Vegetarier häufiger krank - Ursache oder Wirkung?

Es gibt Hinweise darauf, dass vegetarisches Essen ungesund ist, wie etwa hier. Ich frage mich nun, ob Menschen Vegetarier sind, weil sie schon krank oder besonders anfällig für Krankheiten sind, oder ob sie durch diese Ernährungsart krank werden. Die oben aufgeführte Statistik scheint diesbezüglich keine signifikanten Aussagen treffen zu können. Was meint ihr dazu? Was ist Ursache und was ist Wirkung?

Ich bin hier mal auf die tatsächliche Studie gestoßen und sie liest sich plausibel. Die Probandenzahl war mit 330 pro Kostform recht hoch, gesamt 1320. Es zeigt sich aber deutlich, dass die Journalisten so schreiben, wie es ihnen gefällt, so ignorieren die Focus-Journalisten gleich die zu Anfang der Studie aufgezählten anderen Studienergebnisse.

Die Tabelle 3 in der oben verlinkten Studie zeigt die Häufigkeit der auftretenden Krankheiten, aber auch den p-Wert. Der p-Wert ist ein Wert zwischen Null und Eins. Ein Wert von fast 0 zeigt einen sehr starken statistischen Zusammenhang, ein Wert von 1 bedeutet: kein statistischer Zusammenhang. Werte von 0,05 gelten als statistisch signifikant.

Das tritt bei den untersuchten Krankheiten nur bei den Allergien, geistigen Störungen und Krebs auf, da liegt er sogar bei fast 0. Bei allen anderen Krankheiten in Tabelle 3 liegt der Wert zwischen 0,3 und 0,75. Urininkontinenz tritt sogar mit einer Signifikanz von 0,023 bei Vegetariern seltener auf. Davon wurde im Focus-Artikel garnichts geschrieben. Auch die Werte für Lebensqualität variieren jetzt nicht so stark, wie der Focus es seinen Lesern glauben machen möchte.

Diese Studie war richtig und wichtig, hat aber statistisch wenig Aussagekraft. Wirkliche Erkenntnisse werden zukünftige Studien, vielleicht mit mehr Probanden und über einen längeren Zeitraum liefern. Vor allem, da in dieser Studie 65% der Teilnehmer unter 49 Jahren waren, sind Werte wie die für den Herzinfarkt mit Vorsicht zu genießen. Da hat ein auftretender Fall ja schon eine riesige Einflussgröße.

Ich habe auch gerade eine Stellungnahme zu dieser Studie gelesen. Demnach sind die Unterschiede zwischen Vegetariern und Fleischessern gar nicht so groß und es wurde ihnen in der Studie viel zu viel Bedeutung beigemessen. Beispielsweise gingen die Teilnehmer der Studie, die kein Fleisch essen in den 12 Monaten vor Beginn der Studie zu 1,69 Ärzten. Die Fleischesser im gleichen Zeitraum zu 1,6 Ärzten. Also der Unterschied ist wirklich nicht sehr aussagekräftig.

Eine weitere Frage beschäftigte sich damit, wie die Teilnehmer ihre eigene Gesundheit einschätzten. Das ist also sowieso schon eine Frage, die mit Vorsicht zu genießen ist, da es sich um einen sehr subjektiven Eindruck handelt. Auf einer Skala von 1 bis 5 fühlten sich die Vegetarier 1,78 und die Fleischesser 1,57. Also wieder kein großer Unterschied. Solche kleinen Unterschiede haben wissenschaftlichen keinen Halt.

Auch hat die Studie gar nicht darauf geachtet, wann die Vegetarier sich dieser Ernährungsform zugewandt haben. Und da sind wir bei dem von dir vermuteten Zusammenhang. Viele wechseln zu dieser Ernährungsweise nachdem sie eine Diagnose wie Diabetes oder Allergien bekommen haben. Dies außen vor zu lassen, ist also wirklich fahrlässig.

Vor allem sollte man sich aber niemals nur auf eine Studie stützen, um irgendwelche Aussagen zu machen. Jede Studie hat ihre Fehler und ihre Grenzen. Sie kann niemals alles abdecken. Es gibt einfach zu viele Faktoren, die im Zusammenhang mit Ernährung und Gesundheit wichtig sind. Von daher sollte man möglichst viele Studien beachten. Und dabei schneiden Vegetarier besser ab als Fleischesser.

Aber auch das ist eine zu pauschale Aussage. Wegen den vielen anderen Faktoren. Vegetarier sind häufiger Nichtraucher als Fleischesser, sie achten generell auf eine gesunde Ernährung. Ein Fleischesser, der sehr auf Vielfalt und Ausgewogenheit achtet, kann natürlich gesünder sein als ein Vegetarier, der ständig den Gemüse-Mac und Pommes bei McDonalds isst. Von daher finde ich den Wert solcher Studien für die Allgemeinheit ziemlich gering. Und eine Studie hervorzuheben und ihr mehr Wert als andere zu geben, ergibt schon mal gar keinen Sinn.