Autorennen und Bergsteigen = verzögerte Selbsttötung
Dass es bestimmte selbstschädigende Verhaltensweisen gibt, die als "Selbstmord auf Raten" bezeichnet werden könnten, ist unter den meisten Menschen schon lange nicht mehr umstritten. In diese Kategorie fallen beispielsweise körperschädigende Suchterkrankungen, wie beispielsweise Drogensüchte. Auch Alkoholismus kann als "Suizid auf Raten" bezeichnet werden.
Der angesehene US-amerikanische Psychologe Dr. Karl Menninger, der zwischen 1893 und 1990 lebte, zählt aber auch noch einige andere Dinge zur "verzögerten Selbsttötung". Für ihn gehören auch riskante Sportarten dazu. Er selber erwähnt als Beispiele die Teilnahme an Autorennen, das Bergsteigen und das Fliegen.
Wie seht Ihr das: Kann man riskante Sportarten tatsächlich als "Suizid auf Raten" bezeichnen? Wenn ja, warum? Oder empfindet Ihr den Begriff in solchen Fällen als unangebracht, beziehungsweise medizinisch gesehen nicht seriös?
Ich selber vertrete die Meinung, dass man beispielsweise beim Bergsteigen schlecht von Suizid sprechen kann, auch nicht auf Raten, weil ja keine Absicht dabei ist, sich selber zu töten. Auch beim Fahren von Autorennen denkt sich wohl niemand, dass er das so gerne macht, weil er daran sterben könnte. Okay, bei einigen Leuten mag es vielleicht auch einen "Kick" geben, der allein dadurch entsteht, dass sie eine Sache tun, die lebensgefährlich enden könnte. Aber verallgemeinern kann man das sicherlich nicht. Insbesondere beim Autorennen dürfte es noch genügend andere Motivationen geben, mitzumachen. Und ich denke, viele Fahrer reden sich vielleicht auch gerade aus, dass es gefährlich sein könnte, statt das besonders spannend oder toll zu finden.
Wie sehen eigentlich andere Psychologen oder Mediziner die Behauptung von Dr. Karl Menninger?
Ich bin zwar weder Mediziner noch Psychologe, denke aber, dass es auch keine Frage ist, die diesen Bereichen unbedingt zuzuordnen ist. Eine riskante Sportart ist in meinen Augen keine Selbsttötung auf Raten, weil eine Selbsttötung ja den Zweck des Sterbens hat, der, wie du ja schon treffend analysierst, hier nicht zutrifft. Man nimmt das Risiko zwar in Kauf, aber das Lustgefühl scheint bei der Abwägung dann doch im Vordergrund zu stehen.
Man könnte dann auch jede Tätigkeit als Selbstmord auf Raten bezeichnen, sogar jeden Atemzug im Straßenverkehr, weil jeder Atemzug in schlechter Luft das Krebsrisiko erhöht.
Ich denke auch, dass kein Bergsteiger oder Rennfahrer sich selbst umbringen will. Wer diesen Sport professionell ausübt, wird meist auch viel länger leben als die leichtsinnigen Bergkletterer ohne Grundkenntnisse oder die Hobbyraser auf der Autobahn.
Ich habe letztens einen Bericht über Lawinen gesehen. Darin erklärte ein älterer Herr, dass er seit 40 Jahren Ski laufe und sehr viel Erfahrung im Bergwandern hätte und dennoch von einer Lawine erfasst wurde. Im nächsten Satz sagte er, dass er ja soviel Ahnung hätte, dass er wüsste, wo es sicher ist und würde regelmäßig Lawinen-Warnschilder ignorieren. Soviel zum Thema Erfahrung und Professionalität. Die Bergwacht stellt nicht zum Spaß solche Schilder auf und wer diese ignoriert, spielt dann auch mit seinem Leben.
Ich finde das ist eine sehr interessante Frage, über die ich auch schon oft nachgedacht habe. Zwar nicht unter dem Stichwort "Selbstmord auf Raten" - dieser Begriff erscheint mir auch wenig passend zu sein. Bei einer langjährigen Drogensucht mag der Begriff passen. Aber beim Bergsteigen, Paragliding oder Autorennen passt ja schon die Bezeichnung "auf Raten" überhaupt nicht. Man stirbt ja nicht jedes Mal ein bisschen, sondern (wenn etwas schiefgeht) mit einem Mal und ganz plötzlich. Oder eben es läuft alles glatt und man beschließt beispielsweise mit fünfzig Jahren, dass man nun genug vom Autorennenfahren hat. Dann ist man ja aber nicht "auf Raten" gestorben; diese Bezeichnung erscheint mir tatsächlich medizinisch oder psychologisch nicht zutreffend und damit auch nicht seriös.
Mir erscheint der Begriff "unterschwellige Todessehnsucht" passender für das beschriebene, risikoreiche Verhalten. Wobei ich hinzufügen möchte, dass dies eine Motivation darstellen kann, aber nicht muss. Mit anderen Worten: Manche Extremsportler hängen vielleicht einfach nicht so sehr an ihrem Leben und setzen es daher eher leichtfertig auf's Spiel. Es wird aber sicherlich ebenso solche Extremsportler geben, die alles versuchen, die Risiken zu minimieren und am Leben zu bleiben. Sie entscheiden sich aber dennoch sozusagen "für die Gefahr" aus einer Art Lebenshunger und dem Gefühl heraus "man lebt nur einmal und muss jeden Tag nutzen". Das wäre für mich dann geradezu das Gegenteil von Todessehnsucht.
Wie andere Psychologen oder Mediziner die von Dir beschriebene Behauptung von Dr. Menninger sehen, kann ich leider nicht sagen, da ich diesbezüglich nichts gehört oder gelesen habe.
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