Warum erbost das Wort Freibank so viele Menschen?

vom 24.01.2014, 14:47 Uhr

Freibanken sind ein ganz altes Prinzip. Sie wurden dafür benutzt, Fleisch, das man als B-Ware bezeichnen kann doch noch sinnvoll zu verwerten. Üblicherweise wurden dort Tiere aus Notschlachtungen zum Verzehr angeboten. Oder auch Tiere, bei denen eine Verletzung vorlag oder die ärztliche Behandlung nicht mehr wirtschaftlich gewesen wäre. Selbstverständlich handelt es sich hier auch nur um Fleisch von Tieren, die man im hiesigen Raum sowieso essen würde. Also keine Ratten oder so.

Ich kenne aus Erzählungen auch noch Erfahrungsberichte von älteren Leuten, dass Freibankfleisch eigentlich nichts schlimmes war. Dort haben damals Menschen eingekauft, die Hunde und Katzen ernähren mussten. Zu Zeiten, als das Fertigfutter in Dosen noch nicht überall populär war, war das eine zweckdienliche Bezugsquelle für Tierfutter. Auch wenn es bei dem Gedanken so manchen ekelt: Es haben auch unzählige Menschen dieses Fleisch verzehrt. Zum einen, weil der Preis für solches Fleisch wohl unschlagbar günstig gewesen sein soll. Zum anderen, weil die Kontrollen für Freibankfleisch wohl sehr gut gewesen sein soll. Mittlerweile gibt es wohl keine Freibanken mehr, die Fleisch verkaufen.

Ob man so ein Fleisch essen kann, kann man natürlich anzweifeln. Aber letztlich muss ich sagen, dass beispielsweise eine Kuh mit Beinbruch aus der Fleischbank vermutlich nicht schlechter geschmeckt haben wird als eine Kuh als dem Kühlregal eines Discounters, die vor dem Schlachten durch halb Europa gefahren wurde. Ich gebe zu, dass ich hier absichtlich drastischer formuliere, um auch ein wenig den Finger auf die Wunde zu legen.

Laut Wikipedia wurde der letzte Freibank-Betrieb in den neunziger Jahren geschlossen, weil sich die Produktion nicht mehr lohnte. Anders ausgedrückt: Die industrielle Fleischproduktion hat die Fleischpreise so weit in den Keller sacken lassen, dass es preislich wohl keinen entscheidenden Unterschied mehr machte, ob man im Discounter oder auf der Freibank kauft. Ein wenig eklig fühlt sich das schon an, so etwas zu lesen. Wie geht es euch dabei?

Ich kann nachvollziehen, dass man sich bei menschlicher Ernährung aufregt, wenn jemand öffentlich äußert, dass er Freibankfleisch essen würde. Das sieht so nach Armut und Elend aus. Was ich aber nicht nachvollziehen kann: Wenn Tierbesitzer nach Freibanken fragen (beispielsweise im Internet) um von dort her Fleisch für Hunde oder Katzen zu kaufen, dass da regelmäßig die Kommentare unsachlich werden. Den Fragenden wird dann vorgeworfen, die Tiere mit minderwertigem Fleisch füttern zu wollen.

Was ich noch perverser finde ist, dass laut Wikipedia das Freibankfleisch mittlerweile zur Tierkörperbeseitigung gegeben wird. Es wird quasi auf der Mülldeponie entsorgt. Der Grund: Die Verbraucher würden Freibankfleisch in der Tierfutterdose ablehnen, dass aus solcher Produktion kommt. Ich kann irgendwo nachvollziehen, dass man kein Fleisch von Tieren verfüttern will, das von einem Tier mit einem Infekt stammt. Aber ein verunfalltes Tier ist doch nicht weniger gesund, als eines ohne Unfall? Ist es eurer Meinung nach ethisch, Fleisch einfach als Müll zu entsorgen, nur weil es ein schlechtes Image hat? Oder geht es euch so wie mir, dass ihr das ziemlich dekadent findet?

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Von Freibanken höre ich durch deinen Bericht das erste Mal. Wir haben, als ich ein Kind war, nie so ländlich gelebt, dass wir so ein Angebot genutzt hätten. Um ehrlich zu sein, habe ich mir noch nie Gedanken darum gemacht, was wohl mit den Tieren passiert, die wegen Verletzungen und Krankheiten außerhalb des Schlachtplans notgeschlachtet werden müssen. Wahrscheinlich hatte ich schon Angst vor der Antwort, denn sehr überraschend ist die Entsorgung als Müll nicht wirklich.

