Lieber guter Handwerker oder guter Psychologe als Arzt?

vom 25.10.2013, 07:56 Uhr

Von einem Arzt wird in meinen Augen viel zu viel erwartet. Es muss hochintelligent sein, sonst bekommt er erst gar keinen Studienplatz. Er muss ein guter Handwerker sein, um zu operieren, zu untersuchen, zu nähen, zu bohren und Knochen einzurenken. Außerdem verlangen die Patienten, dass er eine hohe emotionale und soziale Intelligenz, also ausgeprägte psychologische Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt.

Ich bin der Meinung, dass fast kein Arzt gleichzeitig ein guter Handwerker und ein guter Psychologe sein kann. Die Intelligenz, also die Grundbedingung, überhaupt ein Medizinstudium beginnen zu dürfen, halte ich eigentlich für ziemlich unwichtig. Wenn ich mir einen Arzt suche, sind mir persönlich dessen handwerklichen Fähigkeiten viel wichtiger als seine psychologischen.

Ich habe zum Beispiel einen eher unfreundlichen und gesprächskargen Hausarzt. Ich weiß aber, dass er mir nicht wehtut, wenn er mir in den Hals und in die Ohren schaut. Gerade diesbezüglich habe ich schon ganz andere Erfahrungen gemacht. Auch Warzen hat er mir schon schmerzlos mit wenig Betäubung herausgeschnitten.

Was ist euch bei einem Arzt wichtig? Darf beispielsweise ein Zahnarzt ruhig unfreudlich sein, wenn ihr wisst, dass er ein guter Handwerker ist? Ist es euch egal, wenn ein Frauenarzt ein wenig ungeschickt ist, wenn er euch nur zuhört und eure Probleme ernst nimmt?

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich denke, dass die Psychologie etwas bei diesem Studium ist, was schon dabei ist, was aber zu kurz kommt. Das Studium ist wirklich nicht leicht, aber ich denke, dass es sehr wichtig ist auch sensibel sein zu können. Früher war das noch nicht so der Fall und ältere Ärzte haben da oftmals nicht so die soziale Kompetenz, was ich sehr schade finde. Ich hatte beispielsweise mal eine Ärztin, die alles als nicht schlimm angesehen hat und kaum etwas behandelt hat, weil sie selber Krebs hatte und da nun der Meinung ist, dass man nur das als schlimm ansehen kann und alles andere auch irgendwann so weggeht. Das geht in meinen Augen gar nicht, sie hat es geschafft das finde ich auch gut, aber deswegen muss sie die Patienten ja trotzdem behandeln.

Es ist im normalen Gebrauch eines Arztes schon egal, wie der so drauf ist, aber gerade wenn es um wichtige Sachen geht, wie zum Beispiel eine schlimme Diagnose muss man das auch gut an den Mann bringen, damit der Patient nicht vorschnell reagiert, da kann man dann die Botschaft nicht einfach schroff herüberbringen. Außerdem schließt sich soziale Kompetenz und Wissen nicht aus. Normalerweise lebt man ja auch vor dem Studium schon in einem sozialen Umfeld und sollte bestimmte Dinge wissen.

Ich gehe lieber zu kompetenten aber auch sozial kompetenten Ärzten, das gibt es und sollte sich eigentlich auch nicht ausschließen. Gerade bei einem Zahnarzt ist mir das aber auch sehr wichtig, da ich in der Vergangenheit einen sehr unsensiblen hatte und daher eine Angst entwickelt habe.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Da die meisten Menschen heut zu Tage psychische Leiden haben, denke ich das es sehr wichtig ist, grade als Arzt einfühlsam zu sein. Natürlich ist es wichtig das er praktisch gut ist, das als handwerklich zu bezeichnen ist aber wohl verkehrt. Und stellt man sich mal vor das dieser handwerklich begabte Arzt eine nicht so erfreuliche Krankheit entdeckt, wie soll er einem das den einfühlsam beibringen und ihn bei der Krankheit begleiten?

Ich denke somit das natürlich das fachliche Wissen von hoher Bedeutung ist, aber genau so wichtig die charakterlichen Züge sind.

