Braucht Deutschland mehr Zuwanderer?

vom 14.05.2011, 13:46 Uhr

Die deutsche Wirtschaft wird eine wachsende Zahl von Spezialisten benötigen, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben will. Langfristig wird sich dieser Bedarf nicht mehr aus der deutschen Bevölkerung decken lassen, daran besteht unter Fachleuten kein Zweifel. Die Wirtschaft fordert deshalb seit langem flexiblere Zuwanderungsregeln. So will etwa die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) „gesteuerte Zuwanderung 5 in Abhängigkeit vom Bedarf des Arbeitsmarktes flexibel und zeitnah tatsächlich ermöglichen". Die Botschaft der BDA ist klar: Deutschland braucht eine Kehrtwende in der Zuwanderungspolitik und muss für Hochqualifizierte attraktiver werden.

Bereits heute fehlen in vielen Branchen Fachleute. In einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) unter mehr als 200(X) Unternehmen gaben Ende o vergangenen Jahres 16 Prozent der Befragten an, sie könnten nicht alle offenen Stellen besetzen, weil es an geeigneten Leuten fehle. In einigen Branchen, etwa im IT-Bereich, liegt der Wert bei einem Viertel. Bis heute dürfte sich die Situation angesichts der positiven konjunkturellen* Entwicklung eher verschärft haben.

Das am 1. Januar 2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz stellt aus Sicht der Wirtschaft 15 einen ersten Schritt in die richtige Richtung dar. So können Hochqualifizierte erstmals von Beginn an ein Daueraufenthaltsrecht erhalten. Zudem erhalten ausländische Studenten nach erfolgreichem Studienabschluss einen verbesserten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Sie können sich jetzt unmittelbar von Deutschland aus für eine Anschlussbeschäftigung bewerben. Für die Arbeitsplatzsuche kann die Aufenthaltserlaubnis um bis zu einem Jahr verlängert werden.

Im internationalen Vergleich bleiben die Regeln allerdings restriktiv. Eine sofortige Daueraufenthaltserlaubnis bekommt derzeit nur, wer ein Jahresgehalt von mehr als 84000 Euro nachweisen kann. Damit liegt die Latte sehr hoch. Der Wert entspricht dem Dreifachen des Durchschnittseinkommens deutscher Arbeitnehmer. Vielen hoch qualifizierten ausländischen Arbeitskräften bleibt so ein Job in Deutschland verwehrt. Obwohl das Zuwanderungsgesetz gegenüber den vorherigen Regelungen als eine Verbesserung empfunden wird, bleibt es nach Auffassung von Thomas Straubhaar, Leiter des Hamburgischen Weltwirtschafts-Instituts (HWWI), doch „durch eine bürokratische Grundtendenz charakterisiert, die eher abschreckend wirkt".

Braucht Deutschland in Zukunft wirklich mehr Zuwanderer um mit Wirtschaftsstarken Ländern wie China mithalten zu können? Brauchen wir wirklich mehr Hochqualifizierte Leute aus anderen Ländern?

» Felix90 » Beiträge: 13 » Talkpoints: 15,87 »



Da es ja offensichtlich so ist, dass wir unseren Bedarf an Fachleuten nicht mehr aus den eigenen Reihen rekrutieren können, ist es durchaus richtig hier auf Zuwanderung etwas mehr Wert zu legen. Wie will man sonst all die Stellen besetzen, die einen Fachmann bedingen, wenn man hier keinen mehr bekommen kann? Zudem finde ich es positiv Mitarbeiter aus anderen Ländern zu holen, denn gerade der multikulturelle Aspekt ist auch wichtig für eine Firma. In anderen Ländern herrschen auch andere Sitten, es wird anders gelernt und vielleicht werden sogar teilweise andere Inhalte vermittelt, von denen wir hier sicherlich noch profitieren können.

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» Vampirin » Beiträge: 5979 » Talkpoints: 30,32 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Dazu kam gestern erst im Fernsehen ein Bericht. Ich weiss zwar nicht mehr, welches Jahr als Stichpunkt genannt wurde. Aber man nannte dabei Zahlen von Zwei Millionen Fachkräften. Und das ist schon enorm, was uns in Zukunft fehlen wird.

Allerdings denke ich auch noch an die Greencard-Geschichte mit den Indern. Da wollte ja kaum einer von denen zu uns kommen. Und selbst wenn man im IT-Bereich bei den Ersten war, welche eine entsprechend neue Ausbildung begonnen haben. Zwei Jahre später war der Markt doch irgendwie schon gesättigt.

