Habt ihr Freunde mit anderen ethischen Maßstäben als euren?

vom 10.12.2013, 12:02 Uhr

Jeder Mensch hat seine individuellen ethischen Richtlinien. Manche finden nichts dabei, auf die Jagd zu gehen oder einem geangelten Fisch den Kopf einzuschlagen, für andere ist das ein Verbrechen. Manche sind nur Vegetarier, andere empfinden schon das Pflücken eines Apfels als Misshandlung von Leben.

Können Menschen mit ganz unterschiedlichen ethischen Maßstäben wohl eng befreundet sein? Ich selber habe keine Freunde, die sich von meiner Denkweise stark unterscheiden. Habt ihr Freunde, die moralisch anders werten als ihr? Versuchen sie nicht, euch permanent zu überzeugen? Kann man mit jemandem befreundet sein, der in den eigenen Augen täglich Verbrechen vergeht und Tierquälerei zulässt?

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich bin seit 20 Jahren Vegetarier. Die wenigsten meiner Freunde sind da mit mir einer Meinung. Mein Mann eingeschlossen, der allerdings akzeptiert, dass ich ihm nicht jeden Tag ein Steak in die Pfanne haue. Wobei ich das sogar machen würde. Denn ich stelle mich nicht über Nicht-Vegetarier und verurteile sie. Ich muss aber dazu sagen, dass ich das sowieso etwas anders sehe als andere. Für mich ist es ganz natürlich, Fleisch zu essen und sogar Milch zu trinken. Andere Vegetarier und Veganer argumentieren ja sogar, dass dies unnatürlich sei. Mich stört einzig und allein die Methoden, wie wir an das Fleisch gelangen.

Meine Mutter ist leider so, dass sie ihre ethischen Einstellungen über Freundschaften und sogar teilweise über ihre Kinder stellt. Zur Hochzeit ihres eigenen Sohnes wäre sie fast nicht gegangen, weil es Spanferkel gab. Aber ab und zu sieht sie auch ein, dass sie für ihren Lebenswandel und die vegane Ernährungsweise immerhin auch 62 Jahre gebraucht hat. Man kann doch nicht erwarten, dass alle Menschen gleichzeitig mit einem selbst die Erkenntnis haben. Vielleicht werden meine Freunde noch Vegetarier, in 5 oder 10 oder 30 Jahren.

Aber genauso wenig, wie ich versuche, meine Freunde zu überreden, Vegetarier zu werden, versuchen sie mich zum Fleischessen zu zwingen. Wenn wir über das Thema reden, dann geschieht dies sachlich und ohne erhobenen Zeigefinger. Ich halte sie aufgrund ihrer Ernährungsweise nicht für schlechte Menschen. Ihnen ist es auch nicht egal, wie Tiere gehalten werden. Sie stecken einfach nur zu tief drin. Sie sind den Konsum von Fleisch gewöhnt, können sich nicht vorstellen, was sie sonst essen könnten, können sich nicht vorstellen, dass es einen Unterschied machen würde, wenn sie kein Fleisch mehr essen. Aber keiner von ihnen sagt, dass es ihnen schlichtweg egal ist.

Aber die Mutter meiner besten Freundin aus meiner Kindheit sagt das wirklich gerade heraus. Es ist ihr total egal, Hauptsache es schmeckt. Aber auch das muss man akzeptieren. Ich habe keinen Kontakt mehr zu ihr. Ich weiß nicht, ob ich den Kontakt abbrechen würde, wenn wir über dieses Thema streiten würden. Denn das ist schon eine extreme Einstellung.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Ich habe mir diese Frage vor kurzen auch gestellt. Aus eigenen Beobachtungen kann ich sagen, dass es selbstverständlich enge Freundschaften zwischen zum Beispiel Vegetariern und Nicht-Vegetariern geben kann. Ein guter Freund von mir lebt seit Jahren schon mit seiner Freundin zusammen die Veganerin ist. Er selber liebt Fleisch über alles und würde auch niemals darauf verzichten. Aber wie man sieht gibt es nicht nur Freundschaften sondern sogar richtige Beziehungen.

Meine Mutter ist ebenfalls Vegetarierin. Dennoch hat sie uns aber Fleisch nie vorenthalten. Und auch sie pflegt enge Freundschaften zu Nicht-Vegetariern. Es ist sogar der deutlich größere Teil der Freunde, die ohne zu überlegen in ein saftiges Steak beißen würden.

