Bewusst eine letzte Reise machen - traurige Einstellung?

vom 09.09.2013, 11:18 Uhr

Meine Eltern sind 65 beziehungsweise 70 Jahre alt. Zum Anlass des 70. Geburtstages haben meine Eltern nun eine dreiwöchige Reise gebucht. Sie fahren auf die kanarischen Inseln. Das war schon immer ihr Lieblingsreiseland und sie waren früher oft dort im Urlaub. Dabei waren sie immer auf der gleichen Insel. In den letzten Jahren war es für sie finanziell nicht so leicht möglich, eine derartige Reise zu machen. Sie waren mit meinem Sohn und mir zwar vor drei Jahren gemeinsam auf Gran Canaria, aber das ist nicht ihre Trauminsel.

Nun gönnen sie sich noch einmal so eine Reise. Das finde ich auch sehr schön. Körperlich sind meine Eltern durchaus noch dem Alter entsprechend nicht stark eingeschränkt und durchaus fit. Also sie werden durchaus noch Wanderungen machen können und so weiter. Was ich ein wenig heftig derzeit finde, ist dass beide diese Urlaubsreise als die letzte Reise in ihrem Leben ansehen.

Mag sein, dass es wirklich die letzte Reise ist, weil sie können sich so eine Reise sicher nicht so schnell wieder leisten. Und da verstehe ich natürlich auch, dass man mit 70 Jahren diese Gedanken hat. Dennoch finde ich diese Einstellung ehrlich gesagt etwas mühsam oder traurig oder ich weiß auch nicht, wie ich das ausdrücken soll. Kann ja durchaus sein, dass sie mit 80 auch noch eine Reise machen. Warum nicht? Also ich freue mich wie gesagt wirklich, dass sie sich nun diese Reise gönnen. Aber es muss ja mental sehr mühsam sein, wenn man so eine Reise macht und sich jede Sekunde nur denkt, dass man diesen Ort wohl nie wieder sehen wird, oder dass man wohl nie wieder in einem Flugzeug sitzen wird oder dergleichen.

Nun wird man solche Gefühle und Gedanken wohl auch nicht so einfach wegschieben können, aber dennoch finde ich es irgendwie traurig, dass meine Eltern so eine Einstellung haben, auch wenn ich wie gesagt es auch verstehen kann. Aber irgendwie kippen sie beide da gerade ein wenig zu sehr in diese Gedanken.

Kennt ihr auch solche oder ähnliche Gedanken? Wie seid ihr damit umgegangen? Kennt ihr Angehörige, denen es so gegangen ist? Wie habt ihr diese Leute unterstützt? Natürlich sagen meine Geschwister und ich, dass sie sicher noch eine Reise machen können und so weiter, aber meine Eltern bleiben irgendwie bei dieser Einstellung.

Benutzeravatar

» tournesol » Beiträge: 7760 » Talkpoints: 69,99 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Meine Ur Oma hat mit 85 ihre letzte Reise ins Ausland gemacht und ist dann noch über 90 geworden. Sie wollte dann aber keine Busreisen mehr machen und hat sie selbst eben dieses Ziel gesetzt. Traurig war sie damals nicht. Sie hatte schon viel gesehen von der Welt und wollte die letzten paar Jahre eben auch im Kreise der Lieben zu Hause genießen. In dem Alter deiner Eltern ist es aber sicherlich noch unschön, wenn man sich vorstellt, dass das die letzte Reise sein sollte. Ich habe mir während des Lesens gedacht, dass es wahrscheinlich auch eine finanzielle Sache ist. Ich würde wahrscheinlich nun Geld zusammen sammeln in der Familie und es zu einem Geburtstag der beiden schenken. Es muss ja nicht die letzte Reise sein.

Ich muss zugeben mit 23 finde ich den Gedanken daran nicht mehr reisen zu wollen oder zu können alles andere als toll. Ich würde alles machen damit es mir möglich wäre, aber vielleicht ist man in dem Alter eben auch gesetzter und muss das nicht mehr so haben.

Benutzeravatar

» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ich würde deinen Eltern diese Einstellung nicht ausreden. Wenn ich dich richtig verstehe, sehen sie es ja nur als letzte Reise auf die Kanarischen Inseln. Wenn sie körperlich fit sind, werden sie ja noch einige Wanderungen unternehmen können. Es ist zwar realistisch gesehen nicht ihre letzte Reise dorthin - denn 65 und 70 ist ja nicht gerade alt -, aber wenn sie es so sehen möchten, dann hat das wohl ihre Gründe. Sie möchten diese Reise vielleicht besonders intensiv erleben. Das ist ja ein sehr schöner Vorsatz.

Ich habe auch einmal eine "letzte Reise" unternommen. Ich war mit meinen Kindern, als sie kleiner waren, immer auf einem bestimmten Campingplatz in der Nähe von Venedig. Irgendwann wollte der eine und dann der andere nicht mehr mitfahren. Als dann einen Sommer mal gar keiner mehr Lust hatte, sind wir zwei Jahre lang nicht mehr dorthin gefahren und auch gar nicht mehr zusammen verreist.

