Trifft uns eine neue Welle der Internetskepsis?

vom 25.11.2013, 10:27 Uhr

Vor ein paar Tagen lief ich in Berlin an so einem Infoscreen vorbei. Dort wurde eine Wirtschaftszeitschrift beworben. Leider habe ich auf die Schnelle, bis der Zug einfuhr, nicht erkennen können, um welche es sich handelte. Auf jeden Fall hatte die beworbene Zeitschrift sinngemäß als Schlagzeile auf dem Titelblatt stehen, dass sich mittlerweile einige Firmen von dem Kommunikationsmittel eMail im Businessbereich zurück ziehen. Was genau hinter dieser Meldung steckt, weiß ich nicht, da man den Artikel natürlich nicht zu lesen bekam.

Einige Professoren an der Uni antworten schon gar nicht mehr auf die eMails ihrer Studenten. Manche lassen diese nur noch durch ihre wissenschaftlichen Mitarbeiter beantworten, da sie mit der Flut an elektronischen Schreiben nach deren Angaben so viel Zeit verbrennen, dass sie mittlerweile einen Fluch in den eMails sehen. Natürlich sind das nicht alle. Aber vor einiger Zeit hat man solche Töne noch nicht so deutlich gehört.

Einzelne Firmen versuchen nun auch wieder, ihre Waren teils eher über Händler vor Ort zu verkaufen und den Vertrieb über das Internet zu beschränken oder sogar ganz zu beenden. Die Outdoormarke Deuter und der Sportartikelhersteller Adidas sind Beispiele für diese Entwicklung, die möglicherweise ein Trend werden könnte. klick

Die Unternehmen, die in dem verlinkten Artikel genannt werden, haben Gründe, die ich einfach nachvollziehen kann. Das billige verramschen von Markenartikeln hat wohl nicht nur große Umsatzvolumina zur Folge, sondern auch ein Verramschen des Nimbus der Marke. Während man im Fachhandel vielleicht mehrere Produkte befühlt oder anprobiert, bis man dasjenige gefunden hat, das einem am besten passt, greift man im Internet schnell zu vermeintlich größten Schnäppchen. Dank mangelnder Beratung kommen so mehr Fehlkäufe zu Stande, als im Fachhandel. Und wer von uns kennt das nicht, dass die online bestellte Ware letztlich doch nicht ganz so war, wie man es sich erwartet hat?

Ich frage mich, ob diese Firmen Einzelfälle bleiben werden, oder ob wir da gerade den Anfang eines Trends sehen, der über die nächsten Jahre zunehmen wird. Wie seht ihr das? Werdet ihr oder werden die Menschen um euch nach eurer Meinung zunehmend skeptischer gegenüber dem Internet? Oder werden da Nichtigkeiten für eine Schlagzeile aufgebauscht, die eigentlich kaum der Rede wert sind? Hat eurer Meinung nach das Internet, so wie wir es momentan kennen schon die beste Zeit hinter sich? Oder deutet sich einfach nur der Bedarf nach einer Überarbeitung der Mechanismen an?

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Die Sache mit den Mails verstehe ich total. Eine Mail ist ja heute kostenlos und schnell geschrieben und erhebt den Anspruch, dass sie auch schnell beantwortet wird, da sie ein schneller Kommunikationsweg ist. Im Vergleich zitiere ich eine Kollegin, die seit einiger Zeit in Rente war: "Früher hat man erst Mal einen Brief geschrieben und dann war drei Wochen Ruhe". Schreibt man heute eine Mail, schreibt man nach zwei Stunden schon die zweite, falls keine Antwort eingegangen ist. Außerdem habe ich festgestellt, dass häufig eine Mail an einen Kundenservice vertane Zeit ist, weil sie nicht überall angemessen beantwortet wird. Das Medium ist einfach ein wenig beliebig und substanzlos.

Was die andere Sache betrifft, gebe ich dem Internet nur eine Teilschuld. Die Geiz-ist-Geil-Mentalität ist schon früher entstanden, das Internet hat nur geholfen, weil es die optimale Plattform bietet. Ich denke wir sind momentan schon in einer Phase den Umdenkens, aber eine Trendwende halte ich nicht für absehbar. Heute Erkennen viele, dass Internet zwar bedeutet, dass vieles schneller geht und von zu Hause aus, dass man aber auch viel mehr selbst machen muss. Man muss vielleicht nicht für alles von A nach B fahren, dafür hockt man mit seinen Problemen allein vor irgendeinem Onlineformular und im Endeffekt ist man dann auch nicht schneller fertig oder die Druckerpatrone ist alle.

Auf der anderen Seite bringt das Erkennen ja auch nichts, wenn die stationären Alternativen nicht mehr da sind. So müsste ich um beim Beispiel Druckerpatrone zu bleiben, schon wieder in eine der Nachbarstädte fahren, weil es kein Geschäft dafür gibt. Andere Produkte finde ich offline überhaupt nicht mehr.

