Warum idealisieren manche Leute die ehemalige DDR?
Cid hat geschrieben:Gerade aber jüngere Menschen sind es, die die Zeit in der DDR zurücksehnen.
Den Eindruck kann ich nicht wirklich bestätigen. Nach meinen Erfahrungen sind es eher die Menschen mittleren Alters oder jetzige Rentner, welche die DDR noch aktiv miterlebt haben. Viele kommen einfach nicht mit der Marktwirtschaft klar. War ja auch in der DDR viel bequemer, da wurde man das ganze Leben förmlich an das Händchen genommen und durch´s Leben geführt. Nach der Wende war damit natürlich Schluss und mit dieser Situation waren oder sind immer noch viele Menschen überfordert.
falscher fuffziger hat geschrieben:Cid hat geschrieben:Gerade aber jüngere Menschen sind es, die die Zeit in der DDR zurücksehnen.
Den Eindruck kann ich nicht wirklich bestätigen. Nach meinen Erfahrungen sind es eher die Menschen mittleren Alters oder jetzige Rentner, welche die DDR noch aktiv miterlebt haben. Viele kommen einfach nicht mit der Marktwirtschaft klar. War ja auch in der DDR viel bequemer, da wurde man das ganze Leben förmlich an das Händchen genommen und durch´s Leben geführt. Nach der Wende war damit natürlich Schluss und mit dieser Situation waren oder sind immer noch viele Menschen überfordert.
Weil gerade dieser Personenkreis nicht konkret die realen Hintergründe in der damaligen DDR verstand oder verstehen wollte. Wer nun kein sogenannter Querdenker war konnte auch relativ gut damit leben. Man durfte eben nicht alle Dinge so genau nehmen. Allerdings musste man auch nur so seine eigene Meinung vertreten, denn ansonsten konnte es eventuelle Probleme geben.
Ich bin auch in der DDR aufgewachsen, ich würde aber nicht unbedingt sagen dass die ehemalige DDR häufig idealisiert wird. Wenn, dann doch eher von Leuten die heute im Rentenalter sind, aber auf keinen Fall von den Jugendlichen oder den Erwachsenen der mittleren Generation. Möglich dass man auch mal im Spaß sagt wie schön es in einer bestimmten Situation in der DDR war oder dass es so etwas unter Erich nicht gegeben hätte, aber von solchen Aussagen auf ein Idealisieren oder gar Wiedersehen der alten Zeit zu schließen halte ich doch für sehr weit hergeholt.
Bei den heutigen Rentnern ist es in der Tat so dass viele die DDR noch gut finden und aus diesem Grunde auch sehr gerne die PDS wählen oder Mitglied in dieser Partei sind. Mögliche Erklärungen dafür könnten sein dass sie in der Nachwendezeit die ersten waren die Ihren Job verloren und auf Grund ihres Alters keine neue Arbeit mehr finden konnten. Dazu die entwürdigenden Situationen auf dem Arbeitsamt oder den oft sehr sinnlosen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Ich kann mich noch an Arbeitslosenquoten um die 20 Prozent erinnern und die waren schon durch die vielen ABM geschönt. Dadurch kam natürlich auch nicht sehr viel Geld in die Familienkasse, auch war der Verdienst deutlich geringer als im Westen so dass man auch auf die vielen kommerziellen Segnungen verzichten musste.
Vielleicht liegt es aber auch nur daran dass die älteren Herrschaften auch nur etwas wunderlich sind und ansonsten nicht wissen womit sie die Zeit totschlagen und worüber sie erzählen sollen. Da wird dann immer gerne sinnlos palavert und polemisiert. Neben den Themen zur Gesundheit ist eben das was man kennt immer für ein Gespräch gut und in diesem Fall ist es eben die ehemalige DDR. Regelmäßig werden Vergleiche gezogen und es kommen aus heiterem Himmel irgendwelche Äußerungen wie etwa dass man sich früher über ein so ein Stück Seife/Kaffee/Blumen/Hose gefreut hätte und das so etwas nicht ohne Westgeld oder Beziehungen zu erhalten war. Damit ist man dann wieder beim Thema, das ist eigentlich immer so.