Vielleicht täusche ich mich da jetzt auch, aber es gibt eine Sache die mir echt negativ aufgefallen ist. Ich habe noch nie erlebt, dass ein Nicht-Vegetarier oder Nicht-Veganer irgendwelche Anstalten gemacht hat, weil er auf jemanden getroffen ist, der kein Fleisch ist. Umgekehrt habe ich leider schon öfters erlebt, dass Vegetarier oder Veganer über sogenannte Fleischfresser hergezogen sind. Andersherum ist mir das noch nie aufgefallen.

» caain » Beiträge: 271 » Talkpoints: 35,48 » Auszeichnung für 100 Beiträge



caain hat geschrieben:Vielleicht täusche ich mich da jetzt auch, aber es gibt eine Sache die mir echt negativ aufgefallen ist. Ich habe noch nie erlebt, dass ein Nicht-Vegetarier oder Nicht-Veganer irgendwelche Anstalten gemacht hat, weil er auf jemanden getroffen ist, der kein Fleisch ist. Umgekehrt habe ich leider schon öfters erlebt, dass Vegetarier oder Veganer über sogenannte Fleischfresser hergezogen sind. Andersherum ist mir das noch nie aufgefallen.

Das liegt aber einfach in der Natur der Sache. Fleischesser sind solche, die sich entweder keine oder wenig Gedanken darüber machen und vor allem, die ihre Bedürfnisse über die der Tiere stellen. Das ist Fakt, ohne Verurteilung. Vegetarier und Veganer haben sich mit der Materie auseinandergesetzt. Und was man dabei alles erfährt, ist unglaublich und es bricht einem das Herz. Ich kann gut verstehen, wenn man es dann nicht glauben kann, dass es nicht jedem das Herz bricht.

Also für den einen ist es einfach normal, so wie er isst. Es ist keine Entscheidung. Es ist keine Einstellungssache. Es hat keine Bedeutung. Es schmeckt halt. Für den anderen stehen tiefgehende Gründe hinter der Art und Weise, wie er sich ernährt. Es ist also ganz logisch, dass es für Vegetarier und Veganer ein Thema ist. Und da es ein sehr trauriges Thema ist, verläuft eine Diskussion selten ohne Emotionen.

Wobei ich damit nicht rechtfertigen will, wie manche Veganer wirklich über Fleischesser herziehen. Das finde ich auch nicht gut. Manchmal grenzt es regelrecht an Faschismus. Wie gesagt, bin ich ja auch gar nicht so und koche sogar meinem Mann Fleisch. Aber das Diskussionen über das Thema für Vegetarier und Veganer eine sehr viel emotionalere Seite haben als für Fleischesser ist ganz logisch.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Bienenkönigin hat geschrieben:
caain hat geschrieben:Vielleicht täusche ich mich da jetzt auch, aber es gibt eine Sache die mir echt negativ aufgefallen ist. Ich habe noch nie erlebt, dass ein Nicht-Vegetarier oder Nicht-Veganer irgendwelche Anstalten gemacht hat, weil er auf jemanden getroffen ist, der kein Fleisch ist. Umgekehrt habe ich leider schon öfters erlebt, dass Vegetarier oder Veganer über sogenannte Fleischfresser hergezogen sind. Andersherum ist mir das noch nie aufgefallen.

Das liegt aber einfach in der Natur der Sache. Fleischesser sind solche, die sich entweder keine oder wenig Gedanken darüber machen und vor allem, die ihre Bedürfnisse über die der Tiere stellen. Das ist Fakt, ohne Verurteilung. Vegetarier und Veganer haben sich mit der Materie auseinandergesetzt. Und was man dabei alles erfährt, ist unglaublich und es bricht einem das Herz. Ich kann gut verstehen, wenn man es dann nicht glauben kann, dass es nicht jedem das Herz bricht.