Letztes Jahr - einige meiner Kinder waren schon aus dem Haus - hatten wir uns Urlaubsbilder angeschaut und ich machte den Vorschlag, noch einmal eine letzte gemeinsame Reise dorthin zu unternehmen, um sozusagen Abschied zu nehmen. Wider Erwarten stimmte alle zu und wir verbrachten einen schönen, letzten Urlaub dort. Es war gar nicht wehmütig, sondern einfach nur schön, erinnerungsreich und harmonisch. Wer weiß - vielleicht war es doch nicht der letzte gemeinsame Urlaub dort.

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Das was mich ein wenig bei dieser Einstellung meiner Eltern stört, ist, dass sie selber damit irgendwie nicht glücklich wirken. Sie wirken da eher melancholisch. Wenn sie sagen würden, dass das nun ihre letzte Reise sein wird, weil sie eben schon genügend von der Welt gesehen haben und sie dann keine Lust mehr dazu haben, dann wäre das für mich vollkommen in Ordnung. Vielleicht bringen sie ihre Gedanken auch nur schlecht rüber, aber bei ihnen kommt es mir eher so vor, wie: wir machen noch die eine Reise und dann wartet sowieso nur noch das Sterben auf uns.

Benutzeravatar

» tournesol » Beiträge: 7760 » Talkpoints: 69,99 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Eine letzte Reise gibt es ja immer: eine letzte an einen bestimmten Ort, eine letzte mit einem bestimmten Transportmittel, eine letzte mit den Kindern gemeinsam. Mit fitten 65 und 70 Jahren eine Reise anzutreten und dabei zu denken, es sei die letzte Reise überhaupt finde ich allerdings schon etwas traurig. Ich weiß auch nicht, ob man sich mit dieser Einstellung nicht etwas verbaut und sich älter macht, als man ist.

Meine Mama war vor drei Jahren mit uns tatsächlich auf ihrer letzten Reise am Gardasee. Sie war damals 71 und schwer und unheilbar erkrankt. Obwohl sie nicht mehr an den Pool gehen oder durch den Ort bummeln konnte, wollte sie mit und selbst als sie dann nicht einmal mehr in der Lage war, den Speisesaal des Hotels zu besuchen und die Tage in der Sonne auf dem Balkon verbrachte, genoss sie diesen Urlaub doch sehr. Sie ging auch nicht davon aus, dass es ihr letzter Urlaub sein könnte, sondern sprach darüber, wie schön es sei, mal wieder woanders zu sein als daheim. Drei Tage nach unserer Heimkehr starb sie dann trotz der schweren Krankheit ziemlich unerwartet. Ich habe meine Mama immer dafür bewundert, wie sie trotz der Unausweichlichkeit ihrer Krankheit und der dadurch bestehenden Behinderungen immer nach vorne gesehen und sich die Lebensfreude nicht nehmen hat lassen.

Ich glaube, der Mensch braucht bis zu seinem Lebensende immer Ziele. Wenn deine Eltern aber andere Ziele haben, ist ihnen das Reisen vielleicht auch nicht so wichtig und sie können mit diesem Urlaub ihre Wünsche und Träume diesbezüglich auch abhaken. Als Außenstehender kann man so etwas nie wirklich beurteilen.

» kerry3 » Beiträge: 892 » Talkpoints: 18,22 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Deine Eltern haben ganz reale Ansichten und Gedanken. So traurig finde ich das allerdings nicht. Bei deinen Eltern kommen zwei Dinge zusammen, wo sich ihnen eine solche Meinung aufdrängen kann. Wenn sie das so verarbeiten, finde ich das im Gegensatz zu dir sehr positiv. Sie wissen, dass sie das viele Geld für eine weitere Reise nur unter Entbehrungen und auch nur innerhalb von mehreren Jahren aufbringen können. Zusätzlich haben sie ein Alter erreicht, wo ihnen vielleicht etwas anderes wichtiger ist, als eine Reise, die schnell vorbei geht. Vielleicht zeichnet sich auch bei einem oder beiden bereits das Anfangsstadium einer Krankheit ab, die ihnen vielleicht das Reisen erschweren würde.

Wenn sie nun beide darüber nachgedacht haben und beginnen, sich damit abzufinden, anstatt zu jammern und dir die Ohren voll zu jammern, solltest du das akzeptieren und nicht dagegen reden. Ich nehme an, dass es eine schwammige Entscheidung ist, die sie getroffen haben. Aber sollten sich entgegen ihrer Meinung alles zum Guten wenden und sie gesund bleiben und sie in zwei oder drei Jahren auch soviel Geld gespart haben, dass es für eine weitere Reise reicht, dann werden sie die Chance auch wahrnehmen und wieder ihre Lieblingsinsel ins Auge fassen.

Für deine Eltern wäre es viel schwerer zu sagen, dass sie für die nächste Reise ansparen werden, wenn sie aus dem jetzigen Urlaub wieder zurück sind und es würde ihnen nicht mehr möglich sein, sich diesen Wunsch zu erfüllen. So aber können sie besser damit umgehen, wenn sie sagen, dass es die letzte Reise sein wird.

Für dich als Tochter ist es wie ein Schock. Aber viel besser, als wenn du später unglückliche Eltern sehen würdest, die sich ihren sehnlichsten Reisewunsch nicht erfüllen könnten und du sie trösten müsstest. Das würde dir noch viel weniger gefallen.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^