Mein Vater war seit seinem 50. Geburtstag ununterbrochen zu Hause, jetzt ist er knapp über 70. Große Abwechslung hat er nicht. Die Gespräche mit ihm sind sehr anstrengend, aber er kennt eben auch nichts Neues. So kann ich darauf warten dass er mit dem Thema Vertreter anfängt die ständig anrufen und dass da einer dabei ist der jeden Tag anruft und er aber nicht rangeht weil er die Nummer schon kennt. Die Geschichte beschäftigt ihn schon seit Monaten und immer wieder fängt er damit an. Wenn ich sage geh doch ran und unterhalte dich mit ihm und das Thema ist erledigt oder sperre deine Telefonnummer dann will er das auch nicht. Er hat mehr Spaß daran sich über diesen unbekannten Anrufer zu machen als dem ein Ende zu bereiten. Es ist für ihn sehr schwierig sich mit den neuen Dingen wie Internet, Politik oder Werbung zu beschäftigen und deshalb ist für ihn auch die ehemalige DDR immer ein Thema weil er sich damit auskennt. Sicherlich ist nicht jeder Rentner so unbeweglich wie mein Vater, aber ich würde schon vermuten dass viele in seinem Alter genauso denken und reden.
Mein Vater wäre zwar jetzt auch Rentner, aber er hat durch die Wende seine Arbeit nicht verloren. Aber es bei gleicher Stundenleistung bei der Bahn pro Schicht wesentlich weniger zu tun. Wenn man sich mit den Menschen unterhält, die beide Systeme dabei erlebt haben, dann sagen sie fast alle, dass es vor der Wende besser war. Sie hatten zwar mehr Stress in ihren Schichten, weil es mehr Zugverkehr gab, aber eben auch mehr Abwechslung, weil oft genug Züge eingeschoben wurden, die nicht im Fahrplan standen.
Man wünschte sich also nicht nur die Vorteile zurück, wenn man bei den Unterhaltungen richtig zugehört hat. Auch die Generation zu der ich gehöre hat da eine geteilte Meinung. Klar, auf beruflicher Ebene würde ich heute einen mehr oder weniger staubigen, aber sicheren Bürojob haben. Dazu einen geregelten Feierabend. Heute lebe ich aber beruflich das aus, was mir Spaß macht und bin in der Lage auch einfach mal zu sagen, dass ich einen Auftrag nicht annehmen möchte.
Aber ich hätte sicherlich auch privat einen anderen Weg eingeschlagen und damit meinen Mann nie kennengelernt. Zurückblickend würde ich vermuten, dass ich ohne die Wende eine kleine Neubauwohnung hätte, wo ich oben rechts höre, wenn unten links einer mal hustet. Insgesamt hat mir die Wende zwar mehr Vorteile gebracht, aber eben auch in gewissen Dingen mehr Aufwand beschert, wenn ich allein an die jährliche Steuererklärung denke.
Ich glaube, dass manche Menschen eben zu einer "Früher-war-alles-besser-Mentalität" neigen, egal ob sie mal in der DDR gelebt haben oder im Ausland.
Das ist mir auch an meinen Eltern aufgefallen. Wir sind schon über 20 Jahre in Deutschland und trotzdem wird mein Geburtsland immer noch idealisiert. Es wird in Erzählungen immer sehr verklärt dargestellt, wenn meine Eltern, besonders meine Mutter, das Heimatland aus ihrer Kindheit beschreiben und Erlebnisse schildern. Ich finde das dann immer total übertrieben und ich persönlich kann dem nichts abgewinnen.
Meine Eltern kamen beide aus einer sehr ländlichen Gegend, wo noch nicht mal jeder Telefon oder ein Auto hatte. Was soll daran bitte so toll sein, am Ende der Welt? Ich kann es einfach nicht nachvollziehen und kann mir ein Leben ohne Internet, Auto oder Telefon kaum vorstellen. Dennoch wird alles so dermaßend idealisierend dargestellt, dass ich am liebsten genervt so etwas sagen würde wie: "Dann geht doch zurück, wenn es damals dort so viel besser war als jetzt in Deutschland". Ich meine, mal ehrlich: was wollen solche Leute hier, wenn es angeblich überall sonst so viel besser ist als hier? In die DDR zurück kann man nicht so ohne weiteres, selbst wenn man wollte, weil es sie schließlich nicht mehr gibt. Es geht mir im Moment auch eher ums Prinzip.