Es ist leider so, dass der Verbraucher so hingezüchtet wurde, nur noch gerade Gurken zu wollen und ebenso wird Fleisch abgelehnt, das nicht den normalen Weg gegangen ist. Die ganze Lebensmittelverschwendung aufgrund äußerlicher, ästhetischer Gesichtspunkte ist dekadent und meines Erachtens sogar pervers. Es ist unglaublich, wie weit wir uns in dem Bereich von der Natur entfernt haben. Eine krumme Gurke ist doch nicht schlimm und schmeckt ganz genauso. Aber viele Menschen würden dafür nicht mal 10 Cent zahlen.

Meiner Meinung nach liegt es unter anderen daran, dass der normale Verbraucher gar keinen Kontakt mehr zur Lebensmittelherstellung hat. Die Kinder, die denken, Kühe wären lila sind da nur die Spitze vom Eisberg. Aber auch Erwachsene haben doch keine Ahnung davon, wie viel ein Landwirt arbeiten muss, wie viele krumme Gurken entsorgt werden und wie die Kühe tatsächlich leben. Einige wenige informieren sich über Dokumentationen im Fernsehen. Aber wer hat schon wirklich noch Einblick, wer lebt neben einem Hühnerbauern, wer hat mal als Student in einer Schlachterei gearbeitet?

Früher war das normal. Als noch die meisten Menschen auf dem Dorf gelebt haben und wenigstens jemanden kannten, der Kühe hält. Heute leben die meisten in Städten und haben sich sehr weit davon entfernt. Sie verlangen perfektes Gemüse und perfektes Fleisch und wissen nicht, welcher Preis dafür gezahlt wird. Nicht in Euro an der Kasse, aber in Lebensmittelverschwendung und umsonst gestorbenen Tieren, deren Körper auf dem Müll verrotten.

Also ich kaufe für meinen Hund ab und zu Schlachtabfälle in einer Metzgerei. Und ich hätte überhaupt kein Problem damit, so ein notgeschlachtetes Tier zu kaufen und zum Mittagessen zuzubereiten. Wenn ich noch Fleisch essen würde. Ich würde auch gerne krumme Gurken kaufen. Da das nicht geht, baue ich sie halt selber an. Da ist keine einzige gerade.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Wie ich auch schon aus Deiner Schilderung entnehme, sind Freibanken ein älteres Phänomen. Da muss ich an meine Großmutter denken und unterstelle einfach mal, dass ihre Denkweise auf einen Großteil der damaligen Bevölkerung zutraf. Meine Großmutter war vom Leben im bzw. kurz nach dem Krieg geprägt. Damals war man froh, wenn man sich endlich mal wieder "etwas Anständiges" leisten konnte und nicht mehr nur das nehmen musste, was einfach da war.

Und da war man eben froh, wenn man zum Schlachter gehen konnte, um sich dort sein Fleisch zu holen. Dann sah man auf die anderen Menschen herab, die zur Freibank gehen mussten, weil sie kein Geld hatten für teureres Fleisch. Die Behauptung, man hole sich dort nur Futter für Hunde oder Katzen, wurde als Ausrede abgetan.

In der neueren bzw. heutigen Zeit setzen viele dann wohl das Fleisch von der Freibank mit Gammelfleisch gleich. Und dann gibt es eben die recht extremen Tierfreunde, die ihre Lieblinge nur mit Filet füttern. Von denen kommen dann recht häufig solche Kommentare, denn sie können einfach nicht verstehen, dass es doch tatsächlich Menschen gibt, die sich das nicht leisten können. Wenn das Tier nur einen Unfall hat, ist es auch meiner Meinung nicht wirklich minderwertig. Und ich denke, selbst dann wäre die Qualität immer noch besser gewesen, als wenn ich mein Tier nur mit Dosenfutter ernähre. Außerdem fressen die Tiere in freier Wildbahn auch nicht nur einwandfreies Fleisch von kontrollierten Tieren. :wink: Zumindest habe ich noch keinen Veterinär gesehen, der die Maus kontrollierte, bevor meine Katze sie gefressen hat.

