Kann Jugendamt Schulabgänger zur Ausbildung zwingen?

vom 02.02.2014, 10:21 Uhr

Eine Bekannte von mit kommt im Sommer aus der Schule und müsste sich jetzt eigentlich um eine Lehrstelle bewerben. Eigentlich wollte sie Landschaftsgärtner werden, aber die Berufsschule ist etwa 70 Kilometer von unserem Dorf entfernt. Weil sie in ein Internat müsste, hat sie ihrem Ausbildungsbetrieb gekündigt und bewirbt sich nun gar nicht mehr. Kann das Jugendamt dieses Mädchen zur Ausbildung zwingen? Sie ist ja noch minderjährig.

» Sternchen* » Beiträge: 2804 » Talkpoints: 2,78 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Ich finde es nebensächlich, ob es rechtlich möglich wäre. Die Praxis steht dem einfach im Weg. Erst mal wird es für das Jugendamt sehr schwierig eine Lehrstelle für eine unmotivierte Jugendliche zu finden. Kein Arbeitgeber freut sich über Lehrlinge, die dazu gezwungen werden mussten. Und dann geht sie halt einfach nicht hin. Wie soll denn das Jugendamt dafür sorgen, dass sie jeden Morgen aufsteht und zur Arbeit geht.

Mit Zwang geht da gar nichts. Das Mädchen muss unterstützt und motiviert werden. Was stört sie denn am Internat? Ich könnte mir vorstellen, dass sie einfach nur Angst hat. Neue Leute, ganz neue Lebenssituation. Ich sollte auch mal ins Internat und fand die Vorstellung schrecklich. Meine Mutter hat mich an den Haaren (wortwörtlich!) zur Besichtigung geschleift. Als ich es erst mal gesehen habe, war es gar nicht mehr so erschreckend.

Was ist denn mit den Eltern? Haben sie schon versucht, sie zu motivieren und ihr zu helfen? Ich hoffe mal, der Weg zum Jugendamt ist die letzte Möglichkeit, die sie sehen. Ich würde noch so einiges vorher versuchen, bevor ich Behörden damit beauftrage, meine Tochter zu zwingen.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Wenn deine Bekannte ihre Schulpflicht von neun Jahren (in einigen Bundesländern sind es zehn Jahre) erfüllt hat, dann kann auch das Jugendamt nichts gegen sie unternehmen. Es gibt keinen Zwang eine Ausbildung zu machen. Allerdings sollte deiner Bekannten auch mal erklärt werden welche Nachteile es für die Zukunft hat, wenn man gar keine Ausbildung vorweisen kann.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Punktedieb hat geschrieben:Wenn deine Bekannte ihre Schulpflicht von neun Jahren (in einigen Bundesländern sind es zehn Jahre) erfüllt hat, dann kann auch das Jugendamt nichts gegen sie unternehmen.

Das stimmt, es gibt nur die Schulpflicht. Und dabei ist es auch egal, wie die neun Jahre ausgesehen haben. Im Endeffekt kann man neun mal die erste Klasse machen und dann ist man raus. Realistischer ist, dass man z.B. bis zur siebten Klasse neun Jahre gebraucht hat. Und dann kann der Direktor der Schule einfach sagen, dass er diesen Schüler nicht mehr will und kein Direktor muss ihn mehr akzeptieren. Es ist auch egal, ob der Schüler einen Abschluss hat.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich glaube es gibt kein Jugendamt, das einen Schulabgänger oder eine Schulabgängerin in eine Ausbildung zwingt und reindrückt. Wie schon passend gesagt wurde, will auch kein Betrieb Auszubildende haben, die unmotiviert sind, schlecht arbeiten oder einfach gar nicht erst jeden Tag zur Arbeit erscheinen. Das wollen sich Arbeitgeber und Jugendamt wohl kaum antun.

Das einzige Stichwort, das ja auch schon gefallen ist, ist die Schulpflicht. In SH, wo ich herkomme gibt es sogar eine Schulpflicht bis zum achtzehnten Lebensjahr. Das heißt wer die Schule beendet, unter achtzehn ist und keine Ausbildung oder einen weiterführenden Schulplatz hat, wird zur Maßnahme gezwungen und wie ich von einigen Leuten gehört habe, macht das wirklich kein Spaß. Leute die ein bisschen Grips haben, sind erstens dort total unterfordert, zum anderen sitzen dort auch viele Jugendliche, denen ihre Zukunft und ihre Perspektiven herzlich egal sind.

