Persönliche Kontakte und Erfahrungen mit der STASI
Es würde mich mal interessieren, ob und in wie weit es hier Leute gibt, die persönlich im Visier der STASI waren. Wir Westler können immer schnell urteilen, dass man doch einfach NEIN sagen konnte, aber so einfach war es wohl nicht immer. Wenn ich jedenfalls so Berichte lese, dass da wiede ein Mensch gebranntmarkt wurde, weil er mit der STASI zusammen gearbeitet hatte, dann muss ich an unseren eigenen Fall denken.
Wir sind Wessis: Mein Vater war auf Bundesebene der Leiter eines Sportverbundes und hatte mal (zu DDR Zeiten) einen Kontaktwunsch auf Sportleraustausch mit einem Leipziger Verein. Im laufe des schriftlichen Kontaktes, wurde meinem Vater gesagt, er möge doch zu Messe nach Leipzig kommen und dann Kartenmaterial von Westdeutschland mitbringen. Es wurde ihm sogar beschrieben, wie er das Material verstecken sollte.
Diese ganzen Anweisungen waren uns dann zu suspekt und mein Vater hatte den gesamten Schriftverkehr einem Freund übergeben, der bei der Kripo arbeitete. Wir bekamen 5 Jahre später Besuch von unserem Innenministerium, die einen Spionagering untersuchten. Bei den Untersuchungen kam auch der Schriftverkehr mit meinem Vater wieder ans Tageslicht.
Resultat, wir durften für ein paar Jahre nicht mehr in oder durch DDR- Gebiet reisen, weil die Gefahr bestand, dass wir verhaftet werden würden und von westdeutscher Seite nicht für unsere Sicherheit gesorgt werden konnte. Dieses Erlebnis hatte mir gezeigt, dass man schnell ins Visier einer staatlichen Überwachung kommen kann, ohne sich eines Verbrechens bewusst zu sein.
Ich selbst hatte damals einen sogenannten unfreiwilligen Kontakt zur Stasi, der durch einen Freund eigentlich erst ausgelöst wurde. Damals waren wir 14 Jahre und sammelten in einer Arbeitsgemeinschaft Briefmarken und hier begann das eigentliche Problem. Mein Schulfreund sammelte nämlich nur Marken aus der damaligen BRD. Das war eigentlich nicht das einzige Problem, denn seine Eltern waren zur damaligen Zeit in eine kirchliche Sekte oder eben Gemeinde.
Ich selbst hatte davon nun überhaupt keine Ahnung, denn wir hatten nur die Briefmarken als gemeinsames Hobby und eben nicht diese Sekte. Meine Eltern und ich wurden von diesen Leuten mit einer gewissen Brutalität zur Rede gestellt. Nach einer gewissen Zeit hörten dann die sogenannten Verhöre auf. Von dem Tag trug ich kein Blauhemd mehr und las auch keine sozialistischen Bücher mehr. Von damaligen System fand und finde ich bis heute nichts was positiv war. Wir haben nur Briefmarken gesammelt und alle anderen Dinge kannten wir damal gar nicht richtig.
Ich selber lebte auch noch ehemaligen DDR. Allerdings war ich da erst gerade mal 16 Jahre alt. Dann war ich zum Beispiel in der "Freie Deutsche Jugend" und war auch insgesamt ein Stastsangehöriger, der sich lieber an die Gesetze der DDR hielt, wobei ich auch mal Sachen tat, die nicht ganz dem Gesetz entsprachen.
