Sollte man Wahl- und Politikverdrossenheit 'bekämpfen'?

vom 20.11.2013, 00:52 Uhr

Ich verfolge immer die aktuelle politische Lage sehr genau, da ich selber auch engagiert bin. Aber darum soll es mir jetzt gar nicht gehen. Ich höre aber seit der Bundestagswahl diesen September immer mehr Stimmen laut werden, die ein WahlPFLICHT fordern.

Was haltet ihr davon? Sollte man die allgemein anherrschende Politverdrossenheit gewaltsam abwenden oder seht ihr darin die Freiheit der Menschen bestritten? Was seht ihr für Gefahren darin?

Weiterführende Ideen meinen, dass man Strafen einführt, wenn man nicht wählt. Eine weitere Gruppe meint, dass man die Möglichkeit hat "Keine Partei" anzukreuzen. Ganz einfach, um die Leute prinzipiell dazu zu bringen ins Wahllokal zu gehen.

» MaxRajas » Beiträge: 16 » Talkpoints: 0,51 »



Gegen Politikverdrossenheit etwas zu unternehmen, fände ich an sich schon wichtig. Es ist ganz einfach so, dass bestimmte politische Kenntnisse über das Land, in dem man lebt, zum Allgemeinwissen gehören sollten. Und wie sollen Menschen Dinge beurteilen können, wenn sie kein Hintergrundwissen haben? Einige Kenntnisse müssen einfach vorhanden sein. Sonst werden Politiker in Zukunft möglicherweise nach ihrer Frisur gewählt oder aber, es wählen nur noch einige wenige Extremisten, und das wäre für dieses Land fatal.

Ob eine Wahlpflicht, die dann durch die Androhung von Strafen durchgesetzt werden soll, eine gute Lösung ist, wage ich aber sehr zu bezweifeln. Wenn die Leute nur aus Zwang wählen gehen, damit sie keine Geldstrafe zahlen müssen, dann bringt das doch auch nichts, wenn keine politischen Kenntnisse vorhanden sind. Sollen die Menschen dann einfach in die Wahlkabine gehen und irgendwo ein Kreuzchen wählen, völlig ohne Ahnung zu haben, wen sie gerade wählen? Dann aber gute Nacht. Hintergrundwissen muss einfach vorhanden sein, dieses zu vermitteln sollte der erste Ansatz sein, und nicht etwa einfach eine Wahlpflicht unter Strafe.

Abgesehen davon sollte es in einer Demokratie natürlich auch möglich sein, nicht zu wählen, wenn man sich bewusst dafür entscheidet. Ebenso sollte man seinen Stimmzettel natürlich auch weiterhin ungültig machen können. Es ist sowieso, was dies betrifft, "gut", dass es hier noch Wahlzettel gibt, und dass man nicht, wie in einigen anderen Ländern, per Knopfdruck auf ein Gerät wählen muss. Denn bei diesen Geräten kann man nur eindeutig wählen, Fehleingaben kann man aus technischen Gründen gar nicht machen und sich daher auch nicht der Stimme enthalten oder aber einfach seine Stimme ungültig machen.

Außerdem sehe ich noch das Problem, dass Strafen im Falle eines Nicht-Wählens die Anonymität der Wahl einschränken würde. Bisher weiß man zwar, aufgrund der fehlenden Stimmzettel, wie viele Leute nicht wählen waren, aber man weiß nicht, um wen es sich dabei handelt. Würde man nun aber Nicht-Wähler bestrafen wollen, müsste man die Personalien dieser Leute aufnehmen. So wüsste man, wer wählen ging und wer nicht. Das geht gegen die Anonymität, die ich für sehr wichtig halte. Ebenso könnte es übrigens, sofern die Namen der Nicht-Wähler öffentlich bekannt sind, zu weiteren Sanktionen gegenüber diesen Leuten kommen, nämlich, wenn beispielsweise der Arbeitgeber oder die Verwandtschaft vom Nicht-Wählen erfährt und sich daraufhin negativ gegenüber dem Nicht-Wähler verhält.

Abgesehen davon sehe ich auch noch die Schwierigkeit, dass die Strafen bei Nichtwählen auch oftmals Personen treffen könnten, die eigentlich nichts für ihr Nichtwählen können. Möglicherweise hatten diese Leute an dem Tag der Wahl einen Pflichttermin, oder sie sind erkrankt oder körperbehindert und konnten deswegen nicht ins Wahllokal kommen. Ja, natürlich gibt es die Briefwahl. Aber bisher sind bei jeder Wahl massenhaft Briefwahlunterlagen verschwunden oder aber, sie kamen gar nicht erst beim Wähler an. Soll man diese Leute dann, obwohl sie wählen wollten, bestrafen, für etwas, wofür sie nichts können? Dass Wahlunterlagen verschwinden, ist kein seltener Einzelfall. Bei der letzten Wahl betraf das übrigens 100.000 Wahlbriefe, die einfach "verschwanden". Und das ist nur die offizielle Zahl. Nicht jeder dürfte sich beschwert haben, weil die angeforderten Briefwahlunterlagen bei ihm nie ankamen.

Übrigens finde ich auch die Idee, dass man auf dem Wahlzettel "Keine Partei" ankreuzen dürfen sollte, etwas unausgereift. Was soll denn das bringen, wenn man so dennoch keine Stimme erhält, obwohl die Person zur Wahlurne ging? Bei der Bekämpfung der Wahlverdrossenheit geht es ja wohl eher darum, dass mehr Menschen eine gültige Stimme abgeben, nicht, dass sie Papier in einen quadratischen Kasten werfen. Abgesehen davon würden sich wohl viele Menschen bei so einer Option nur fragen, wieso sie denn den Weg zum Wahllokal gehen sollten, wenn sie danach sowieso für nichts so richtig stimmen. Das wird die Politikverdrossenheit ja wohl kaum reduzieren, sondern die Wahl in den Augen mancher Leute vielleicht sogar noch sinnloser erscheinen lassen.

Benutzeravatar

» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^