Mit alten Leuten umgehen wie mit kleinen Kindern?

Ich habe heute meine Mutter zu einer Bekannten in ein Seniorenhaus gebracht, weil sie der Bekannten was bringen musste. Weil es ziemlich schwer war, habe ich ihr das ins Haus getragen. Als wir aber durch die Gänge gegangen sind, standen ein paar Türen zu Gemeinschaftsräumen auf und ich muss sagen, dass ich schon sehr verwundert war.

Im ersten Raum saßen einige alte Leute im Kreis und sangen Kinderlieder. man hörte "Alle meine Entchen" und "Fuchs du hast die Gans gestohlen" durch die Gänge und die alten Leute klatschten dabei, wie im Kindergartenkreis. Im zweiten Raum saßen ein paar Leute an Tischen und malten Bilder. Sie malten mit Wasserfarbe und Wachsmalstiften. Die Bilder sahen auch aus wie Kinderbilder. In einem weiteren Raum saß eine jüngere Frau und las den alten Leuten aus einem Bilderbuch vor und zeigte dann auch immer die Bilder.

Ich habe mich dann gefragt, warum man mit alten Leuten umgeht, als wenn es kleine Kinder wären. Sollte man nicht irgendwie schauen, dass man mit den alten Leuten vielleicht Lieder singt, die dem Alter entsprechend sind? Sollte man nicht schauen, dass man mit den alten Leuten altersentsprechend bastelt und auch Bücher vorliest, die nicht schwer, aber dennoch dem Alter entsprechend sind? Warum macht man das so oder ist es nicht die Regel, was ich gesehen habe?

Ich musste von der Arbeit aus auch schon einige Male verschiedene Altenheime besuchen und mir ist ähnliches aufgefallen wie dir. Besonders auffällig fand ich, waren die vielen bunten gebastelten Bilder, die an allen möglichen Fenstern und Türen hingen. Das erinnerte mich sehr an einen Kindergarten, der normalerweise auch mit sehr viel Bastelschmuck versehen wurde.

Ich denke, einer der Gründe dafür, dass man mit Senioren in Altenheimen oft etwas "kindlicher" redet und umgeht ist der, dass viele auch Ansätze von Demenz zeigen. Bei einer Demenz erinnert man sich oft an Dinge, die sehr weit zurückliegen, beispielsweise altbekannte Kinderlieder. Neue Sachen lernt man nur sehr schwer und merkt man sich kaum.

Einmal ist mir sogar eine alte Dame begegnet, die einen Rollator brauchte und nicht alleine gehen konnte. Da sie aber dement war, hat sie das immer vergessen und brauste immer direkt ohne das Teil los. Die Pfleger waren ganz schön mit ihr beschäftigt und rannten immer gleich mit dem Rollator hinterher, wenn das passierte. Ihr Gang war so schon wackelig genug und es hätte ja sein können, dass sie stürzt und sich ein Bein bricht oder anders verletzt. Aber durch die Demenz vergas sie das immer wieder, egal wie oft man sie daran erinnerte. In dem Altenheim wo sie war, waren bestimmt 70-80% der Bewohner mehr oder weniger fortschrittlich dement.

Soweit ich es gelesen habe, stammt der Sinn dieser Art der Arbeit mit älteren Leuten aus dem Umgang mit Menschen die an Alzheimer oder Demenz im Allgemeinen leiden. Diesen kann damit manchmal ein Stück weit geholfen werden. Oft werden ältere Menschen aber generell verkindlicht als ob sie nicht mehr alle Sinne beisammen hätten, so beispielsweise im Krankenhaus die mit künstlichem Enthusiasmus gestellte Frage: "Und wie geht es uns denn heute?" Ich finde das eine Unart und habe mit Freude mal einen älteren Menschen (mit freundlichem Ton wohlgemerkt) antworten hören "Wie es Ihnen geht wollte ich Sie auch gerade fragen, mir geht es gut danke."

Das ist kein seltener Blick in Altersheimen. Du musst einfach bedenken, dass es viele alte Leute mit Demenz gibt. Zudem gibt es auch viele, die einfach nicht mehr klar denken können. Deshalb redet man mit den Bewohnern auch wesentlich einfacher als mit jüngeren Menschen. Schlecht finde ich das nicht. Denn gerade mit dem hohen Alter möchten die Bewohner auch noch mal ein letztes Mal das Kind in sich hervor holen. Sie möchten das Leben genießen und machen, worauf sie Lust haben. Und wenn es das malen oder singen ist, finde ich das völlig in Ordnung.