Hörbücher sind bei Leseschwäche völlig falsch am Platz
Direkt verlernen wird man das Lesen eher nicht, denke ich. Dass die Leseleistung sich mit der Zeit verringert, wenn man das Lesen nicht gewohnt ist, halte ich aber schon für sehr gut möglich. Ebenso kann ich es logisch nachvollziehen, wenn die Sorge geäußert wird, dass Kinder, die gerade erst lesen lernen sollten, kaum mehr lesen, und sich daher auch kaum verbessern, weil Hörbücher eben viel bequemer sind.
Andererseits ist es ja eigentlich so, dass jedes beliebige Hobby als Konkurrenz zum Lesen gesehen werden könnte. Es sind ja nicht nur Hörbücher. Auch Filme und Computerspiele erzählen gewöhnlich Geschichten. Außerdem kann man seine Zeit natürlich auch Musik hörend verbringen. Ebenso kann man natürlich auch draußen sein, Sport machen, Musik selber machen, oder aber sich künstlerisch betätigen. Wobei das wohl Hobbies sind, die von Eltern eher nicht als negativ oder "sinnlos" betrachtet werden. Tatsache ist aber so oder so: Es gibt viel "Konkurrenz" zum Lesen. Aber diese Dinge gehören nun einmal zum Leben dazu. Ich halte es somit für schwierig, irgendeiner Sache die Schuld dafür zu geben, Kinder vom Lesen abzuhalten. Zumal es ja in dieser Welt auch genügend Menschen gibt, die durchaus viel und gut lesen, obwohl sie auch einen Computer, einen Fernseher und etliche andere Hobbies besitzen.
Was nun außerdem das "Verlernen" des Lesens, beziehungsweise das verringern der Lesefähigkeit betrifft, dadurch, dass man wenig liest, würde ich sagen, dass es einfach lesebegeisterte und weniger lesebegeisterte Menschen gibt. Wer gerne liest, liest auch trotz Hörbüchern und Filmen regelmäßig, weil es ihm einfach Spaß macht. Wer hingegen ungern liest, wird vermutlich auch ohne Hörbücher oder andere unliterarische Medien nicht freiwillig viel lesen. Es ist also eher vom Menschen selber abhängig, nicht davon, welche Medien ihm zu seiner Freizeitgestaltung zur Verfügung stehen.
Eine Leseschwäche stellt auf jeden Fall erst einmal eine geistige Behinderung dar. Wie hoch diese nun in der Praxis ausfällt können in der Regel eigentlich nur ausgebildete Spezialisten herausfinden, denn jede Person hat in der Hinsicht ganz andere Vorbedingungen. Mit zunehmenden Alter können sich sogar einige Verschlechterungen bilden, wenn man diese Schwäche nicht beobachtet oder behandeln lässt. Wenn dieser Personenkreis sehr wenig oder gar nicht mehr liest, ist eine erkennbare Verschlechterung ja schon fast vorprogrammiert.
Darüber, ob Legasthenie oder eine Lese-Rechtschreib-Schwäche geistige Behinderungen sind, oder nicht, streitet man sich noch. Wahr ist, dass die Lese-Rechtschreib-Schwäche gesetzlich mit Behinderungen auf eine Stufe gestellt wurde. Begründet wurde dies allerdings damit, dass nur so besondere Förderungen, auch von staatlicher Seite, durchsetzbar wären. Ob dieser Weg aber so korrekt ist, ist sehr strittig. Denn an sich, aus medizinischer Sicht, hat eine Lese-Rechtschreib-Schwäche nicht unbedingt etwas mit einer geistigen Behinderung gemein.
Die Lese-Rechtschreib-Schwäche entsteht nicht unbedingt aufgrund irgendeines Defektes im Gehirn. Sie tritt gewöhnlich auch bei völlig unauffälligen, "normalen" Gehirnen auf. Dass bei einigen geistigen Behinderungen auch die Lesefähigkeit eingeschränkt ist, zusammen mit verschiedenen anderen kognitiven Fähigkeiten, macht nicht den Umkehrschluss gültig, dass eine eingeschränkte Lesefähigkeit immer eine geistige Behinderung sei! Von daher kann man Deine Aussage, dass die Lese-Rechtschreib-Schwäche "auf jeden Fall" eine geistige Behinderung sei, auch schon einmal in Frage stellen.