Ich denke daher, das man sich schnellstens Gedanken um die Ausbildung machen sollte. Klar sind aktuell weniger Schulabgänger vorhanden, als es Ausbildungsplätze gibt. Aber wenn man jetzt schon weiss, welche Fachkräfte in zehn Jahren dringend benötigt werden, kann man gegensteuern.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Das ist ein Thema, bei dem viel Raum für Stammtischparolen ist nach dem Motto: Wir haben X-Millionen Arbeitslose, wir brauchen keine Zuwanderer! Aber so einfach ist das ja nun mal nicht, da es die hochqualifizierten Kräfte sind, die fehlen. Ob es nun wirklich so dramatisch ist oder ob es sich in erster Linie mal wieder um Lobbyistengejammere handelt, kann unsereiner wohl kaum objektiv beurteilen.

Meine persönliche Einschätzung ist aber, dass das Problem zumindest zu einem großen Teil hausgemacht ist. Wenn die hiesigen Unternehmen sich einmal mehr darum kümmern würden, mehr auszubilden und auch mehr in die Weiterbildung ihrer vorhandenen Mitarbeiter zu investieren, gäbe es vielleicht auch keinen Fachkräftemangel oder dieser wäre zumindest deutlich geringer.

Sicher, nicht jeder unterdurchschnittliche Hauptschüler ist in der Lage, es zum Dipl.-Ingenieur zu bringen. Dennoch ist es doch gängige Praxis, dass junge motivierte Menschen nach erfolgreicher Ausbildung nur mit Zeitverträgen abgespeist werden anstatt diesen vernünftige Trainee-Programme anzubieten, bei denen Sie Berufserfahrung sammeln und sich zudem weiterentwickeln können.

Aber so ist es leider: Im Firmenalltag wird geknausert und die Mitarbeiter werden knapp gehalten, damit man möglichst viel Gewinn macht und wenn dann Probleme wie Fachkräftemangel auftauchen, wird gejammert und Forderungen an die Politik gestellt. Man möge mir die nun folgende Polemik verzeihen: Der größte Fachkräftemangel in Deutschland besteht darin, dass es fast keine fähigen Mitarbeiter mehr in den Führungsetagen gibt!

» SirOliver1974 » Beiträge: 74 » Talkpoints: 0,57 »



Ich bin auch der Meinung, dass man in erster Linie mehr Wert auf die Ausbildung der Kinder und Jugendlichen, die schon hier sind, legen sollte. Es gibt hier bestimmt genug Leute, die durch mangelnde Förderung und Möglichkeiten nicht das leisten können, was eigentlich in ihnen steckt. Selbst Leute mit abgeschlossenem Studium wandern von einem Praktikum zum anderen. Wo genau sollen denn da Fachkräfte fehlen, wenn außer Zeitarbeitsfirmen keiner mehr welche einstellt?

Die Frage ist vor allem: welcher hochqualifizierte Ausländer möchte sein Land verlassen? Die meisten Auswanderer sind schlecht ausgebildete Leute, die versuchen, der Armut oder Perspektivenlosigkeit in ihrer Heimat zu entkommen. Ein IT-Spezialist kann auch in Indien genug Geld verdienen. Solche Leute müssten auch erst wieder ausgebildet werden. Dann soll man sich lieber erstmal den Kindern hier zuwenden. Sollten die nicht ausreichen, kann man immer noch Fachkräfte anwerben.

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» Studia » Beiträge: 1182 » Talkpoints: 2,44 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Argumente für die Zuwanderung: Ich denke das wichtigste Argument ist, dass uns die Fachkräfte fehlen. Man könnte sie sich im Ausland besorgen und die Wirtschaft spart Geld. Der Arbeitgeber kann dadurch noch mehr Leute aus dem Ausland einstellen. Zudem wird die Wirtschaft natürlich angekurbelt.

Argumente gegen die Zuwanderung: Leider hat die Zuwanderung nicht nur Vorteile. Denn dadurch, dass die Fachkräfte im Ausland beschafft werden, haben die Einheimischen viel weniger Arbeitsstellen. Damit steigt die Arbeitslosigkeit. Das kann Hass und Rassismus schüren. Zudem wird ex extremes Dumping bei den Lohnkosten geben. Die Unternehmer werden sich freuen. Meiner Meinung nach, sollten die Fachkräfte verstärkt im eigenen Land ausgebildet werden. Ansonsten sieht es für unsere Wirtschaft düster aus.

