Eintrittsgeld zur Besichtigung von Kirchen zahlen?
Ich war vor einigen Jahren in meinem Sommer-Urlaub in einigen katholischen Kirchen in Würzburg, bei denen touristisch viel los war. Gerade die Wallfahrtskirche "Käppele" ist immer sehr voll gewesen. Ebenso war ich, das fällt mir jetzt wieder ein, auch einmal in der Wallfahrtskirche von Walldürn. Auch dort gab es schon einige Touristen, die vorbeikamen, wenn auch nicht in dem riesigen Umfang wie in Würzburg. Übrigens wurde dort nirgends ein Eintrittsgeld verlangt.
Es gibt an sich übrigens durchaus katholische Gotteshäuser, die sehr bekannt sind und auch gerne von Touristen besucht werden. Dazu zählen zum Beispiel die Domkirchen von Speyer, Bamberg, Mainz, Freiburg und Hildesheim, außerdem die Hofkirche in Dresden und St. Hedwig in Berlin. Die Frauenkirche in München wäre da auch noch. Meines Wissens ist bei diesen Kirchen überall der Eintritt frei, in der St.-Hedwigs-Kathedrale kann man sogar kostenlose Kirchenmusik-Konzerte besuchen, bei denen nur eine Spende erbeten wird.
Soeben stieß ich auf die Erwähnung unserer Kirche St. Nikolai zu Stralsund in diesem Forum. Ich bin Pastor an dieser Kirche und möchte unsere Situation sozusagen aus erster Hand darstellen. Leider fragt man uns viel zu selten über unsere Beweggründe. Übrigens betrift die Frage eines "Eintritts" auch katholische Kirchen. Im Süden Spaniens ist das verbreitet, in Venedig erheben 17 Kirchen eine solche Gebühr.
Die Kirche St. Nikolai gehört vor allem wegen ihrer reichen, im Mittelalter beginnenden Ausstattung zu den bedeutendsten Kirchen Nordeuropas. Geschaffen über viele Generationen von nahezu allen Bürgern dieser Stadt, ist die Bewahrung dieses Kulturschatzes heute aber einigen wenigen Menschen und ihren bescheidenen Mitteln auferlegt. Die Kirchengemeinde St. Nikolai ist sich bewusst, welch große kulturelle Verantwortung sie von den früheren Generationen übernommen hat. Seit Jahrzehnten versucht sie daher mit großem finanziellem und personellem Einsatz, die Kirche und ihr einzigartiges Inventar zu restaurieren und zu erhalten. Dabei sind ihr vor allem namhafte Stiftungen, allen voran die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, und der Förderverein St. Nikolai verlässliche Partner. Doch bei jeder Förderung kommt in der Regel ein erheblicher Eigenanteil auf die Gemeinde zu.
Dazu kommen die Kosten für die Öffnung der Kirche. In den Sommermonaten ist die Kirche 10 Stunden pro Tag durchgängig geöffnet, im Winter finden hier sinnvolle Einschränkungen statt. Die Besucherfrequenz und das touristische Interesse erfordern ganzjährig die Anwesenheit gemeindlicher Mitarbeiter/innen, erhöhte Reinigungsanstrengungen und Sachausgaben, zum Beispiel im Energiebereich.
Schließlich erfordern die zahlreichen Veranstaltungen - neben den Gottesdiensten vor allem die Vielzahl hochwertiger kirchenmusikalischer Angebote - Ausgaben im Personal- und Sachbereich, die nicht unerheblich sind. Hier gibt es für die Gemeinde so gut wie keine Unterstützung, obwohl die Gemeinde mit diesen Angeboten einen beträchtlichen und sehr qualitätsvollen Beitrag zum kulturellen Leben unserer Stadt und der Region leistet.
Über viele Jahre bat die Gemeinde die Besucher/innen unserer Kirche um einen freiwilligen, in das Ermes-sen des Einzelnen gestellten Beitrag. Erhebungen im April 2007 ergaben, dass dieser Beitrag pro Besucher/in bei durchschnittlich 33 Cent lag. Mit diesen Einnahmen sind die Eigenmittel der Gemeinde für die Bereiche der Restaurierung und Erhaltung, der Kirchenöffnung und der Veranstaltungen nicht annähernd zu finanzieren
Es kann aber nicht Hauptaufgabe einer Kirchengemeinde sein, ihr Kirchgebäude zu unterhalten. Die Verkündigung und Seelsorge, die Arbeit mit Kindern, Familien und alten Menschen und ein vielfältiges Engagement im sozialen Bereich werden in unserer Gemeinde als vordringlich angesehen. Dies ist nicht leistbar, wenn beträchtliche Mittel der Kirchenkasse für die Erhaltung des Kirchgebäudes auszugeben sind. Trotzdem wollen wir unsere Verantwortung für die uns liebgewordene Kirche St. Nikolai wahrnehmen.
Die Gemeindeleitung hat vor diesem dramatischen Hintergrund beschlossen, von den Touristen, die St. Nikolai besichtigen möchten, einen maßvollen Erhaltungsbeitrag zu erheben. Ab dem 16. Juli 2007 leisten volljährige Touristen mit 2.- € ihren persönlichen Beitrag zum Erhalt und zur Öffnung der Kirche. Kinder und Jugendliche sind von diesem Beitrag bewusst ausgenommen, um einen Kontakt der jungen Menschen mit einem so besonderen Kirchenraum nicht zu erschweren. Wer die Kirche aus einem geistlichen Anliegen betreten möchte, betritt sie ohne Erhaltungsbeitrag. Ebenso Menschen, die den Beitrag auf Grund ihrer finanziellen Situation nicht leisten können. Für die Teilnahme an Gottesdiensten, Andachten und den anderen Veranstaltungen und generell an Sonn- und kirchlichen Feiertagen wird selbstverständlich kein Erhaltungsbeitrag erhoben.
In den Monaten Juni bis September wird täglich - außer sonn- und feiertags - um 12.30 Uhr und 15 Uhr zu einer Kirchenführung eingeladen. Die Teilnahme hieran ist für die Besucher/innen unserer Kirche unentgeltlich.
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