Das sehe ich gar nicht so. Erstens würde ich mal nicht behaupten, dass Fleischesser ihre Bedürfnisse über die der Tiere stellen. Denn genauso könnte man den Spieß ja auch umdrehen und behaupten Vegetarier oder Veganer stellen die Bedürfnisse der Tiere über die eines Menschen. Zweitens müsste man dann aber auch so konsequent sein und einfach mal weiter denken. Denn dann müsste man auch aufhören in die Umwelt einzugreifen. Wir dürften keine Straßen, Bahngleise und Wohnungen mehr bauen. Es dürften keine Flugzeuge mehr fliegen und der Verkehr auf den Meeren müsste eingestellt werden. Denn dadurch dringen wir ja bewusst in den Lebensraum der Tiere ein und verdrängen diese. Dennoch haben all diese Sachen nichts damit zu tun wie sehr einem das Herz blutet, wenn man erstmal hinter die Fassade blickt. Keine Frage.

Trotzdem bin ich der Meinung, dass billige und niveaulose Provokationen gar nichts bringen. Vielmehr muss eine Sensibilisierung stattfinden. Leuten müssen vernünftig aufgeklärt werden. Denn was ist denn schon einzuwenden gegen Tiere die aus einer vernünftigen Haltung kommen zum Beispiel von einem Bio-Bauernhof? Problematisch wird es doch erst bei Massenabfertigungen. Hier werden Tiere, Menschen und Umwelt gleichermaßen ausgebeutet.

Nur weil ich kein Fleisch esse bin ich kein besserer Mensch. Vegetarier fahren auch Auto und sind damit eine Belastung für die Umwelt. Oder kaufen Produkte aus nicht nachwachsenden Rohstoffen. Einige von denen trennen bestimmt nicht mal ihren Müll. Oder sie bringen ihr Plastikgeschirr mit zum Grillen. Ich will damit nur sagen, kein Mensch ist perfekt. Wir haben alle Dreck am Stecken. Bevor man also anfängt mit dem Finger auf andere zu zeigen, sollte man sich erstmal an die eigene Nase fassen.

» caain » Beiträge: 271 » Talkpoints: 35,48 » Auszeichnung für 100 Beiträge


caain hat geschrieben:Bevor man also anfängt mit dem Finger auf andere zu zeigen, sollte man sich erstmal an die eigene Nase fassen.

Das bezweifel ich ja gar nicht. Ich wollte nur erklären, warum eine Diskussion über das Für und Wider vom Fleischkonsum von einem Fleischesser ohne viele Emotionen geführt werden kann und warum ein Vegetarier da etwas in Rage geraten kann. Weil es für den einen keine bewusste Entscheidung ist und nichts, womit er sich groß beschäftigt. Und für den anderen ist es Bestandteil seines Lebens.

Das ist doch nicht anders, wenn sich ein Nicht-Fußball-Fan und ein Fan unterhalten. Der Nicht-Fan sagt einfach nur: "Ich interessiere mich einfach nicht dafür, wenn 22 Hansel hinter einem Ball herrennen." Und dann ist die Sache für ihn eigentlich gelaufen und er würde sich gerne interessanteren Gesprächsthemen widmen, mit denen er auch etwas anfangen kann. Der Fan allerdings ist "geschockt" und lässt einen Wortschwall los. Über Strategie, Taktik, elegante Fußarbeit, die Atmosphäre im Stadium, der Zusammenhalt der Fans und so weiter.

Natürlich ist das nicht immer so, wenn ein Nicht-Fan und ein Fan aufeinandertreffen. Aber oft. Für den einen ist es eine Nebensache, über die er sich keine Gedanken macht. Für den anderen ist es ein wichtiger Teil seines Lebens. Sie gehen also mit unterschiedlicher Anzahl an Emotionen in die Diskussion. Daher sind Fleischesser gelassener und machen keine Anstalten.

Über die Konsequenz von Vegetariern und ob sie nun ein Auto besitzen oder nicht, wollte ich gar nicht reden. Den Satz mit den Bedürfnissen nehme ich daher jetzt einfach mal zurück. Obwohl man bei manchen Veganern den Spieß durchaus umdrehen kann. Und es einige von ihnen glücklich machen würde, wenn wir keine Straßen mehr bauen würden etc. Aber das liegt doch gar nicht in ihren Händen.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


caain hat geschrieben:Ich habe noch nie erlebt, dass ein Nicht-Vegetarier oder Nicht-Veganer irgendwelche Anstalten gemacht hat, weil er auf jemanden getroffen ist, der kein Fleisch ist. Umgekehrt habe ich leider schon öfters erlebt, dass Vegetarier oder Veganer über sogenannte Fleischfresser hergezogen sind. Andersherum ist mir das noch nie aufgefallen.


