Berlin: Polizei schweigt über Liste gefährlichster Orte
Ob aggressive Drogenhändler, regelmäßige Schlägereien, rechtsextreme Lokale, von denen aus häufiger Skinheads zu Prügeltouren losziehen, oder aber jugendliche Kleinkriminalität: Hier in der Stadt gibt es leider so einige unschöne Gegenden. Aber ich befürchte einfach mal, dass das ein typisches Großstadtproblem ist, vor dem einige andere Großstädte auch nicht gefeit sind.
Ob es in anderen Städten ebenfalls so ist, oder ob das nur für Berlin typisch ist, ist allesdings die Tatsache, dass die Polizei hier eine Liste sogenannter "kriminalitätsbelasteter Orte" (KBO) aufstellt. Diese wurde schon vor 20 Jahren erstmals etabliert und hieß damals noch ganz ohne Umschweife "Liste gefährlicher Orte". Seitdem wird die Liste regelmäßig aktualisiert. Jedes Jahr sind es wohl zwischen etwa 20 und 25 verschiedene Orte.
Die Liste wird nicht öffentlich gemacht. Laut Polizei würde eine Veröffentlichung nur dafür sorgen, dass Straftäter in andere Gebiete abwandern, was aber letztendlich das Kriminalitätsproblem nur verschieben, aber keineswegs lösen, würde. Außerdem könne man nicht einfach verschiedene Orte stigmatisieren. Ein anderes vorgebrachtes Argument ist, dass so eine Liste sowieso „keinen Informationswert oder praktischen Nutzen für die Allgemeinheit“ hätte, so der derzeitige Berliner Polizeipräsident Klaus Kandt. Rückendeckung bekommt Kandt von CDU und SPD. Die Parteien Die Linke und die Piraten hingegen vertreten die Ansicht, dass man die Liste gefährlicher Orte komplett abschaffen solle.
Ist es gut, dass die Liste bisher geheim gehalten wird, oder sollten Bürger sich über den Inhalt informieren können? Oder haben Die Linke und Die Piraten Recht und man sollte solche Listen, die gewissermaßen ganze Gegenden stigmatisieren, lieber komplett abschaffen? Oder teilt Ihr die Meinung der Polizei, dass die Veröffentlichung der Liste keinerlei Informationswert hätte?
Als Kind der DDR mag ich es grundsätzlich nicht, wenn der Öffentlichkeit Informationen bewusst vorenthalten werden. Damit habe ich einfach schlechte Erfahrungen gemacht. Es ist quasi eine Entmündigung der Bevölkerung, so, wie wenn Eltern ihrem Kind verschweigen, dass die Katze tot ist, um es nicht zu beunruhigen.
Diese Vorgehensweise dient ja häufig einem "noblen" Zweck: Menschen sollen nicht in Panik ausbrechen, man will keine Vorurteile schüren oder extremistische Bewegungen unterstützen. So werden Fakten völlig verschwiegen oder nur Teilwahrheiten bzw. Halbwahrheiten scheibchenweise bekannt gegeben. Aber heiligt der Zweck wirklich alle Mittel? Und haben Lügen nicht häufig doch kurze Beine?
Der große Nachteil an dieser Taktik ist, dass ein Großteil der Bevölkerung am Ende fast gar nichts mehr glaubt. Was eigentlich mal einer zu großen Beunruhigung entgegenwirken sollte, führt in der Konsequenz zu einer noch viel größeren und dauerhaften Verunsicherung. Die Skepsis gegenüber den Aussagen von Politikern und Behörden wächst. Tatsächliche Fakten werden in der Folge auch immer mehr angezweifelt, was nun wirklich Verschwörungstheoretiker, Panikmacher und politische Extremisten auf den Plan ruft.
Transparenz sollte in einer Demokratie doch möglich sein. Wenn den Bürgern erneut die Fähigkeit abgesprochen wird, sich auf Grund von Fakten ein eigenes Bild von einer Situation zu machen, dann sind wir nicht mehr weit weg von der DDR, in der es ja laut damaliger Presse solche westlichen Phänomene wie Kriminalität so gut wie gar nicht gab. Unter dem Motto: "Es kann nicht sein, was nicht sein darf."
