Warum Schwerverbrecher nicht an andere Staaten ausliefern?
Hier schrieb ich über einen ehemaligen Niederländer, der zur Waffen-SS nach Deutschland ging, Deutscher wurde und in den Niederlanden einen Widerstandskämpfer mit einem Deutschen zusammen erschossen haben soll. Ihm wurde in Abwesenheit in seinem Geburtsland der Prozess gemacht und er zum Tod verurteilt. Das Auslieferungsgesuch wurde abgelehnt.
Warum werden solche Täter nicht ausgeliefert? Ich weiß, dass es ein Übereinkommen gibt und einige Staaten nicht ausliefern. Aber wenn jemand so straffällig geworden ist, sollte er auch bestraft werden. Es geht in vielen Fällen nicht um einen kleineren Delikt, sondern um eine große Straftat. Welchen Grund hat der Staat, Verbrecher nicht auszuliefern? Alles könnte ja überprüft werden.
Ich denke, es liegt an der Art der Strafe, die der Mann dort zu erwarten hätte. Die Todesstrafe ist in Deutschland abgeschafft worden, weil sie nicht mit den Grundrechten zu vereinbaren ist. Diese Grundrechte stellen sozusagen die innerste Überzeugung Deutschlands dar. Auch wenn Deutschland selber die Todesstrafe an diesem Mann nicht ausführen würde, so würde die Auslieferung dazu führen, dass die Grundrechte dieses Mannes nicht mehr gewahrt blieben.
Ich kann das nur begrüßen. Sicher sollte der Mann bestraft werden und ich finde es, gelinde gesagt, zum Kotzen, dass er bis jetzt ein freies Leben geführt hat. Aber ich finde es gut, dass Deutschland sich nicht zum Mittäter an seinem Mord macht. Egal, was er gemacht hat. Die Todesstrafe ist abgeschafft, aus gutem Grund. Man würde seine Prinzipien verraten, wenn man zulässt, dass andere es tun.
Sollte die Strafe also in Lebenslänglich umgewandelt werden, wird der Mann sicher ausgeliefert. Aber die Todesstrafe verletzt seine Grundrechte. Und diese Grundrechte besitzt nicht nur jeder deutsche Staatsangehörige. Sondern, so steht es in Artikel 1, "Menschen". Egal, wo sie sich befinden und was sie getan haben. Nur solange sie sich auf deutschem Boden befinden, hat Deutschland die Handhabe, diese Rechte zu schützen.
In Deutschland gibt es das uneingeschränkte Recht auf Leben. Dazu gehört, dass jeder Tötungsversuch bestraft wird, dass die Todesstrafe abgeschafft würde und auch, dass niemand nach dem Strafgesetz ausgeliefert wird, den in dem Land, wohin ausgeliefert wird, die Todesstrafe erwartet. Man mag anders darüber denken, aber ich finde dies nur konsequent. Ansonsten könnten wir auf die Idee kommen, unsere Schwerverbrecher in andere Länder zu transportieren, in denen die Schwerverbrecher ebenfalls Verbrechen begangen haben und in denen sie zum Tode verurteilt werden könnten. So wird das Menschenrecht auf Leben umfänglich geschützt.
Wenn ihn die Todesstrafe in seinem Geburtsland erwarten würde, verstehe ich die Weigerung, ihn auszuliefern, aber in meinem Hinweis auf den anderen Thread steht, dass die Todesstrafe umgewandelt wurde. Trotz dieser Tatsache hat Deutschland ihn nicht ausgeliefert. Dann hätte er in den Niederlanden lebenslänglich hinter Gittern verbringen müssen, das wäre gerechter gewesen,
Welchen Grund hat der Staat, Verbrecher nicht auszuliefern? Alles könnte ja überprüft werden.
Die Antwort ist ja teilweise in deiner Ausführung "erschossen haben soll" enthalten. Demnach gab es womöglich Beanstandungen an der Prozessführung oder es war womöglich ein Revisionsverfahren anhängig. Zudem ist mir kein Abkommen über Nichtauslieferung bekannt, es gibt Auslieferungsabkommen zwischen vereinzelten Staaten, aber deren Unterzeichnung obliegt den jeweiligen Staaten.
Ich kann mir ganz gut vorstellen, dass manchen afrikanischen Staaten die deutsche Rechtsprechung nicht gefällt und diese Staaten unterzeichnen dann eben ganz einfach kein Auslieferungsabkommen mit Deutschland. Aber die deutsch-niederländische Nichtauslieferung muss da andere Gründe gehabt haben. Den Fall selber kenne ich nicht im Detail.
Die Aufgabe eines Staates besteht darin, seine "Staatsbürger" zu schützen. Und dazu gehört es auch, dass diese nicht an andere Staaten ausgeliefert werden. Der Grund für ein Auslieferungsersuchen spielt dabei keine Rolle! Es ist eine Ausnahme, wenn doch Menschen an andere Staaten ausgeliefert werden und in der Regel schließen solche Staaten entsprechende Verträge. Wobei hier dann auch genau festgehalten wird, unter welchen Bedingungen eben die Auslieferung vollzogen wird.
In konkreten Fall geht die Sache aber noch weiter: denn hier in Deutschland ist das begangene Verbrechen ja als solches gar nicht als Verbrechen eingestuft. Auch wenn man das in der BRD nicht wirklich gerne hört: die Nachkriegsjustiz ist massiv von denen dominiert worden, die den Krieg verloren aber das System unterstützt haben. Alte Nazikader waren schlicht mit der Ausarbeitung von Gesetzen beauftragt, welche auch die Strafen regeln sollten, die z.B. Kriegsverbrecher und Profiteure zu erwarten haben.
Daher sind wir heute (!) noch in der kuriosen Situation, dass klare Verbrechen nicht als solche geahndet werden. Es ist z.B. festgehalten worden, dass alles, was die Nazis als Gesetz festgehalten hatten, strafrechtlich nicht relevant ist. Verurteilte Wehrdienstverweigerer (also Menschen, die sich nicht am verbrecherischen Krieg beteiligen wollten!) werden auch heute nicht rehabilitiert und sind nach wie vor (sofern sie noch leben) "vorbestraft". Das hat ihnen die Möglichkeit genommen, als Beamte im neuen Deutschland zu arbeiten. Wohingegen Richter, welche "Deserteure" auch noch im Mai 1945 zum Tode verurteilt hatten (und dann aber die Todesstrafe nicht mehr zur Anwendung kam) eher Problemlos im "neuen Deutschland" an dessen Gestaltung als Beamte (z.B. als Richter!) mitarbeiten konnten.
Hier sehe ich auch das Problem mit der Todesstrafe, die bei uns nicht mehr angewandt wird, zumal die betreffende Person inzwischen deutscher Staatsbürger ist und man seine eigenen Staatsbürger sowieso nicht ausliefert. Die Frage ist auch immer, ob ein solcher Prozess auch in Deutschland zu einer Verurteilung geführt hätte. Umgekehrt ist auch die Frage zu stellen, ob solche Täter dort wirklich sicher verwahrt werden. Auch in dieser Beziehung gab es schon einige böse Überraschungen.
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