Leider hatte ich einen Freund (wir sind heute aber immer noch Freunde), der es eben nicht so gut hatte, wie ich. Er hatte Kontakt zu Menschen aus der BRD gehabt und auch noch Sachen heimlich verschickt oder entgegengenommen. Auch hatte er schlecht von der DDR gesprochen, was ihn am Ende zum Verhängnis wurde. Denn wie sich einige Wochen später herausstellte, hatte ihn seine eigene Mutter bei der Stasi verpfiffen und gab eben an, dass er ein möglicher Flüchtling sein könnte, da er eben schlecht über die DDR sprach und Kontakt zur BRD hatte. Die Mutter war eben eine hinterhältige Person, die freiwillig zur Stasi ging, nur um Menschen zu verpfeiffen. Im Endeffekt saß mein Kumpel für zwei Jahre in einer Zelle, da er sich strikt weigerte, der Stasi beizutreten. Dann aber fiel ja 1989 die Mauer, sodass er auch freigelassen werden konnte. Ich möchte nicht wissen, wie lange er noch dort hätte sitzen bleiben müssen, wenn die Mauer nicht gefallen wäre.
Auch ich wurde daraufhin untersucht , da ich eben ein Freund von dem Häftling war und es wurde meine gesamte Akte durchschaut, ebenso die Akten von meiner Familie. Am Ende konnten sie zum Glück nichts zu unserer Last finden, womit wir auch glücklich waren. In meinem Freundeskreis sprachen wir eben immer über die DDR und einige meiner Kumpels auch über mögliche Fluchtversuche. Anscheinend musste ein anderer, nicht so enger Kumpel uns auch mal bespitzelt haben, da in meiner Akte, die ich vor einigen Monaten eingefordert hatte drin stand, dass ein Martin W. die Stasi immer auf dem Laufenden gehalten hat. Dann hieß es, dass ich auf die Schule XY ging und das ich mich auch öfters mit den gleichen Personen getroffen habe. Sogar Briefe aus dem Ausland (wir waren einmal mit einer Ausnahmegenehmigung in Tschechien) wurden abgefangen und durchleuchtet. Zum Glück schrieb ich nie etwas, was mich belastet hätte. ich sprach mit meinen Freunden immer nur schlecht über die DDR, aber schrieb nichts davon.
Insgesamt erinnere ich mich nicht so gerne an die ehemalige DDR zurück, da ich das in nicht so guter Erinnerung habe. Zum Beispiel hatte ich mir auch eine Schallplatte aus dem Westen besorgt, wo eben Pop - Musik drauf war, die der DDR und der Stasi alles andere als gefiel. Deswegen hatte ich mir auch mal einen zweiten Besuch der Stasi eingehamstert, weil ich eben eine Schallplatte gehabt habe, die verboten war. Aber die Stasi konnte mich immer noch nicht belasten, da sie nichts gefunden hatten.Anschein musste mich der selbe Spitzel untersucht haben. Auch diese ständige Geheimhaltungen fand ich blöd, auch wenn ich kaum damit konfrontiert wurde. Man konnte aber keinem Freund oder Bekannten trauen, da man immer Angst hatte,dass man bespitzelt werden würde, auch wenn das in meinem engen Freundeskreis etwas Anderes war.
Ich weiß nicht im Detail, wie das damals ablief, aber ich weiß von einem Verwandten, der in der DDR lebte, dass er, so lange das noch möglich war, regelmäßig Kontakt zu Verwandten, die im Westen lebten, hielt. Dabei ist er wohl auch verdächtig geworden. Als noch systemkritische Äußerungen hinzukamen, wurde er aus der DDR ausgewiesen. Ob es vorher einen Gefängnisaufenthalt gab, weiß ich nicht. Jedenfalls musste er das Land verlassen. Das kam anfangs noch vor, später landeten Regimekritiker eher innerhalb der DDR in Gefängnissen und durften das Land nicht verlassen.
Für den Verwandten war das insofern schwierig, als dass er in der DDR einen handwerklichen Betrieb und ein eigenes Haus hatte, was er nun alles aufgeben musste, und das auch noch sehr kurzfristig. Aber an sich war es ihm natürlich auch lieber, das Land zu verlassen, als womöglich jahrelang inhaftiert zu werden, wenn er wieder seine Meinung sagt. So ist er dann zu Westverwandten gezogen und hat sich sein Leben dort neu aufgebaut. Da ist er dann auch bis an sein Lebensende geblieben.