Was die beste Zeit des Internets betrifft, ist diese für meine Begriffe vorbei. Gerade was heute die Sicherheitsprobleme betrifft, wird es dann doch immer komplizierter und irgendwo habe ich immer mehr den Eindruck, dass zunehmend und ohne Verständnis herum reglementiert wird.

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» Bellikowski » Beiträge: 7700 » Talkpoints: 16,89 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Das mit den kostenlosen eMails bringt in der Tat auch privat immer wieder Probleme mit. Stichwort: Eskalierende Expartner. Ich kenne da so manche Frau deren enttäuschter Ex sie mit einer Flut an eMails überrollt hat. Es kostet ja nichts und probieren kann man es ja. Aber ich kann mir nur schwer vorstellen, dass so viele Leute früher mit der guten alten Schneckenpost Expartner drangsaliert haben, indem sie ihnen in wenigen Tagen und Wochen eine Anzahl Briefe geschrieben haben, die im dreistelligen Bereich liegt.

Wenn man Berichte von Mitarbeitern aus Firmen hört, die sich hauptsächlich um Kundenservice kümmern, dann ist es auch da sehr beliebt, lieber mal eine eMail zu viel als zu wenig zu schreiben. Welche Folgen das hat, wenn das viele machen, das machen sich leider nicht allzu viele klar. Man denkt, man sei schneller dadurch. Aber dass man damit eigentlich den ganzen Verkehr aufhält und die Prozedur der Bearbeitung insgesamt total verlangsamt, das wird so schnell verdrängt.

Während ich vor Jahren meine ersten Werbeemails noch mit Begeisterung gelesen habe, landet bei mir mittlerweile unheimlich viel im Spamfilter. Irgendwie scheinen das die Firmen erkannt zu haben. Ich persönlich habe den Eindruck, dass mittlerweile wieder mehr Werbung in Papierform in meinem realen Briefkasten am Hauseingang landet. Nicht, dass ich da nicht auch das meiste unbesehen oder nur grob und uninteressiert überflogen wegwerfe. Aber mittlerweile hat gedruckte Werbung ja schon fast einen wertigen Eindruck im Vergleich zu Werbemails.

Das Reglementieren finde ich auch in mancherlei Hinsicht fragwürdig. Wir haben zwar das Glück, hierzulande vergleichsweise freien Zugang zu Informationen zu haben, aber trotzdem hat sich hier manches gewandelt. Am Anfang kann ich mich noch an die Aufbruchsstimmung im Internet erinnern, die Welt zum positiven hin zu revolutionieren. Mittlerweile hat man fast den Eindruck, dass man im Internet weit mehr aufpassen muss, als im realen Leben offline. Und irgendwo ist der Versuch das Internet durch Vorschriften zu verbessern ja nachvollziehbar. Aber je mehr Vorschriften vorhanden waren, desto cleverer wurden auch die Betrüger. Vom Ursprünglichen Geist ist irgendwie nur noch so wenig übrig geblieben.

Irgendwie fing für mich das Internet an Qualität einzubüßen, als die 2.0 Welle anfing zu Rollen. Spaß und Spiel um jeden Preis. Das Internet ist in vielen Teilen einfach albern und ohne echten Nutzen geworden. Zudem vermehrt sich der redundante Informationsballast jeden Tag um erschreckende Maße. Ich frage mich, was künftige Generationen von Historikern mal über das Internet unserer Tage sagen werden.

Um keinen falschen Eindruck zu erwecken: Ich mag das Internet und bin damit groß geworden. Gerade deshalb stimmt es mich nachdenklich, wenn ich sehe, wo gerade die Reise hingeht.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Ich würde das gar nicht unbedingt als Skepsis bezeichnen sondern eher als eine Art erwachsen werden des Mediums. Ein Unternehmen merkt mit der Zeit vielleicht einfach, dass Mails in bestimmten Bereichen nicht sonderlich effektiv sind, weil man gewisse Sachverhalte mit einem Gespräch besser und schneller klären kann. Oder ein Händler merkt, dass der online Handel nicht so lukrativ ist wie gedacht und Probleme mit sich bringt, an die er vorher nicht gedacht hat, Stichwort Kaufsüchtige, die den gratis Rückversand extrem ausnutzen.

Die meisten, die sich ein Stück weit aus dem Netz zurückziehen, werden sicher nicht denken, dass das Internet schlecht ist, sie werden einfach für sich die Erfahrung gemacht haben, dass man nicht alles mitmachen muss, was möglich ist. Dass man die Lösungen finden muss, die am besten zum eigenen Unternehmen passen und die meisten Vorteile bringen.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



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