» rasenderrolli » Beiträge: 1058 » Talkpoints: 16,66 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Es gab sogar in Berlin noch bis in die 1990er Jahre eine Freibank. Ob sie danach noch geöffnet war, weiß ich nicht. Das Gebäude steht jedenfalls heute noch und die Schilder sind auch noch an der Fassade. Nur wird es eben nicht mehr genutzt. Aber ein rein ländliches Phänomen scheinen Freibanken dann wohl nicht zu sein. Aber eines kann man schon sagen: Sie befinden sich immer in der Nähe von Schlachthöfen oder Tierzucht-Betrieben.

Dass einige Leute das Fleisch, das man bei einer Freibank kaufen kann, eklig finden, und das daher strikt ablehnen, finde ich auch absolut dekadent. Das ist halt die heutige Luxusgesellschaft. Obwohl es völlig egal sein dürfte, ob ein Tier wegen eines gebrochenen Beines geschlachtet wurde, oder "nach Plan", obwohl das Fleisch bei Freibanken strikt kontrolliert wird, manchmal sogar strikter, als das Fleisch, das im Supermarkt landet, ist den Leuten wohl egal. Luxusdenken eben. Früher hätten die Menschen ein verstorbenes oder vorzeitig geschlachtetes Tier definitiv gegessen, sie waren froh über alles an Nahrung, was sie hatten. Aber heute haben wir eine Überflussgesellschaft. Da wird dann eben auch Freibank-Fleisch mit so doofen Sprüchen wie "Igitt! Ich kann doch kein Aas essen!" abgelehnt. Habe ich so wirklich schon gehört.

Ich hingegen finde es wirklich gut, wenn das Fleisch der vorzeitig verstorbenen Tiere auch genutzt wird. Ich selber esse gar kein Fleisch, aber wenn schon Fleisch konsumiert wird, wäre es schon wünschenswert, wenn dies ohne Verschwendungen geschieht. Gegen Freibank-Fleisch spricht meines Erachtens also gar nichts. Und das nicht einmal nur für den Tierfutter-Bereich, sondern auch für die menschliche Ernährung, denn das Fleisch ist nicht minderwertig, sondern wirklich einwandfrei gewesen. Ich finde auch nicht, dass das nach Elend oder Armut schreit, sondern eher nach einem ethischen Denken, laut dem man geschlachtete Tiere nicht als Müll entsorgen, sondern möglichst gut nutzen sollte.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



@Bienenkönigin: Freibanken haben nichts mit einem ländlichen Raum zu tun. Soweit wie ich mich da erinnere hatte jeder große Schlachtbetrieb seine Freibank. Und diese Betriebe waren in aller Regel auch zentral gelegen, als in Städten. Da ich aber selbst auf dem Land aufgewachsen bin, habe ich auch erlebt, wie eine Notschlachtung gemacht wird. Mein Opa, selbst Fleischbeschauer zu seiner Zeit für Hausschlachtungen, hat damals auch ein Schwein quasi von seinen Qualen erlöst, was sich ein Bein gebrochen hat.

Das Tier wurde in eigenen Haushalt verwertet. Denn der einzige Unterschied zu anderen Schweinen war dann nur noch das Alter. Ansonsten ist eben Fleisch von Tieren mit einer Unfallverletzung nicht schlechter oder besser, als das von Tieren die regulär zum Schlachter gebracht werden. Nur haben sie eben nicht in die geplante Produktion gepasst, weil man da eben nur mit X Tieren pro Schlachttag plant.

Also wurde das Fleisch eben wesentlich günstiger angeboten, damit es nicht einfach nur entsorgt werden muss. Auch heute planen die Schlachtbetriebe ihre Tageskapazitäten und auch die Abnehmer haben ihre Planungen. Der Betrieb wo mein Mann arbeitet verarbeitet das Fleisch der eigenen Tiere dann weiter und sorgt auch selbst für den Verkauf. Da werden jeden Montag die Rinder und Schweine zum nächsten Schlachtbetrieb gebracht, da eben eigene Schlachtung viel zu kostenintensiv wäre.

Wobei ich mir vorstellen kann, dass auch heute genug Leute die Freibanken nutzen würden. Und das mit Sicherheit nicht nur für den Futterbedarf der Haustiere, sondern auch für den eigenen Kochtopf. Denn schlecht ist das Fleisch ja auf keinen Fall.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


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