Interessieren würde mich persönlich, wie Du Deine These, also, dass das definitiv eine kognitive Behinderung sei, begründest. Ich habe eben mal nachgelesen, laut medizinischem Diagnose-Schlüssel ICD-10 gilt die Lese-Rechtschreib-Schwäche als "Entwicklungsstörung schulischer Fähigkeiten" und befindet sich in der Kategorie "Psychische und Verhaltensstörungen". Eine Störung ist aber nicht identisch mit einer Behinderung. Es steht sogar ganz klar als Definitionsbasis geschrieben:
Es handelt sich um Störungen, bei denen die normalen Muster des Fertigkeitserwerbs von frühen Entwicklungstadien an gestört sind. Dies ist nicht einfach Folge eines Mangels an Gelegenheit zu lernen; es ist auch nicht allein als Folge einer Intelligenzminderung oder irgendeiner erworbenen Hirnschädigung oder -krankheit aufzufassen.
@karlchen66: Eine Leseschwäche ist doch keine geistige Behinderung. Wobei die Gründe dafür sehr vielfältig sind. Aber ich kann dir sagen, dass zumindest die meisten Kinder mit einer Lese-Rechtschreibschwäche auch einen hohen IQ haben, der ja bei den Tests auch eine Rolle spielt, um bei der endgültigen Diagnose sagen zu können, ob es eben nur eine sogenannte Teilleistungsschwäche ist oder ob es sich um eine allgemeine Lernschwäche handelt.
Aber solche Schwächen gelten noch lange nicht als geistige Behinderung. Soweit ich mich erinnere, hast du doch recht viel mit Menschen zu tun, die unter irgendeinem Defizit leiden. Daher wundere ich mich gerade, dass ausgerechnet du viele verschiedene Probleme in einen Topf wirfst ohne wirklich zu differenzieren.
@Punktedieb: Es ist eben auch eine Auslegung der zuständigen Versorgungsämter und bei uns gilt es als eine Behinderung, wenn die Leseschwäche sehr stark ausgeprägt ist. Das wird in der Regel mit 50 Prozent im Schwerbehindertenausweis vermerkt. Es wird sogar von einigen Fachärzten als eine Art der Persönlichkeitsstörung definiert. Du musst daher wirklich jede einzelne Leseschwäche genau analysieren, denn sogar einige Ursachen sind den Ärzten leider noch völlig unbekannt.
Wieso die Lese-Rechtschreib-Schwäche teilweise amtlich als Behinderung anerkannt wird, habe ich ja eigentlich schon in meinem letzten Beitrag geschrieben. Ich kann nur noch einmal wiederholen: Die Anerkennung erfolgte aus sozialen Gründen, nicht aus medizinischen. Eine Lese-Rechtschreib-Schwäche an sich stellt keine Behinderung im eigentlichen medizinischen Sinne dar. Dass die Lese-Rechtschreib-Schwäche im Alltag natürlich hinderlich wirkt, macht daraus noch keine Behinderung im medizinischen Sinne.
Dass Menschen, die bestimmte geistige Behinderungen haben, auch schlecht lesen und schreiben können, ist außerdem eine Problematik, die sich aus ihrer geistigen Behinderung welcher Art auch immer ergibt. Das ist aber nicht das, was man normalerweise als Lese-Rechtschreib-Schwäche bezeichnet. Das ist eine eigene Erkrankung, die deutlich definiert ist. Die Tatsache, dass einige geistig Behinderte schlecht oder gar nicht lesen und schreiben können, ist höchstens ein Symptom ihrer Behinderung, keine eigene Krankheit.
Dasselbe gilt nun für Dein neu hier eingebrachtes Schlagwort "Persönlichkeitsstörung". Auch diese Kategorie ist medizinisch eindeutig definiert. Die Lese-Rechtschreib-Schwäche gehört laut Diagnoseschlüsseln nicht in diese Kategorie, anders als beispielsweise die paranoide oder schizotypische Persönlichkeitsstörung, anders als histrionische oder dissoziale Persönlichkeitsstörung. Wenn Du dich mit diesen Störungen befasst hast, merkst Du, dass das eine völlig andere Art von psychischer Störung ist, als wenn jemand schwer das Lesen und Schreiben erlernt. Also die Lese-Rechtschreib-Schwäche passt da absolut nicht hinein.