» laraluca » Beiträge: 1068 » Talkpoints: 9,76 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich persönlich bevorzuge eine gute Mischung aus beiden Varianten. Was nutzt mir ein Zahnarzt, der zwar sein Handwerk versteht, aber es nicht schafft mir meine Angst zu nehmen? Das kann auf Dauer nicht gut gehen. So habe ich aber eine Zahnärztin, die meine Geschichte der Angst kennt, darauf Rücksicht nimmt und trotzdem sehr gute Arbeit leistet.

Ebenso ist es bei anderen Ärzten. Ein gewisses Gesprächspotential muss schon vorhanden sein. Denn ich möchte auf meine Fragen auch Antworten bekommen. Grummelt ein Arzt nur vor sich hin, nutzt es auch nichts, wenn er praktisch nicht zu überbieten ist.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Für mich ist es wichtig, dass sich ein Arzt in meine Lage versetzen kann und dabei einfühlsam ist - je nachdem natürlich mit welchem "Leiden" ich zu ihm komme. Er soll mich nicht psychoanalysieren, weil dann könnte ich gleich zu einem Psychologen gehen, aber er muss eben Einfühlungsvermögen besitzen bzw eine gewisse Sozialkompetenz. Vor meiner ersten großen OP war es mir nicht nur wichtig, dass der Mann sein Handwerk versteht, sondern auch dass ich mit ihm klar komme und mich gut aufgehoben fühle. Und das kann ich nicht mit bzw bei jemandem, der burschikos ist oder unfreundlich oder soetwas in die Richtung.

Meine Kinderärztin damals hat irgendwann neben ihrer Praxis noch irgendwas in Richtung Psychologie gemacht, also sich in die Richtung weitergebildet und jedes Mal wenn ich dann da war hat sie mich gefragt, wie es mir geht, wie ich mit meiner Familie klar komme, was mein Umfeld macht und so weiter. Das empfand ich nicht nur als unangenehm, sondern auch als wahnsinnig anstrengend. So einen Arzt möchte ich also auch nicht. Ebenso fing meine Frauenärztin damals an mich auszufragen, ob mein Freund mich gut behandelt, nur weil ich vom Sport mal zwei blaue Flecken hatte an Arm und Bein.

Ein Arzt muss in erster Linie fachlich top sein und dann muss es menschlich passen. Vielleicht muss man hierbei auch unterscheiden in den reinen Routinebesuch, wo man wegen Erkältung nur ein paar Tabletten braucht und in den komplizierten operativen Eingriff. Denn hier spielen schon andere Dinge für mich eine Rolle. Meine nervige Kinderärztin konnte ich ignorieren, aber hätte der OP-Doktor, der mich dreimal operiert hat, so zugetextet die Wochen wo ich im Krankenhaus lag, da wäre ich durchgedreht. Weniger ist eben manchmal mehr.

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» Schleiereule » Beiträge: 827 » Talkpoints: 3,58 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Bei den allermeisten Ärzten ist es mir wichtig, dass sie ihr Handwerk beherrschen, ohne großes Gelaber ihre Diagnosen stellen und weitestgehend schmerzfrei arbeiten. Ein Zahnarzt kann meinetwegen unfreundlich sein, Hauptsache er weiß, wie man schnell und so schmerzfrei wie möglich behandelt. Auch Gynäkologen, Dermatologen usw. sind für mich Ärzte, die einfach nur präzise und ordentlich arbeiten sollen. Einfühlungsvermögen brauche ich da wirklich nicht, sondern will die Behandlungen einfach nur schnell hinter mir haben.

Von meinem Hausarzt, einem Psychiater und einem Onkologen erwarte ich jedoch, dass sie sowohl handwerklich wissen was sie tun als auch psychisch auf den Patienten eingehen können. Ein Hausarzt, zu dem ich nicht ein gewisses Vertrauensverhältnis habe und dem ich nicht ohne Sorge von allen Nöten berichten kann, wäre nicht der Richtige für mich. Das Selbe gilt für den Psychiater oder den Onkologen, die es teilweise mit schwer kranken und psychisch angeschlagenen Menschen zu tun haben. Da ist es meiner Meinung nach extrem wichtig, dass sie auch ein bisschen psychologisch arbeiten können.

