unterstellen sie ja (zu Recht) allen Personen, die hinsichtlich des Alters zum ersten Mal auf Bundesebene wählen können, (potentielle) Erstwähler zu sein. Was nicht bedeutet, dass alle entsprechenden Personen zur Wahl gehen müssen. Nur ist dies der Gang der Dinge hinsichtlich "personalisierter" Wahlwerbung.
Bedenken hätte ich, wenn mehr Daten hier einfließen würden und die Parteien die Wahlwerbung noch stärker personalisieren würden. So z.B. wenn auf Grund der Surfgewohnheit die Parteien sich deiner vermuteten Lieblingsthemen angenommen hätten und ihre (positive) Sicht dahingehend kund getan hätten.
Dass die Parteien es nicht unbedingt schaffen, anhand des Alters zu errechnen, ob ein Mensch nun wirklich Erstwähler sein kann, oder nicht, habe ich ja schon anhand der "tollen" NPD-Anekdote belegt. Wobei das auch eine NPD-typische Macke sein könnte, oder vielleicht absichtliche Provokation. Jedenfalls habe ich solche Fehler bei anderen Parteien noch nicht erlebt.
Was nun die Personalisierung des Werbebriefs mit speziellen, auf den Empfänger zugeschnittenen, Themen betrifft: Wie soll das denn technisch möglich sein? Sicher gibt es Cookies, über die sich nachvollziehen lässt, welche Themengebiete ein Mensch sich online angesehen hat. Aber wie soll irgendeine Partei denn herausfinden, welcher reale Mensch sich hinter der IP-Adresse befindet? Denn der Werbebrief muss ja per Post zugestellt werden, und dafür benötigt man einen echten Namen. Dass Provider den Namen hinter einer IP raussuchen und weiterleiten, ist nur im Falle von Straftaten erlaubt. Da kann nicht einfach jede Partei nach Daten fragen.
Abgesehen davon wäre dieses Prozedere, sich anzusehen, welche IPs welche Themen angeklickt haben, und dann auch noch den Namen beim Provider abzufragen (angenommen, das wäre gesetzlich möglich), dann auch noch beim Einwohnermeldeamt die Adresse zu erfragen, dann noch einen passenden Brief zu gestalten und diesen dann zuzusenden, viel zu aufwändig. Diese ganze Prozedur würde relativ lange dauern. Auf diese Weise tausende von Werbebriefen zu versenden, wäre einfach ein ziemlicher Aufwand. Sowohl, was die notwendige Zeit betrifft, als auch finanziell. Von daher glaube ich mal nicht, dass es soweit kommen wird. Wahlwerbebriefe werden in absehbarer Zeit also zwar durchaus an echte Namen und Adressen geschickt werden, aber eine deutliche Personalisierung je nach Interessen des Empfängers halte ich einfach für zu komplex und aufwändig, sodass es sich finanziell für die Partei nicht mehr rentieren würde.
Grundsätzlich können die Parteien diese von den Einwohnermeldeämtern erfahren. In kleineren Ortschaften mit einer größeren Parteijugend erfahren es die Damen und Herren auch durch Mundpropaganda und wissen sogar, wer ihnen zugetan ist und wohin sie ihre Parteiwerbung einwerfen können oder nicht. Pro Stimme gibt es übrigens ungefähr 50 Cent Wahlkampfkostenerstattung ab ca. 1 Prozent Wählerstimmen. Da lohnt es eine Werbebrief mit 25 Cent durchaus.
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