Man konnte auch die wissentliche Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit verweigern und es passierte rein gar nichts. Mein Vater wurde in jungen Jahren daraufhin angesprochen und er hatte kein Interesse daran. Er war nie in der SED Parteimitglied und konnte trotzdem seine beruflichen Pläne so verwirklichen, wie er sie anstrebte. Zwar einmal über einen Umweg, weil ein anderer Kollege mit dem Parteibuch winken konnte und die zu vergebene Stelle eben bekam. Aber trotzdem konnte mein Vater auf einem anderen Bahnhof dann als Fahrdienstleiter arbeiten.
Dazu wurden uns nie unsere Auslandurlaube verweigert und ich bekam dann eben auch die Genehmigung vom Kreisrat, dass ich eine Ausbildung mit Abitur beginnen konnte. So was musste eben damals von oben her genehmigt werden. Sprich wir hatten durch die Verweigerung meines Vaters nie Nachteile.
Ich kannte auch einige Leute in meinem Umfeld, wo bekannt war, dass sie für das Ministerium für Staatssicherheit arbeiten. Der Mann unserer Biologie-Lehrerin hat dort in der Abteilung Sitte gearbeitet. Unsere Lehrerin erzählte dann auch ab und an mal von einem abgeschlossenen Fall ohne das wir dabei erfuhren wo das passiert ist. Dazu konnten wir auch in ihrem Unterricht die Bravo lesen ohne das die Familien Nachteile hatten, welche sie mitgebracht hatten.
Allerdings haben wir mittlerweile die Akte meines Großvaters in der Familie. Er stand wirklich unter Beobachtung. Immerhin war er eigentlich amerikanischer Staatsbürger und hatte später auch versucht über Frankreich wieder in die USA zu kommen. Man kann aber auch an der Akte erkennen, dass mein Großvater als Zuträger benutzt wurde ohne dass ihm das wirklich klar war.
Ich wurde 1989 geboren und deswegen habe ich selber keine Erfahrungen mit der STASI gemacht. Ich kenne aber so einige Geschichten aus der Verwandtschaft und muss ehrlich sagen, dass ich das auch nicht hätte erleben wollen. So wurde man beispielsweise von Freunden beschattet und ausspioniert und da bin ich ganz froh, dass mir das nicht passiert ist.
Ich kann eine Geschichte von einem älteren Mann erzählen. Er durfte immer mal in den Westen fahren, wegen seiner Arbeit und stand der DDR auch eigentlich immer ganz positiv gegenüber. Nun hat er natürlich Kaffee aus dem Westen mitgebracht, 5 Päckchen. Er durfte aber nicht so viel haben. Als er sich dann in den Zug zu einer Frau setzte, die Kaffee gekauft hatte, kam ein Mann hinein, der bemerkte, dass es nach Kaffee roch. Nun sagte der Mann, dass es der Frau gehörte und sie bekam ihren Kaffee dann auch weggenommen. Er gab ihr dann natürlich seinen Kaffee ab.
Mein Vater war in der Armee und er durfte kaum nach Hause, als er dort war. Er wurde in den Norden geschickt und seine Briefe wurden scheinbar abgefangen, da seine Mutter nie einen Brief bekommen hat. Urlaub durfte er also kaum machen und auch sonst stellten meine Eltern nach Einsicht der Akten eben fest, dass sie von Freunden verraten wurden beziehungsweise ausspioniert wurden. Schlimmes gemacht haben sie nicht, aber ihr Leben wurde beobachtet.