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» CCB86 » Beiträge: 2025 » Talkpoints: 2,88 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Ich brauche keinen Psychologen, aber ich bevorzuge einen guten Handwerker. Ein Zahnarzt muss nicht überfreundlich sein, aber zumindest ansprechbar. Mein viel zu früh in Rente gegangener Orthopäde war einer der besten Orthopäden den ich kannte. Er half mir unproblematisch und renkte meine Knochen wieder ein, schrieb mir die richtige Behandlung auf und operierte auch noch meinen Daumen prima. Die heutigen Orthopäden versuchen statt einer gezielten Behandlung, die auch wirkt, Spritzen für 500 Euro zu verkaufen.

@Anlupa, das hast du in deiner Aufzählung von den Tätigkeiten vergessen. Die meisten Ärzte müssen heute auch noch „gute Verkäufer“ sein. Ob sie das gezielt in Kursen lernen, weiß ich nicht. Aber es ist oft ein Kampf zwischen Patient und Arzt, wenn man nicht bereit ist, ein paar hundert Euro auf den Tisch zu legen für Sachen, die eine Krankenkasse nicht übernimmt, aber dem Arzt das Einkommen aufbessert.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



laraluca hat geschrieben: Natürlich ist es wichtig das er praktisch gut ist, das als handwerklich zu bezeichnen ist aber wohl verkehrt. Und stellt man sich mal vor das dieser handwerklich begabte Arzt eine nicht so erfreuliche Krankheit entdeckt, wie soll er einem das den einfühlsam beibringen und ihn bei der Krankheit begleiten?

Aber dafür gibt es ja auch viele verschiedene Fachärzte. Wer gar nicht mit Menschen umgehen kann, der kann ja auch in die Forschung, ins Labor oder zum Beispiel Pathologie gehen. Da braucht man niemandem eine schlimme Diagnose beibringen. Genauso muss ein Kauz ja nun nicht Hausarzt werden, wo er im Grunde davon lebt, den ganzen Tag mit seinen Patienten zu reden und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.

Und wer zum Beispiel kein Händchen zum Operieren oder Knocheneinrenken hat, der muss ja nun nicht gleich Chirurg oder Orthopäde werden, sondern wird dann halt Internist. Da gibt es ja unzählige Möglichkeiten und es werden eher mehr als weniger.

Von daher erwarte ich also von einem guten Arzt vor allem eins, dass er selber weiß was er kann und was er nicht kann. Wer kein Händchen zum Operieren hat, der soll es sein lassen und nicht versuchen bei meiner OP den großen Durchbruch zu schaffen. Von einem guten Chirurgen erwarte ich vor allem, dass er mich gut operiert, dann kann er meinetwegen auch ein Ekel sein.

» Klehmchen » Beiträge: 5492 » Talkpoints: 1.014,34 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Nun ja, ein Arzt muss auch nicht beides sein. Zumindest nicht zwangsläufig. Denn entweder man wird Facharzt & geht in den operativen Bereich (Chirurgie) oder man wird Facharzt und geht in die allgemeine Medizin. Die Ausbildung zum Psychologen hat recht wenig mit der Ausbildung zum Chirurg zu tun würde ich einfach mal behaupten. In dem Sinne muss ein Arzt auch nicht gleichzeitig Handwerker und Psychologe sein.

» meurer » Beiträge: 32 » Talkpoints: 10,14 »


Oh, ich denke alles ist wichtig. Vieles im Körper hängt halt nun einmal auch mit der Psyche zusammen. Und wenn ein Arzt einfühlsam ist, zuhört und auf einen eingeht, wird er da unter Umständen Zusammenhänge erkennen, die sonst an ihm vorbeigegangen wären. Natürlich möchte niemand einen ungeschickten Frauenarzt. :D

Und zu wortkargen und vielleicht sogar noch unfreundlichen Ärzten gehe ich nicht. Ich möchte mich dort doch wohl fühlen. Und ich möchte auch das Gefühl haben dieser Arzt hört mich an und geht auf mich ein. Ansonsten schaffe ich es nicht eine Vertrauensbasis herzustellen. Und ich schlucke nicht gerne irgendwelche Medikamente oder nehme Behandlungen in Angriff, wenn ich mir nicht sicher bin ob der Arzt das Problem richtig versteht. Und gerade beim Frauenarzt und Zahnarzt möchte ich eine Atmosphäre vorfinden welche mir die Angst und die Nervosität nimmt, und keinen wortkargen Arzt bei dem ich mich wie Luft behandelt fühle.

» Maddie » Beiträge: 196 » Talkpoints: 63,84 » Auszeichnung für 100 Beiträge


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