Freunden verzeihen, die einen für STASI ausspionierten?

Letztens sah ich ein sehr spannendes Interview in der Sendung "Markus Lanz" mit Kathrin Sass. Darin sprach sie darüber, dass ihre langjährige beste Freundin jahrelang Informationen über Sass und ihr Leben an die STASI als Inoffizielle Mitarbeiterin (IM) weitergegeben habe. Sie (Sass) würde normalerweise jedem eine zweite Chance geben, aber in diesem Fall sei das etwas anderes, das könne sie nicht verzeihen. Auch die anderen Mitglieder der Talkrunde waren sich einig: Es sei etwas anderes, wenn jemand von der STASI gezwungen worden sei und absolut keine Wahl gehabt hätte (zum Beispiel aufgrund der Drohung mit einem Gefängnisaufenthalt, sollte man sich weigern, für die STASI zu arbeiten). Einen Freund aber ohne Not auszuspionieren sei absolut nicht zu verzeihen.

Ich muss sagen, dass ich selbst mir nicht sicher bin, ob ich einem Freund, der massiv unter Druck gesetzt worden wäre, so etwas wirklich verzeihen könnte. Natürlich kann man sich in die Situation hineinversetzen und Verständnis aufbringen. Ich würde mich auch nicht verurteilend auf's hohe Ross setzen wollen - wer kann schon mit Sicherheit von sich selbst sagen, wie er in einer solchen Extremsituation reagieren würde?? Aber für mich persönlich wäre wohl trotz allem das Vertrauen in diese Person so zerstört, dass ich bezweifle, es wieder aufbauen zu können.

Wie steht ihr zu diesem Thema? Könntet ihr ein derartiges "Ausspitzeln" einem Freund verzeihen? Könntet ihr die Freundschaft mehr oder weniger wie zuvor weiterführen? Von welchen Faktoren/Umständen würde das für euch persönlich abhängen?

Wenn ich in der DDR gelebt hätte und wäre von meiner besten Freundin ausspioniert worden, dann könnte ich ihr das mit ziemlicher Sicherheit nicht verzeihen. Der schlimmste Fall, den ich mir vorstellen kann, ist der, dass großer Druck unter Beeinziehung der Familie ausgeübt wird. Selbst dann könnte man das einer Freundin erzählen und man könnte vielleicht gemeinsam planen, wie man das mit möglichst wenig Schaden für beide hinbekommt. Ich kann mich zwar in eine solche Lage nicht wirklich hineinversetzen, aber es gäbe vielleicht die Möglichkeit, mit Einverständnis der Freundin nur harmlose Dinge zu verraten und so zu tun, als hätte man von schwerer wiegenden nichts mitbekommen.

Aber nach einem wirklichen Verrat ein Vertrauen wieder herzustellen, halte ich für unmöglich. Und Vertrauen ist ja die Grundvoraussetzung für eine wirkliche Freundschaft.

Ich kann mich wirklich nicht in so eine Situation einfühlen. Immerhin wurde ich 1989 geboren und habe daher nichts mehr von der DDR mitbekommen. Es ist auch so eine Sache, ob man sich im Nachhinein noch damit beschäftigen sollte, von wem man da ausspioniert wurde. Ich denke, dass so etwas sehr schwer zu verzeihen ist, aber das waren eben auch andere Zeiten und unter dem enormen Druck macht man solche Dinge vielleicht um sein und das Leben seiner Familie zu schützen. Ich würde es schon versuchen zu verzeihen und zumindest würde ich mir die Begründung anhören und versuchen wieder eine gemeinsame Basis zu finden. Eine Freundschaft wirft man meiner Meinung nach nicht so einfach weg.

Kann man so eine Frage wirklich beantworten, ohne die "Betroffenen" zu fragen, was die Beweggründe waren? Und kann man die Antwort wirklich unabhängig von den persönlichen Folgen geben? Immerhin ist es doch möglich, auch über die 40 Jahre "ausspioniert" worden zu sein, ohne das irgendwas belastendes zu Tage gefördert wurde und die Akte eben "unauffällig" war. Außerdem ist ja auch die Möglichkeit gegeben, dass der IM noch nicht mal alles berichtet hat, was ein anderer berichtet hätte und woraus sich belastendes Material ergeben hätte. Da sind also so viele Variablen dabei, dass eine pauschale Antwort nicht denkbar ist.

Wenn der IM tatsächlich denunziert hat, um zu Schaden (evtl. sogar zum persönlichen Vorteil), dass muss dies nicht verziehen werden und von Freundschaft muss nicht gesprochen werden. Ansonsten würde ich meinen, sollte nicht allein die persönliche Befindlichkeit betrachtet werden (man ist auf Grund des Missbrauchs von Vertrauen sicher geschockt), sondern sollte eben auch die Beweggründe der IM sehen bzw. hinterfragen.

Kann man tatsächlich einem überzeugten DDR-Bürger, welcher die DDR tatsächlich aus vollster Überzeugung als das bessere und schützenswerte Deutschland gesehen hat die selbe Form von Schuld zusprechen, wie Leuten, die sich aus Karriereüberlegungen als IM anwerben ließen?

Wenn derjenige tatsächlich massiv unter Druck gesetzt wurde, könnte ich ihm das absolut verzeihen. Ich hätte in dem Fall kein bisschen anders gehandelt. Wenn es hart auf hart kommt, ist die Familie einfach wichtiger. Wenn es heißt, wir sperren deinen Bruder ein oder du erzählst uns was über deine Freundin, ist doch klar, was man macht. So leid es mir tun würde.

Und mal abgesehen davon, ist doch Verzeihen nicht das Gleiche wie erneutes Vertrauen und ein Weiterführen der Freundschaft. Ich kann doch jemanden verzeihen, aber ihn dennoch nicht wieder in mein Leben lassen. Aber auch das halte ich für möglich. Immerhin besteht die Gefahr nicht mehr; die STASI gibt es nicht mehr.