Kann man wirklich ohne Grund verklagt werden?

vom 19.03.2014, 07:10 Uhr

In den USA soll es tatsächlich möglich sein jeden zu verklagen selbst wenn gar kein Grund vorliegt oder man die Schuld selber trägt. Die Anwälte nehmen kein Blatt vor den Mund und versuchen immer wieder Rekordsummen für ihre Mandanten herauszuschlagen was in den meisten Fällen sogar Erfolg erzielt. Ein Fall ist besonders skurril. Eine Frau verbrennt sich an ihrem Kaffee und verklagt anschließend das Unternehmen auf Schadensersatz für ihre erlittenen Verbrennungen obwohl sie ganz offensichtlich alleine an dem Schaden schuld hatte.

Ich habe bisher noch von keinem Fall in Deutschland der ähnlich war und es stellt sich die Frage ob es so etwas überhaupt in Deutschland gibt? In der heutigen Zeit ist ja vieles möglich aber kann man auch ohne Grund verklagt werden?

» cutemuffin88 » Beiträge: 293 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Gott sei Dank leben wir in einem Rechtsstaat, der unter anderem gewährleistet, dass jeder rechtsfähige Mensch bei uns eine Klage einreichen kann, wenn er sich in seinen Rechten verletzt fühlt. Ob die Klage berechtigt ist oder nicht und wie das Urteil ausfällt, entscheidet der Richter. Es wäre schlimm, wenn das in Deutschland nicht möglich wäre. Wer oder was "offensichtlich" schuld ist, entscheidet nicht der gesunde oder manchmal auch ungesunde Menschenverstand - und das ist gut so. Gerade Schmerzensgeld ist bei uns oft viel zu gering angesetzt.

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


cutemuffin88 hat geschrieben:In den USA soll es tatsächlich möglich sein jeden zu verklagen selbst wenn gar kein Grund vorliegt oder man die Schuld selber trägt.

Das ist bei den vermutlich meisten Fällen von Nachbarschaftsstreitereien wohl auch die Position von allen beteiligten. Die Schuld trägt immer der andere und man selbst hat sich nicht zu Schulden kommen lassen. Sich höchstens zu Recht gewehrt! Was soll daran so außergewöhnlich sein? Außerdem geht es bei Klagen und Gegenklagen ja auch nicht um die "wahrhaftige Schuld", sondern wohl eher darum, Ansprüche gegen einen abzuwehren.

cutemuffin88 hat geschrieben:Die Anwälte nehmen kein Blatt vor den Mund

Warum sollte ein Anwalt dies in einem bundesrepublikanischen Gerichtssaal machen? Die nehmen auch "kein Blatt vor dem Mund" und gehen ihrem Job nach. Selbst für einen Kindsmörder wird versucht, das Beste aus der Situation herauszuholen. Das ist nicht verwerfliche, sondern gewollt!

cutemuffin88 hat geschrieben:und versuchen immer wieder Rekordsummen für ihre Mandanten herauszuschlagen was in den meisten Fällen sogar Erfolg erzielt.

Das hat hier was mit dem Rechtssystem zu tun, bei dem die Klagewerte natürlich unrealistisch hoch werden können. Aber das dies "in den meisten Fällen" zum Erfolg führt, halte ich für eine Lüge.

cutemuffin88 hat geschrieben:Ein Fall ist besonders skurril. Eine Frau verbrennt sich an ihrem Kaffee und verklagt anschließend das Unternehmen auf Schadensersatz für ihre erlittenen Verbrennungen obwohl sie ganz offensichtlich alleine an dem Schaden schuld hatte.

Das mag "skurril" klingen. Aber die Herleitung von "Schuld" geschieht durch dich hier deutlich zu einfach. Hersteller und Anbieter sind durchaus in der Pflicht, den Kunden bei Auslieferung der Waren über gefahren zu informieren! Wie weit das gehen muss, darüber darf man sich streiten. Aber wie bewertest du den Fall: du mietest dir im Dezember in den Bergen einen Wagen. Soll jetzt der Vermieter dazu verpflichtet (!) sein, dich darüber zu informieren, dass am Wagen Sommerräder montiert sind? Der "gesunde Menschenverstand" sagt ja, dass du ohne Winterreifen nicht sicher fahren kannst.

cutemuffin88 hat geschrieben:Ich habe bisher noch von keinem Fall in Deutschland der ähnlich war und es stellt sich die Frage ob es so etwas überhaupt in Deutschland gibt?