Meiner Meinung nach ist es normal, dass die Polizei nicht alles ausplaudert. Wenn man z.B. eine Razzia vorher ankündigt, wird man dort nichts mehr vorfinden und das Ganze lohnt sich gar nicht mehr. Es gibt einfach Dinge, die zugunsten der Sicherheit nicht veröffentlicht werden. Dabei muss man aber immer abwägen, ob man damit keine Grenzen überschreitet. Es ist schwierig, zwischen Freiheit und Sicherheit zu wählen. Beides gleichzeitig geht leider nicht. Also muss man einen Mittelweg finden, der uns so viel Freiheit wie möglich und so viel Sicherheit wie nötig, gewährleistet.
Daher kann ich das Argument, eine Veröffentlichung der Liste würde einfach nur zum Abwandern der Kriminellen in andere Gebiete führen, sehr gut nachvollziehen. Es ist für die Polizei viel einfacher, wenn sie wissen, wo die Kriminellen sind und nicht nach jeder Veröffentlichung neu suchen müssen. Wahrscheinlich finden sie sie dann erst wieder, wenn etwas passiert ist.
Außerdem würde ein Stadtteil, das jahrelang Herberge für Kriminelle war, dann nicht sofort wieder aufblühen. Aber gleichzeitig würde der neue Stadtteil ebenso verkommen. So ist doch in kürzester Zeit die ganze Stadt am Ende. Kriminelle wird es immer geben. Eben weil man ihnen nicht so zu Leibe rücken kann, weil es nicht nur um Sicherheit, sondern auch um Freiheit geht. Also wird es immer solche Stadtteile geben. Da finde ich es besser, wenn es immer die gleichen bleiben und der Rest der Stadt friedlich bleibt.
Das Argument, es hätte für die Bevölkerung keinen Nutzen, kann ich weniger nachvollziehen. Ich denke, es wird nur zur Beruhigung angehängt. Natürlich könnten friedliebende Menschen diese Gegenden dann meiden, wenn sie den Inhalt der Liste kennen würden. Für jeden Einzelnen hätte es durchaus einen Nutzen. Aber wie gesagt, für die Stadt als Ganzes nicht. Und daher kann ich das Verweigern der Veröffentlichung sehr gut verstehen.
Aber welchen Nutzen hat denn die Liste für die Polizei? Ansonsten könnte man sich ja einfach denjenigen anschließen, die die komplette Abschaffung dieser Liste befürworten. Aber ich denke mal, die Polizei führt einfach Statistiken über die Kriminalitätsrate. Danach wird dann z.B. beschlossen, in welchen Stadtvierteln vermehrt Streife gefahren wird und Präsenz gezeigt werden muss.
Ich verstehe nicht ganz, warum diese Statistik in einer Liste zusammengefasst wird, über deren Veröffentlichung dann diskutiert wird. Soll die Polizei keine Statistiken mehr führen und einfach blöd durch die Gegend fahren?
Stell dir vor du wohnst seit Jahren in einem solchen Stadtteil, der von der Polizei eingestuft ist. Du bist dort groß geworden, führst ein Leben ohne kriminellen Hintergrund und fühlst dich wohl. Nun gibst du deine Adresse zum Beispiel bei Bewerbungen an und wirst allein wegen diesem Punkt abgelehnt. Einfach weil man dich wegen einer solchen Liste als kriminell einstuft. Würdest du damit leben wollen oder dann eben einen Umzug in Kauf nehmen, nur damit man dich nicht wegen deiner Adresse in eine Schublade steckt?
Ich finde es richtig, wenn solche Daten nicht veröffentlicht werden. Ansonsten sollte es jedem Menschen, der lesen und denken kann, klar sein, wo brisante Ecken in seinem Wohnort sind. Denn dazu brauch man nur die öffentlichen Polizeiberichte anschauen. Diese findet man allgemein im Internet und entsprechende Meldungen auch in der Tagespresse.
Punktedieb hat geschrieben:Stell dir vor du wohnst seit Jahren in einem solchen Stadtteil, der von der Polizei eingestuft ist. Du bist dort groß geworden, führst ein Leben ohne kriminellen Hintergrund und fühlst dich wohl. Nun gibst du deine Adresse zum Beispiel bei Bewerbungen an und wirst allein wegen diesem Punkt abgelehnt.