» IamPirat » Beiträge: 431 » Talkpoints: 24,64 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Felix90 hat geschrieben:Die deutsche Wirtschaft wird eine wachsende Zahl von Spezialisten benötigen, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben will. Langfristig wird sich dieser Bedarf nicht mehr aus der deutschen Bevölkerung decken lassen, daran besteht unter Fachleuten kein Zweifel.

Daran besteht kein Zweifel? Könnte die "wachsende Zahl von Spezialisten" auch ein Heer von Nachplapperern sein, wie das so oft der Fall ist? Woher stammen deren Weisheiten? Ich weiß, dass Herr Weise von der Bundesanstalt für Arbeit irgendwann im Mai dieses Jahres eine Zahl von ca. 7 Mio. fehlenden Fachkräften für 2025 in die Welt getragen hat. Aber woher hat er diese Zahl? Heute weiß man das, nämlich vom Institut für Arbeit und Berufsforschung (IAB). Das aber hat zur Berechnung/Projektion dieser Zahl, zunächst sehr seltsame Annahmen unterstellt. Und man bedenke dabei, wir gehen hier von einer deutschen Gesellschaft mit zukünftigem Arbeitskräftemangel aus. Und da gibt es im Modell dann ... :
  • ... keine Wanderungsbewegungen zwischen Deutschland und Ausland.
  • Die Rente ab 67 wirkt sich nicht auf die Erwerbsquote aus.
  • Die Erwerbsquote der Erwerbsfähigen erhöht sich ebenfalls nicht.
  • Unberücksichtigt bleibt, dass sinkende Bevölkerungszahlen automatisch auch einen sinkenden Bedarf an Arbeitskräften bedingen
  • Unberücksichtigt bleibt, dass auch eine steigende Produktivität automatisch zu einem sinkenden Bedarf an Arbeitskräften führt
Das kann man doch so nicht machen. Da werden Zahlen mindestens mal "gebeugt", von Fälschung möchte ich nicht sprechen. Man hat eben nur ein paar sehr bedeutsame Voraussetzungen nicht berücksichtigt.

Warum? Weil man die deutsche Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik als erfolgreich hinstellen möchte? Uns geht es so gold, dass wir sogar Leute brauchen. Zwar stagnieren seit mindestens 10 Jahren in weiten Teilen die Löhne und es herrscht in vielen Bereichen Angst und Unsicherheit und tatsächlich auch zunehmende Armut, aber mit solchen Zahlen übertüncht man das. In dieses Bild passt z. B. auch, dass Herr Hundt und Frau Merkel gestern ebenfalls i. d. S. propagierten: "Krisen, welche Krisen? Für Deutschland sieht das alles toll aus!"

Inzwischen ist das IAB in neueren Veröffentlichungen bei 3.5 Mio. angekommen. Eine erstaunliche Halbierung der Zahlen. Da war man dann weg von der rein demographischer Kaffeesatzleserei und hat ein paar mehr reale "Stellschrauben" berücksichtigt. Von "steigender Produktivität" finde ich da allerdings immer noch nichts. Am Ende des letzten veröffentlichten Papiers weist das IAB dann noch darauf hin, dass das alles nun nicht automatisch zu einem Fachkräftemangel führen muss und nennt dafür auch einige Gründe. Das aber spielt alles keine Rolle mehr, nachdem Herr Weise vorschnell irgendwelche Zahlen in die Luft geblasen hat.

Was den derzeitigen Bedarf angeht, der diese Zahlen für die Zukunft ja noch befeuert, dürfte das einfach nur konjunkturell bedingt sein. In solchen Zeiten wird immer geklagt. Ich kenne eine wissenschaftliche Untersuchung für den Bereich wissenschaftlich-technischer Berufe und für Facharbeiter in der Industrie und die kommt zu dem Schluss, dass derzeit und für die nächsten ca. 5 Jahre, kein größerer Mangel zu erkennen sei. Das zeigt nämlich weder der Arbeitsmarkt, noch das Ausbildungsverhalten und viel wichtiger, auch die Lohnentwicklung gibt das nicht her. Gäbe es einen akuten Mangel, sollten in diesen Bereichen die Löhne erheblich steigen. Das tun sie aber nicht. Erstaunlich war eigentlich nur, dass diesmal auch schon in der Krise 2009 über Fachkräftemangel laut geklagt wurde.