Sicher gibt es auch in Deutschland urteile, die einem außenstehenden unverständlich erscheinen. Das ist kein Phänomen welches nur in den USA vorkommt.

cutemuffin88 hat geschrieben:In der heutigen Zeit ist ja vieles möglich aber kann man auch ohne Grund verklagt werden?

Wie oben geschrieben, dürften die meisten Angeklagten bei Zivilstreitigkeiten davon überzeugt sein, grundlos vor Gericht zu stehen. Deshalb wird ja eine unabhängige Instanz angerufen, welche darüber richtet. Es wird immer zwischen "Unschuldigen" gestritten, wenn es um zu laute Musik geht, wenn der Unfallhergang nicht klar ist, wenn Besitzansprüche zu klären sind, wenn es um Unterhaltsverpflichtungen geht und selbst bei Ordnungswidrigkeiten sehen sich Angeklagte (manchmal sogar zu Recht) ans grundlos angeklagt an.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich denke, der Unterschied zwischen den Amerikanern und uns liegt da einfach in der Mentalität. Wenn wir uns an einem Kaffee verbrühen, denken wir uns "Selber schuld", weil es ja eigentlich klar ist, dass Kaffee nicht kalt ausgeschenkt wird. Das liegt auch daran, dass man bei einer Klage keine Million zu erwarten hätte. Die deutschen Gerichte urteilen in solchen Fällen realistischer und sprechen viel kleinere Summen aus. Das führt doch auch dazu, dass wir Bürger dem eben keinen großen Wert beimessen. Wenn man sich am Kaffee verbrüht, wartet man ein bisschen und dann ist alles wieder gut. Kein Grund, sich groß aufzuregen.

Das amerikanische Rechtssystem hat allerdings irgendwann damit begonnen, in solchen Fällen sehr hohe Summen zuzusprechen. Und wenn es eine Million kostet, an die Kunden heißen Kaffee auszuschenken, dann sagt man damit doch irgendwie aus, dass das eine ganz schreckliche und gemeine Tat ist. Und somit wird man dann auch sauer, wenn man einen heißen Kaffee bekommt und sich daran die Zunge verbrennt. Weil jemand so gemein zu einem war, dass es eine Million wert wäre.

Ich denke, es wurde den Bürgern auf diese Weise angelernt, dass man nicht selber denken muss, dass die Verantwortung immer beim Verkäufer liegt. Und vor allem auch, dass man es ja mal versuchen kann, eine ordentlich Stange Geld herauszuholen. In Deutschland sind wir da (noch) realistischer und ein Geschädigter sieht sich gar nicht als Opfer des Verkäufers, sondern seiner eigenen Dummheit. Und wegen ein paar Hundert Euro macht man sich auch nicht die Mühe zu klagen, selbst wenn man die eigene Schuld nicht sieht.

Nur bei Nachbarschaftsstreitigkeiten kochen eben die Gefühle hoch. Da geht es ja meist nicht um einmalige Sachen, sondern um eine ganze Reihe von "der hat das getan und der hat dann das getan woraufhin der das getan hat". Da wird man schon mal sauer und verliert die Realität aus den Augen. Aber da bekommt vor Gericht doch einfach nur eine der beiden Parteien Recht und die andere muss den Stein des Anstoßes dann entfernen. Große Entschädigungssummen werden da nicht ausgesprochen. Es geht einzig und allein darum, dass man Recht bekommt.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Auch in Deutschland kann man scheinbar grundlos verklagt werden. Dabei kommt es eigentlich nur auf die schlüssige Begründung an, wenn die Klage eingereicht wird. Da werden sogar Klagen zugelassen, obwohl schon mehrmals in der Sache verhandelt wurde und dabei festgestellt wurde, dass der Kläger falsche Aussagen im Vorfeld getroffen hat.

Das sind auch keine Vermutungen oder Dinge, die man über fünf Ecken gehört hat. Nein, das habe ich selbst schon erlebt, da ich dann die Beklagte war. Man muss also nicht nur in den USA schauen, was dort möglich ist. Nur das man hier eben nicht wegen einem heißen Kaffee so extrem hohe Schadenssummen ansetzen kann.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


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