Fachanwalt durch Zusatzausbildung oder durch Erfahrung?
Bei vielen Anwälten steht ja auf dem Schild, welches an der Kanzlei hängt dran, dass sie Fachanwalt für Familienrecht, Arbeitsrecht, Verkehrsrecht usw. sind. Neulich habe ich gehört, dass es gar keine Zusatzausbildung für Anwälte gibt, sondern dass sie sich selber dieses Fach aneignen, Erfahrung sammeln und sich dann auch Fachanwalt nennen dürfen. Ist das richtig, dass ein Fachanwalt wirklich keine Zusatzausbildung braucht und gibt es solche Zusatzausbildungen gar nicht? Geht ihr immer zu einem Fachanwalt, wenn ihr für verschiedene Gebiete einen Anwalt braucht oder habt ihr einen Anwalt für alles?
Ein Anwalt darf freilich nicht einfach aus Lust und Laune "Fachanwalt" auf sein Schild schreiben. Der Fachanwalt ist jemand, der bei seiner zuständigen Rechtsanwaltskammer einen Antrag darauf gestellt hat, diesen Titel führen zu dürfen. Die Anwaltskammer überprüft dann, ob der antragsstellende Anwalt tatsächlich erweiterte Kenntnisse auf dem Gebiet hat.
Diese Prüfung sieht in der Regel so aus, dass zunächst seitens des Anwaltes ein Seminar oder Fortbildungskurs zum jeweiligen Rechtsgebiet mit abschließenden Klausuren belegt und bestanden wird. Des Weiteren gibt es eine Art mündliche Prüfung zum entsprechenden Thema und der Anwalt muss nachweisen, dass er auch schon echte Fälle in diesem Gebiet bearbeitet hat, wobei die Anzahl der nachzuweisenden Fälle sich unterscheidet, wohl nach Umfang und Schwierigkeit des Rechtsgebietes.
Erst wenn der Anwalt das alles erfolgreich nachgewiesen hat, darf er den Titel "Fachanwalt für" führen, was gleichzeitig für ihn die Pflicht einräumt, regelmäßig Seminare und Fortbildungen zu diesem Rechtsgebiet zu absolvieren.
Ich persönlich halte vom Fachanwalt nicht viel. Natürlich muss der Anwalt irgendwo erweiterte Kenntnisse haben. Das allein zeigt aber überhaupt nicht, wie gut dieser Anwalt wirklich ist. Wenn man einen Anwalt hat, der sich zwar super gut im materiellen Recht auskennt, aber die Kniffe der ZPO nicht kennt, dann ist er einfach kein guter Anwalt. In der Regel kann jeder Anwalt, der regelmäßig mit diversen Rechtsgebieten zu tun hat, diese Fälle auch genau so gut bearbeiten wie ein Fachanwalt. Ich persönlich würde höchstens in einem wirklich komplizierten Fall auf einem komplizierten Gebiet -zum Beispiel im Steuerrecht- auf einen Fachanwalt zurück greifen.
Ist es nicht auch so, dass sich Jurastudenten schon während des Studiums auf ein Fachgebiet spezialisieren? Im Grundstudium lernen sie alle das gleiche und im Hauptstudium entscheiden sie sich dann für ein Fachgebiet. Aber diese Spezialisierung im Studium macht noch keinen Fachanwalt aus ihnen. Sondern einfach nur einen "Anwalt für...". Für einen Fachanwalt muss man dann nach einiger Zeit der Berufserfahrung eine weitere Prüfung ablegen. Sehe ich das so richtig?
@Bienenkönigin: ja und nein. Es ist schon so, dass man sich nach dem Grundstudium zusätzlich für einen Schwerpunkt im Studium entscheidet, was dann neben dem üblichen Pflichtstudium her läuft. Bei mir war es beispielsweise so, dass ich nach dem fünften Semester entscheiden musste, welches Fach ich zusätzlich lernen möchte. Zur Wahl stand Rechtsgeschichte, europäisches Privatrecht, Strafrecht, Steuerrecht und einiges anderes. Diese Schwerpunkte sind aber immer unterschiedlich und auch nicht immer für anwaltliche Tätigkeit gedacht. Das heißt, wenn man nun Rechtsgeschichte als Wahlfach belegt hat, dann hat man davon nicht so viel, wenn man später als Anwalt arbeitet.
Ich habe mich damals für Strafrecht entschieden und muss auch jetzt im Referendariat wieder einen Schwerpunkt belegen, der wieder Strafrecht sein wird. Ich werde dann also für die Staatsanwaltschaft oder einen Strafverteidiger arbeiten. Deswegen bin ich aber nach meinem Examen noch lange kein Anwalt für Strafrecht. Ich kann, wenn ich will, genau so Anwalt für Familienrecht oder so werden. Die meisten Kanzleien bieten ja mehrere Rechtsgebiete an. Diese haben dann eine normale Zulassung als Anwalt und entscheiden sich dann selbstständig, welche Gebiete sie in ihrer Kanzlei anbieten wollen. Das ist nicht an extra Prüfungen, das Studium oder sonst etwas gekoppelt.
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