Täglich 10 Euro für Arbeit, zu viel für Häftling oder nicht?
Früher haben die Häftlinge in Berlin Tegel seit über 100 Jahren nur ihre eigene Kleidung genäht, die im Gefängnis getragen wurde. Nun geht man einen anderen Weg und näht für die Welt hinter den Gefängnismauern. Die Kleidung scheint gut und haltbar zu sein. Sie wird in eigenen Shops verkauft. Nicht nur die Kleidung sorgt dafür, dass sie sich von dem Erlös ein angenehmeres Leben leisten können, sondern sie fertigen auch Haushaltsgegenstände an. Hinzu kommen noch Vogelhäuser, Meerschweinchenhütten, Kabelbäume und mehr. Von dem Erlös erhalten sie 10 Euro pro Tag.
Findet ihr es gut, dass sie sich mit 10 Euro täglich auch mal etwas nebenher leisten können, falls sie arbeiten? Oder meint ihr, sie sollten zwar arbeiten, aber weniger Geld erhalten?
Ich finde, dass jemand der arbeitet auch angemessen dafür entlohnt werden sollte. Das gilt meines Erachtens auch grundsätzlich für Häftlinge. Da ist für mich dann die Frage, was mit den Erlösen grundsätzlich passiert. Geht der Mehrerlös einem wohltätigen Zweck zu, finde ich es in Ordnung wenn diejenigen weniger verdienen, wobei ich 10 Euro pro Tag dann trotz allem eher als sehr wenig empfinde.
Dass Häftlinge arbeiten müssen, ist gesetzlich geregelt (§ 41 StVollzG). Sie sind dazu verpflichtet. Ob 10 Euro genug sind oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Es ist wahrscheinlich eine Gratwanderung zwischen Motivation und Kostenbeteiligung an der Haftunterbringung. Die Häftlinge dürfen nur einen Teil davon behalten. Mehr als die Hälfte wird für den Tag der Entlassung einbehalten.
10 €? Also ich empfinde das schon als ziemlich wenig, für jemanden, der einen ganzen Tag arbeitet. Auf der anderen Seite muss man eben mal sehen, dass auch Kosten entstehen, wenn man im Gefängnis sitzt und man so vielleicht ein bisschen Geld wieder herein holt. Normalerweise würde man schon sagen, dass 10 Euro für einen ganzen Tag zu wenig sind und mir kommt es auch zu wenig vor, aber ich kenne mich dabei auch nicht aus. Außerhalb vom Knast gibt es aber auch ungelernte Menschen, die 10 Euro pro Stunde bekommen und wenn die Insassen sich auch noch etwas davon kaufen wollen, erscheint mir das wenig.
Ich denke auch, dass man hier wohl abwägen muss. Auf der einen Seite kann man den Häftlingen nicht zu wenig zahlen, weil viele sonst vielleicht gar nicht mehr oder zumindest nicht mehr besonders motiviert in der Gefängnis-Werkstatt arbeiten würden. Auf der anderen Seite muss es auch nicht zu viel sein, denn schließlich handelt es sich um Häftlinge, die nun auch recht hohe Kosten verursachen und darüber hinaus auch selbst geringe Ausgaben haben, solange sie in Haft sitzen.
Sinnvoll ist es natürlich, wenn die Umsätze, die durch den Verkauf der von den Häftlingen produzierten Waren entstehen, über den Ausgaben für den Häftlingslohn liegen. Das wird bei zehn Euro am Tag aber vermutlich der Fall sein. Ich finde den Lohn auch nicht zu niedrig für den Häftling und würde die zehn Euro am Tag nun nicht mit dem Lohn eines normalen Arbeitnehmers vergleichen. Ein Arbeitnehmer, der in Freiheit lebt und arbeitet, muss von seinem Lohn diverse Ausgaben bezahlen, die auf den Häftling nicht zukommen. Für die Ausgaben, die im Gefängnis vielleicht mal anfallen, ist das Geld wohl mehr als ausreichend, selbst wenn ein größerer Teil davon für die Zeit nach der Haft gespart wird.
Ganz theoretisch gesprochen wäre es schon gut, wenn ein Häftling nicht nur ein wenig Geld für kleine persönliche Ausgaben während des Gefängnisaufenthalts verdienen könnte, sondern vielleicht auch ein bisschen, das dann erst einmal ein Polster darstellt, wenn er wieder aus dem Gefängnis entlassen wird. Oftmals sind die Häftlinge dann ja erst einmal arbeitslos, und wenn es möglich wäre, dass sie sich dann dennoch erst einmal eine kurze Zeit über Wasser halten könnten, ohne, dass sie sofort zu Arbeitslosengeld-Empfängern werden, wäre das schon wünschenswert, finde ich.
Ich habe so eine Äußerung schon einmal in einer ähnlichen Diskussion gemacht, und erntete damit teilweise Unverständnis. Oft hieß es, diese Leute seien doch Straftäter, sie sollten doch keinen Vorteil durch ihre Haft erhalten. Vorteil insofern, als dass sie während der Haft kaum Geld zahlen mussten, und im Nachhinein noch welches extra zur Verfügung hätten. Andererseits sind in der Theorie die Häftlinge ja auch resozialisiert, wenn sie entlassen werden. Dann sollte es eigentlich keine Gründe geben, wieso man noch abwertend über sie denkt und ihnen keinen Zugewinn gönnt. Ein nicht resozialisierter Häftling sollte eigentlich auch nicht wieder in die Freizeit entlassen werden können. Aber in der Praxis sieht es natürlich leider anders aus.
Wobei das eigentlich etwas Fragwürdige an dieser Sache mit der Mode, die durch Häftlinge in Berlin-Tegel hergestellt wird, meiner Ansicht nach sowieso ist, welche Diskrepanz zwischen der Bezahlung der Häftlinge und zwischen den Kosten, für die diese Kleidungsstücke verkauft werden, liegt. Die Marke heißt "Haeftling Jailwear", dieser Name wird auch überall als Label auf den Kleidern angebracht. Offiziell stellt sich die Marke als Hersteller von "Premium Street and Work Wear" dar.
Ich wollte gerade mal auf der offiziellen Seite der Marke nachsehen, die ich schon vor Jahren einmal aufgerufen hatte, denn es gab sie jetzt schon einige Jahre. Aber nun sehe ich gerade, dass die Internetseite gar nicht mehr existiert. Also gibt es das Unternehmen überhaupt noch? Wie dem aber auch sei, die Preise waren, sofern ich mich erinnern kann, relativ hoch. Es war eben Mode. Und ein wenig seltsam finde ich es schon, dass der Arbeiter bloß 10 Euro am Tag erhält, während so ein von ihm hergestelltes Kleidungsstück dann für ein Vielfaches verkauft wurde. Aber so ist es wohl meistens bei Mode. Der einfache Arbeiter, der eigentlich die meiste Arbeit macht, bekommt vom Kuchen fast immer das Wenigste ab.
Eine letzte Anmerkung noch: Dass in Gefängnissen nicht nur gefängnisinterne Tätigkeiten durchgeführt werden, ist so neu gar nicht. Das gab es auch vor dieser Mode-Sache schon. So befand sich im Gefängnis Tegel eine der größten Buchbindereien der Region. Ich kann mich noch erinnern, dass an meiner Grundschule in den 1990er Jahren oftmals Kartons mit der Aufschrift "JVA Tegel" eintrafen. Darinnen waren immer alte Bücher, deren Bindung repariert worden war, offenbar im Gefängnis Tegel.
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