Ich habe das aber schon erlebt, und zwar gar nicht mal so selten. Es gibt Leute, die auf Abweichungen von der "Norm" aggressiv reagieren. So gibt es natürlich auch Leute, die Vegetarier beschimpfen, ihnen andauernd vorwerfen, "krank" zu sein, und die die individuelle Entscheidung einiger Menschen, vegetarisch zu leben, einfach nicht akzeptieren wollen.

Ich weiß aus meiner Schulzeit noch, dass einige Vegetarier für ihre Ernährungsweise von Mitschülern immer wieder aufgezogen wurden. Einen Fall kenne ich sogar, bei dem ein Vegetarier direkt gemobbt wurde. Er bekam regelmäßig von Mitschülern morgens aus dem Internet ausgedruckte Bilder von toten Tieren, Schlachttieren mit abgezogener Haut, und so weiter, auf den Tisch gelegt, und wurde dann ausgelacht, weil er das schlimm fand. Und dann gibt es ja seitens nicht-vegetarischer Menschen auch solche, die Sprüche zum Besten geben wie "Vegetarier essen meinem Essen das Essen weg!" Von grenzenloser Toleranz der Nicht-Vegetarier kann also absolut nicht die Rede sein. Da gibt es auch genügend intolerante Leute, wie es unter Vegetariern eben auch tolerante und nicht tolerante gibt. Ob sie Fleisch essen oder nicht, Mensch bleibt Mensch, und da gibt es natürlich immer tolerantere und intolerantere Individuen.

Ich als Person, die kein Fleisch isst, habe übrigens auch kein Problem mit den meisten Mitmenschen, die Fleisch essen. Ich verstehe ihre Gründe nämlich auch irgendwie, und für mich ist es natürlich, dass Tiere eben andere Tiere fressen. Daher sehe ich es als meine private Entscheidung an, kein Fleisch zu essen. Andere Menschen können natürlich für sich selber entscheiden, was sie essen oder nicht essen wollen.

Irritiert werde ich höchstens von Personen, die ihren Fleischkonsum auf eine aus meiner Sicht für mich persönlich unverständliche Weise zeigen. So habe ich es schon erlebt, dass es Personen gibt, die beim Anblick eines Tieres immer nur überlegen, wie man es wohl zubereiten könnte. Dabei habe ich sogar schon so paradoxe Verhaltensweisen gesehen, dass beispielsweise jemand Lämmer auf einer Weide betrachtete, und im einen Satz noch sagte, wie süß und schön diese doch seien, um dann bloß als zweiten Satz dranzuhängen, dass Lamm doch mit diesen oder jenen Gewürzen so toll sei, und dass sie beim Anblick von den Tieren richtig Hunger bekämen. Aber ich glaube, hier schreckt mich einfach das Unverständnis über diese Denkweise ab. Das begreife ich bis heute übrigens nicht: Wie man etwas schön und sympathisch finden kann, dann aber keinerlei Skrupel hat, es zu töten.

Aber eigentlich waren wir hier ja ursprünglich gar nicht beim Thema Vegetarismus, sondern bei der Frage, ob man mit Personen, die die eigenen ethischen Ideale nicht teilen, eng befreundet sein kann, oder nicht. Und da würde ich bei mir persönlich sagen, dass Freunde nicht unbedingt alle meine Moralvorstellungen teilen müssen, es reicht, dass sie sie tolerieren, wie ich auch ihre toleriere. Aber es gibt darüber hinaus schon Richtlinien, die mir einfach so wichtig sind, dass ich Menschen, die diese in ihrem Leben völlig selbstverständlich brechen, einfach absolut nicht leiden kann. Ich versuche nicht, sie zu missionieren, aber in meinen Freundeskreis nehme ich sie definitiv auch nicht auf.

Ich finde auch nicht, dass das intolerant wäre, denn seine Freunde kann man sich nun einmal selber aussuchen, wie man das möchte. Außerdem gibt es meines Erachtens einfach Moralvorstellungen, die so essentiell sind, dass man Leute, die davon abweichen, unsympathisch findet. So würde ich mit jemandem, der andere Menschen ausraubt, nichts zu tun haben wollen. Ein Mensch, der zum Spaß Tiere quält, oder auch Menschen misshandelt, hat in meinem Freundeskreis auch nichts zu suchen. Rassismus ist bei mir auch ein striktes Ausschluss-Kriterium.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



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