Olly173 hat geschrieben:Meine Eltern kamen beide aus einer sehr ländlichen Gegend, wo noch nicht mal jeder Telefon oder ein Auto hatte. Was soll daran bitte so toll sein, am Ende der Welt? Ich kann es einfach nicht nachvollziehen und kann mir ein Leben ohne Internet, Auto oder Telefon kaum vorstellen.
Du kannst nicht ohne Internet, Auto oder Telefon leben. Es gibt aber auch Menschen, die legen auf andere Dinge Wert. Ich habe beispielsweise auch kein Auto, und ich telefoniere eigentlich nur aus Pflichtbewusstsein alle zwei Wochen mal mit meinem alten Vater. Ansonsten telefoniere ich privat auch nie. Gut, auf das Internet würde ich nicht verzichten wollen, das finde ich schon nützlich und auch unterhaltsam. Aber es muss doch nicht jedem genau das gefallen, was einem selber gefällt.
Ich habe gerade bei Leuten, die ursprünglich auf dem Land aufgewachsen sind, und die später in größere Städte zogen, oft bemerkt, dass sie der Natürlichkeit ihrer früheren Lebensumgebung nachtrauern. Ich kann bestätigen, dass das einfach ein ganz anderes Lebensgefühl ist, ob man in einem Betonquader mitten in der Stadt hockt und beim Blick aus dem Fenster nur die Häuser gegenüber oder eine Straße voller Autos sieht, oder ob man theoretisch morgens das Fenster aufmachen kann, und dann nichts sieht, außer blühende Felder oder Wald. Keine Abgase, kein Lärm, höchstens Vogelgesang. Das macht auf Dauer echt einen Unterschied im ganzen "Feeling", das man hat. Ich denke sogar, dass es auch die Denkweisen eines Menschens beeinflussen kann, unterbewusst. Das wäre jedenfalls meine Erfahrung, die ich jetzt mit verschiedenen Wohnorten gemacht habe, von ganz ländlich bis hin zum innenstädtischen Bereich.
Aber natürlich, bei Erinnerungen, die lange zurückliegen, gibt es auch immer eine Idealisierung. Trotzdem finde ich es nicht sinnvoll, wenn Du Deinen Eltern empfehlen würdest, sie sollten doch wieder gehen, wenn es ihnen anderswo besser gefällt. An Deiner Stelle würde ich mich fragen, wieso Deine Eltern das nicht tun. Hat es vielleicht damit zu tun, dass sie die Bindung zu Dir nicht verlieren wollen? Es ist ja doch etwas Anderes, ob man nur in einer Nachbarstadt wohnt, oder gleich im Ausland. Ebenso weiß ich ja nicht, wie alt Deine Eltern sind, aber für viele alte Menschen sind Veränderungen belastend. Selbst, wenn sie sich an einem Wort nicht so extrem wohlfühlen, halten sie das lieber aus, als noch einmal umzuziehen.
Mal abgesehen davon schwärmen sie nicht nur von einem anderen Ort, sondern auch von einer anderen Zeit. Dass die Gegend heute anders aussieht, als damals, ist wahrscheinlich. Vielleicht würden sie es heute dort gar nicht mehr mögen. Die schönen Erinnerungen an früher bleiben natürlich trotzdem und tauchen in Erzählungen immer wieder auf. Zurück kann man aber nicht, weil es die Umstände von damals einfach nicht mehr gibt. Manche Leute haben auch Angst davor, an einen Ort, den sie früher sehr mochten, zurückzukehren, weil alles, was sie daran mochten, mittlerweile vielleicht verschwunden ist. Das hätte natürlich eine deprimierende Wirkung, zu wissen, dass alles weg ist. Und natürlich verdeutlicht es einem zusätzlich auch die eigene Vergänglichkeit.
Wo wir schon wieder beim Thema DDR sind: Wer weiß, vielleicht geht es auch einigen Leuten, die heute die DDR extrem beschönigen und idealisieren, so. Sie wissen, dass die Dinge von damals nicht mehr existieren, und gerade deswegen klammern sie sich in Erinnerungen immer daran fest. Sie wollen vielleicht gar nicht wahrhaben, dass Dinge sich so extrem ändern. Wie eigene Vergänglichkeit, wie gesagt, macht vielen Menschen Angst. Natürlich wissen die Leute, dass es ein Fakt ist, dass es die DDR nicht mehr gibt. Aber emotional wollen sie es vielleicht nicht hinnehmen.
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