Fakt ist also, wenn die Schulpflicht für deine Bekannte gilt, doch selbst wenn nicht würde ich mich immer auch noch um Ausbildungen bewerben, die mir vielleicht nicht ganz so viel Spaß machen. Oder noch besser man überbrückt ein Jahr einfach mit einem Praktikum oder einem freiwilligen sozialen Jahr, wenn möglich kann man sich auch um eine gymnasiale Oberstufe bemühen um die FHS oder das Abitur zu machen. Es gibt einige Wege und alle sind besser als ein Jahr lang nichts zu tun oder in eine Maßnahme gesteckt zu werden.

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» Weezy » Beiträge: 262 » Talkpoints: 0,87 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Wir leben in einem freien Land und jeder kann seinen Lebensstil so führen, wie er möchte. Wenn die Schulpflicht erfüllt ist, kann niemand einen sechzehnjährigen zwingen, eine Ausbildung zu machen. Man kann als Erziehungsberechtigter, seien es die Eltern oder das Jugendamt, zwar theoretisch den Wohnort bestimmen, aber ansonsten geht da nichts mehr. Allerdings bekommt dieser Jugendliche natürlich auch kein Geld und er wird schnell merken, dass es so nicht geht.

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ich habe gerade mit meinem Mann nochmal darüber geredet und der hat ein interessantes Stichwort gegeben: Berufschulpflicht.. Ich hab das mal eben recherchiert, aber es ist bisschen verwirrend.

Also es gibt die Vollzeitschulpflicht, die man auf Grundschule, Gymnasium, Haupt- oder Realschule verbringt und die meistens 9 Jahre und in manchen Bundesländern auch 10 Jahre beträgt. Wenn man diese Jahre hinter sich gebracht hat, schließt sich die Berufsschulpflicht an. Die Regelungen dazu sind ebenfalls länderabhängig. Aber sie besteht eigentlich immer bis zum Ende des Schuljahres, in dem es zur Volljährigkeit gekommen ist.

Wenn man keinen Ausbildungsplatz gefunden hat und dementsprechend nicht auf die Berufsschule geht, gibt es da noch Berufsvorbereitungsjahre (BVJ). Zu dieser Maßnahme ist man dann verpflichtet. Es bedeutet aber auch, dass man ein Recht auf so einen Platz hat, auch wenn das Zeugnis so schlecht war, dass man keinen Ausbildungsplatz bekommen hat.

Aber wie sehen dann die Strafen aus, wenn man nicht hingeht? Kein Arbeitslosengeld, würde ich mal sagen. Da braucht man dann schon sehr kulante Eltern, damit diese Zeit nicht im totalen Horror endet.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



So wie Bienenkönigin es beschreibt, kenne ich es auch. Nach der regulären Schulpflicht kommt meistens bis zur Volljährigkeit noch eine Berufsschulpflicht. Wenn ich es gerade richtig gelesen habe, kann es etwa in Bayern sogar bis zum 21. Geburtstag gehen. Aber jedes Bundesland hat dort eine eigene Regelung, sodass man sich informieren sollte für sich selbst.

Bei einer Bekannten, die nach ihrem 16. Geburtstag keine Ausbildung bekommen hatte, habe ich dann mitbekommen, dass ihr etwa das Kindergeld gestrichen wurde, solange sie nicht wieder zur Schule ging bzw. eine gleichwertige Maßnahme mitmachte. Soweit ich weiß, kann diese weitergehende Schulpflicht aber auch mit der Polizei durchgesetzt werden, die im schlimmsten Fall den Jugendlichen zu Hause abholt und zur Schule bringt. Ich habe auch schon davon gehört, dass gegen die Eltern in solchen Fällen Ordnungsgelder verhängt wurden, wobei die aber kaum etwas dafür konnten, denn sie konnten sich gegen ihre Kinder nicht durchsetzen. Auch das ist aber für jedes Land unterschiedlich.

» SonjaB » Beiträge: 2698 » Talkpoints: 0,98 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


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