Vermutlich werden wir wohl mittel- bis langfristig Zuwanderung brauchen, ich habe da auch kein Problem mit. Noch rennen ja mehr Leute weg, als kommen, was eben auch mit den niedrigen Löhnen zusammenhängt, die so gar nicht zu einem Mangel an Arbeitskräften passen. Kurzfristig haben wir aber ganz andere Probleme, aber vielleicht träume ich auch nur und die Kanzlerin und der Arbeitgeberpräsident haben recht: Krise, welche Krise? Ansonsten denke ich, dass die Zahlenspielereien für die Zukunft instrumentalisiert bzw. missbraucht werden, um Probleme der heutigen Politik irgendwie weißzuwaschen.

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» Richtlinie2 » Beiträge: 1872 » Talkpoints: -0,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Das Problem ist doch, das die Mehrzahl der Ausländer kaum deutsche Sprachkenntnisse hat und sich mit den Vorschriften und Betriebsabläufen in Deutschland doch auch nicht auskennt und zuerst noch einiges lernen muss. Erstaunlicherweise hat China seinen Aufschwung ohne ausländische Arbeitskräfte geschafft.

Bisher kamen sogenannte ausländische “Fachkräfte” nur allzu oft als Billigersatz für deutsche Arbeitnehmer nach Deutschland und wurden dafür noch um ihren Lohn betrogen. Denn nur dort, wo einfache Arbeiten ohne große Einweisungen ausgeführt werden, sind Kenntnisse in der deutschen Sprache und den hiesigen Gepflogenheiten kaum notwendig.

Außerdem gibt es inzwischen gerade mit Einwanderern aus islamischen Ländern massive Anpassungsprobleme und extremistische Tendenzen, die sich immer stärker bemerkbar machen.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Gio am 09.04.2014, 19:12, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen

Das ist doch der Kern der ganzen Veranstaltung Juri: Billigersatz für deutsche Arbeitnehmer wird gesucht. Nimm doch nur mal den Bereich der Pflege. Da hast du dann auch den Bogen zu deinen Chinesen. Die versucht man nämlich jetzt als Fachkräfte anzuwerben. Da sollen 30.000 Stellen offen sein.

Da sollte man meinen, Europa ist groß und wir haben auch im Bereich der Arbeit Freizügigkeit. Warum holen wir nicht Spanier, Portugiesen und Griechen? Das geschieht auch, aber der Haken ist, die haben keine gesteigerte Lust zu uns zu kommen, weil es in Deutschland eine beispiellose Privatisierungswelle im Gesundheitswesen gegeben hat, mit dem Resultat, dass in den letzten ca. 20 Jahren ungefähr 50.000 Stellen in der Krankenpflege gestrichen wurden und bei immer mehr Arbeit die Belastung für alle immer höher und die Bezahlung immer niedriger geworden ist.

Und diese Zustände haben wir in anderen Ländern Europas eben nicht und deswegen zieht es die Leute eben logischerweise auch dorthin. Wir sind die Billigheimer Europas in dieser Hinsicht und solange das System nicht komplett zusammenbricht und gleichzeitig die Wirtschaftskrise in Europa brodelt und für ein Reservoir billiger Arbeitskräfte sorgt, solange werden die Arbeitgeber in diesem Bereich die Situation ausnutzen. Aber weil in Europa diese Kräfte lieber nach Schweden, Großbritannien oder in die Schweiz gehen, wird die Nummer inzwischen eng in Deutschland. Das Resultat ist, jetzt geht man in die echten Billiglohnländer und das wären z. B. China und die Philippinen und demnächst wohl auch verstärkt die Ukraine. Allerdings haben die Polen diese Ader schon angezapft, weil denen ebenfalls die polnischen Fachkräfte wegrennen.

Der Mangel allerorten liebt nicht darin begründet, dass es keine Arbeitskräfte gäbe, es liegt daran, dass es keiner bezahlen will. Würden die Klinikbetreiber besser zahlen, würden die Leute ganz schnell dort Schlange stehen. Das will unsere Politik natürlich nicht sehen. Dieser Mangel wurde sehenden Auges aktiv herbeigeführt. In dem Fall ist das Zauberwort Privatisierung. Entweder verstehen die das Funktionieren von Arbeitsmärkten nicht, was man nicht so recht glauben mag, oder es ist eben ganz einfach gewollt und Teil des ganzen Spiels. Im Grunde kann man nur noch feststellen, dass hier so langsam alles vor die Hunde geht.

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» Richtlinie2 » Beiträge: 1872 » Talkpoints: -0,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


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