Persönliche Kontakte die über ein kurzes Gespräch oder Höflichkeitsfloskeln hinausgingen hatte ich nicht beziehungsweise habe ich es nicht bemerkt. Ich will nicht ausschließen dass unter meinen Freunden, Kollegen oder damaligen Mitstreitern bei der Armee auch inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit waren die mich aushorchten. Bei den Kameraden von der Armee bin ich mir zwar ziemlich sicher weil das so üblich war dass Spitzel eingeschleust wurden, aber da es keine Stasi-Akte von mir gibt kann es nicht so dramatisch gewesen sein. Ich vermute eher dass solche Leute bei der Armee angesetzt wurden um allgemeine Lageberichte und Stimmungen der Truppe zu sammeln. In speziellen Fällen wurde natürlich auch extra jemand angesetzt, davon gehe ich einfach aus.
Ich war bei den Grenztruppen und hatte damit auch hinter den Signalanlagen zu tun. Es wäre für mich ein leichtes gewesen mich abzusetzen und ich denke das wusste auch die Staatssicherheit. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen dass wirklich jemand so blöd gewesen wäre darüber zu plaudern dass er abhauen will. Aber Fakt ist schon dass Mitstreiter die familiäre Probleme hatten (Freundin fremdgegangen oder Trennung stand bevor) meistens schneller an unkritische Orte versetzt wurden bevor sie überhaupt Kenntnis davon hatten. Ich musste auch viel auf Kontrollposten an den Straßensperrungen stehen.
Dort war ja Sperrgebiet und Zutritt bekam nur wer einen Passierschein vorweisen konnte. Dabei blieb es nicht aus dass ich auch Fahrzeuge des Grenzregimentes kontrollierte und darin saßen oft genug auch die Mitarbeiter der Staatssicherheit. Sie waren von der Abteilung 2000 und auf den Passierscheinen stand welche Befugnisse sie hatten. Manchmal konnte ich von der Rückseite wo das dann stand einen Blick erhaschen und da las ich dann etwas von operativen Gesprächen und Postkontrolle. Oft genug wurde ich angeraunzt dass mich das nichts angeht, aber mir war schon klar dass die Spitzel befragt werden sollte und die Post ausgewertet werden sollte.
Nach der Armeezeit besuchten mich einmal ein paar unauffällige Männer mit langen Lodenmänteln die mich für den Zoll werben wollten, heute denke ich dass waren Stasileute die zur Anwerbung da waren. Ich hatte aber einen Studienplatz den ich unbedingt wahrnehmen wollte und damit gaben sie sich auch ohne weiteres zufrieden. Vor meiner Armeezeit wurde ich übrigens auch zum damaligen Wehrkreiskommando bestellt wo mich ähnliche Herren in die Mangel nahmen. Sie wollten unter anderem wissen wie ich dazu stehe wenn ich hören würde wenn jemand von den Kameraden im Schlaf erzählt dass er abhauen will. Man muss ja aufpassen was man da äußert und ich sagte dass ich wahrscheinlich nichts verpetzen würde, aber geholfen hat es mir nicht. Ich kam trotzdem zu den Grenztruppen.
Ich konnte übrigens tatsächlich mal einen waschechten und bekennenden Stasimann kennenlernen. Das war beim Fußball bei einem Spiel zwischen Erfurt und dem BFC-Dynamo. Er war natürlich Anhänger vom BFC und ein Freund stellte ihn mir mit der Bemerkung STASI vor. Er war ungefähr 20 und Kettenraucher und eigentlich ein Nervenbündel und total kaputt gespielt. Eigentlich eine arme Socke der nach heutigen Maßstäben in eine Klinik gehörte. Später erfuhr ich dass er sich nach der Wende umgebracht hatte weil er nicht damit klar kam dass doch nicht alles stimmte was ihm erzählt wurde.
Ich selbst habe auch aufgrund meines Alters keine richtigen Erfahrungen damit gemacht. Aber ich bin Bibliothekarin. Und als solche lese ich viel. Auch zu dieser Zeit. Wenn ich einige der Meldungen hier lese, was ich sehr interessiert gemacht habe, dann denke ich: Geschichtsbücher kommen immer kaum daran heran. Vor allem nicht Schulbücher. Man kann sich heute kaum mehr vorstellen, wie es damals gewesen ist!
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