Das muss ich mir nicht einmal vorstellen. Ich habe einige Zeit meines Lebens in Neukölln verbracht, und wenn Arbeitskollegen davon erfahren, reagieren sie auch seltsam. "Wie? Neukölln? So hätte ich Dich gar nicht einschätzt!" und ähnliche Sprüche habe ich mehr als einmal gehört. Allerdings sind das einfach blöde Vorurteile. Wenn man die nicht über seinen Wohnort hört, dann vielleicht über seine Religion, seinen Kleidungsstil oder welche Sache auch immer.
Die Frage wäre, inwiefern die Polizei-Liste an diesen Vorurteilen etwas ändert. Gegen Ende Deines Beitrags schreibst Du ja selber, eigentlich braucht man keine Liste, man kann ja auch über Nachrichtenmeldungen gut ermitteln, was für ein Milieu in welcher Gegend vorherrscht. Das könnte doch bei Arbeitgebern genauso sein. Die brauchen auch nicht unbedingt eine offizielle Liste, um den Ruf verschiedener Bezirke zu kennen. Den Ruf kennen sie sowieso, ob es nun eine Liste gibt, oder nicht. Ich glaube übrigens, dass insbesondere in Berlin sowieso jeder weiß, welchen Ruf bestimmte Ecken der Stadt haben. Bezirke, Ortsteile, teilweise sogar auch einzelne Plätze, haben einen bestimmten Ruf. Den kennt man eigentlich. Sogar im älteren Kindesalter weiß man meistens schon bescheid.
Da du selbst schon diese Erfahrungen gemacht hast, sollte dir doch klar sein, dass eine entsprechende Liste diese Vorurteile eher stärkt, statt verringert. Und nur weil man in einer bestimmten Gegend wohnt, will doch niemand auf gewisse Dinge reduziert werden. Vor allem, wenn diese Person mit dem kriminellen Milieu in Verbindung gebracht wird, ohne dass es dafür eine Grundlage gibt.
Und das Problem gibt es nicht nur in Berlin. Selbst hier in unserer doch recht kleinen Stadt, würde ich abraten in bestimmte Stadtteile zu ziehen. Aber nicht wegen der Kriminalitätsrate, sondern einfach weil es soziale Brennpunkte sind. Nur ist es etwas anderes, wenn ich diesen Rat im privaten Bereich gebe, als wenn das offiziell irgendwo nachzulesen ist.
Punktedieb hat geschrieben:Da du selbst schon diese Erfahrungen gemacht hast, sollte dir doch klar sein, dass eine entsprechende Liste diese Vorurteile eher stärkt, statt verringert.
Habe ich irgendwo in diesem Thread auch nur einmal geschrieben, dass ich die Liste der Polizei bedenkenlos gut finde? Ich sehe sie definitiv zwiegespalten. Denn das Stigma, das aufgrund solcher Listen möglicherweise an bestimmten Orten haftet, und eben auch an den Leuten, die dort leben, kenne ich zu gut.
Aber andererseits kann ich auch den Wunsch einiger Bürger verstehen, die einfach von offizieller Seite informiert werden wollen, in welchen Gegenden es gefährlich sein könnte. Tatsächlich gibt es hier in der Stadt auch einfach Ecken, wo man nicht alleine herumlaufen sollte, und schon gar nicht nach Einbruch der Dunkelheit. Dass manche Leute Angst haben und daher einfach offiziell wissen wollen, wo sie auf sich besonders gut aufpassen müssen, finde ich absolut nachvollziehbar.
Und eigentlich sollte ja der logische Menschenverstand schon erklären, dass nicht jeder Mensch, der dort lebt, kriminell sein muss. Da reichen schon vier oder fünf, um ein Viertel andauernd in Aufruhr zu bringen. Ich bin mir nicht sicher, ob das die meisten Menschen nicht insgeheim auch sehr gut wissen. Denn dass man sich nicht unbedingt immer aussuchen kann, wo man lebt, und schon gar nicht als Kind, ist ja eigentlich absolut klar.
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