Was nicht heißt, dass jemand, der an einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung leidet, nicht vielleicht auch das Lesen und Schreiben aus lauter Hemmung und Angst möglicherweise nicht erlernt. Aber da ist die Persönlichkeitsstörung dann eben die ängstlich-vermeidende, und nicht die Lese-Rechtschreib-Schwäche. Die ist, wie bei den oben schon genannten kognitiven Behinderungen, nur ein Symptom beziehungsweise eine Auswirkung der anderen Erkrankung. Das sollte hier mal deutlich differenziert werden.
karlchen66 hat geschrieben:Welcher Personenkreis sollte eurer Meinung nach Hörbücher benutzen?
Ich denke nicht, dass man in diesem Fall davon sprechen sollte, dass man Hörbücher benutzen soll. Diese sind doch ein Unterhaltungsmedium und kein Lernersatz. Ich benutze Hörbücher zum Beispiel in der Bahn. Zum Lesen lernen sind die nicht geeignet, genausowenig, wie Zuhören, wie andere sprechen, dazu beiträgt, dass man lesen kann.
KatieMcGee hat geschrieben:karlchen66 hat geschrieben:Welcher Personenkreis sollte eurer Meinung nach Hörbücher benutzen?
Ich denke nicht, dass man in diesem Fall davon sprechen sollte, dass man Hörbücher benutzen soll. Diese sind doch ein Unterhaltungsmedium und kein Lernersatz. Ich benutze Hörbücher zum Beispiel in der Bahn. Zum Lesen lernen sind die nicht geeignet, genausowenig, wie Zuhören, wie andere sprechen, dazu beiträgt, dass man lesen kann.
Ja aber wenn man ein Hörbuch verwendet, benutzt man es doch oder nicht. Auch das mit dem Lernsatz stimmt so nicht, denn es gibt beispielsweise schon ein kleinen Satz an Lehrbücher schon als Hörbuch. Als ein Beispiel will ich nur einmal die Bibel als Hörbuch nennen, denn dieses Exemplar gibt es als Hörbuch in mindestens 12 Varianten.
Natürlich "benutzt" man ein Hörbuch, wenn man es hört. Man benutzt es zur Unterhaltung, zur Ablenkung, weil man eine Geschichte hören oder sich, wie beispielsweise auch bei Radio-Meldungen, über irgendetwas informieren möchte.
Als wirkliche Lehrbücher sind Hörbücher aber wohl eher etwas schlechter geeignet, denn bei solchen Angelegenheiten ist es gut, den Text auch noch vor Augen zu haben, bei Unverständnis auch mehrfach lesen zu können, und vielleicht auch ab und zu ein paar Seiten vor und zurück blättern zu können, wenn man schnell noch einmal etwas nachschlagen möchte. Ich wüsste ehrlich gesagt auch nichts von wirklichen Lehrbüchern, die es nur als Hörbuch gäbe, oder von denen Hörbuch-Versionen üblich wären.
Die Bibel gehört meines Erachtens nicht dazu, denn die hören sich viele Leute auch so an, wie einen Roman oder eine Märchengeschichte. Da geht es nicht um das präzise Auswendiglernen von irgendwelchen Fakten, sondern man hört sich halt die Geschichten an. Dass man sich die Geschichten möglicherweise auch merkt, würde ich nicht als richtiges Lernen bezeichnen. Das geschieht einfach und ist völlig normal. Wenn man ein Hörspiel hört, hat man ja auch die Geschichte und die Charaktere irgendwann im Gedächtnis. Wenn einem jemand etwas erzählt, kann man sich daran danach auch erinnern. Wäre ja schlimm, wenn nicht. Aber als gezieltes Lernen kann man das nun wirklich nicht bezeichnen, und solche Hörbücher daher auch nicht als richtige Lehrbücher.
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