Nach 35 Jahren in andere Filiale versetzt
Herr A. hat vor 35 Jahren angefangen in seiner jetzigen Firma zu arbeiten am Standort B. Standort A ist die Hauptfiliale und die Filialen sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln etwa eine gute Stunde voneinander entfernt. Herr A. selbst braucht von seinem Wohnort zur Filiale B etwa eine Stunde und zur Filiale B etwa zwei Stunden, da er auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist.
Die Firma wurde vor Kurzem vom Sohn des ehemaligen Geschäftsführers übernommen. Der arbeitet allerdings nur ein paar Tage in der Woche in der Stammfiliale. In Filiale B werden schon lange versucht Lohnkosten einzusparen. Mittlerweile gibt es außer Herrn A. nur noch eine Vollzeitkraft. Die zweite Kraft ist Filialleiter und betreut ein spezielles Gebiet.
Die Geschäfte in der Filiale B laufen nicht sonderlich gut. Was aber unter anderem auch daran liegt, dass sie wie ein Stiefkind behandelt wird und die Geschäftsführung dort nicht bereit ist Geld rein zu stecken. Da aber nie jemand aus der Stammfiliale länger anwesend ist, kann man sich auch kein wirkliches Bild davon machen.
Herr A. arbeitet an vier Tagen in der Woche. Er ist eigentlich als reiner Verkäufer angestellt. Allerdings gehören zu seinem Aufgabengebiet mittlerweile auch Reinigung des Ladenlokals, Warenbestellung, Auffüllen, Reinigung der Personalräume und so weiter.
Nun soll Herr A. an drei seiner Arbeitstage eben ins Hauptgeschäft kommen. Was für ihn heißen würde, er ist an den Tagen fast vier Stunden nur für den Arbeitsweg unterwegs. Noch dazu ist die Verbindung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln schlecht. Was hauptsächlich die Strecke zwischen Wohnort und Filiale B betrifft. Die Fahrtkosten zwischen Filiale B und Hauptfiliale würde der Arbeitgeber übernehmen. Den vierten Tag soll er dann wieder in der Filiale B. arbeiten, damit der Kollege seinen freien Tag nehmen kann.
Herr A. hat noch einen ganz alten Arbeitsvertrag, in dem von Versetzung etc. kein Wort drin steht. Eigentlich ist absehbar, dass man wohl eher mit dem Gedanken spielt, die Filiale B. zu schließen. Da der Kollege von Herrn A. die Arbeit nicht alleine schaffen wird, wird das langfristig sicherlich so laufen.
Herr A. sieht allerdings keine andere Möglichkeit, als eben die drei Tage in der Woche die Strecke zu pendeln. Denn die andere Option wäre wohl, dass man ihm kündigt. Da Herr A. aber auch schon über 50 Jahre alt ist, sind seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt sehr begrenzt.
Habt ihr eine Idee, was Herr A. unternehmen könnte? Klar kann er froh sein einen Arbeitsplatz zu haben. Aber vier Stunden Fahrtweg, acht Stunden Arbeitszeit und eine Stunde Pause macht immerhin dreizehn Stunden, die man mindestens außer Haus ist.
Was ich mich an dieser Stelle frage: Hat A gedacht, dass er bis zur Rente dort bleiben kann oder hat er sich darüber Gedanken gemacht, was passiert, wenn er nun plötzlich entlassen wird? Für mich klingt es nach ersterem, was ihn jetzt in eine sehr ungünstige Lage bringt. Nach deiner Schilderung kann ich mir schon sehr gut vorstellen, dass der neue Chef tatsächlich die Filiale schließen wird und womöglich ist die Entscheidung, dass A quasi zum Stammsitz versetzt wird, ein Versuch ihn ganz bequem zur Eigenkündigung zu bewegen.
Und genau so würde ich die Situation an Stelle von A behandeln. Das würde für mich heißen, möglichst schnell einen neuen Job suchen, bevor dann doch die Kündigung kommt. 35 Jahre sind natürlich eine lange Zeit, aber genau deshalb braucht man auch so viel Zeit, wie man bekommen kann, um sich nach einem neuen Job umzusehen. Und das heißt, lieber heute als morgen anfangen. Außerdem sollte sich A ernsthafte Gedanken machen, ob er durch gezielte Weiterbildung seinen Marktwert erhöhen kann.
Was Weasel vorschlägt würde für einen jüngeren Menschen absolut sinnvoll sein, für jemanden über 50 ist das allerdings nicht mehr ganz so einfach. Ich fürchte aber, Herrn A. wird nichts anderes übrig bleiben, als die Versetzung zu akzeptieren und die Tage zu pendeln. Ich bin aber natürlich auch keine Anwältin für Arbeitsrecht, vielleicht sollte er mal einen solchen fragen. Ich weiß noch von meinem Vater her, dass dieser ein paar Jahre bevor er in Rente ging ebenfalls so versetzt wurde, dass er an ein paar Tagen in der Woche ebensolche Stunden zu fahren hatte. Vor allem im Winter war das sehr anstrengen für ihn, aber er hatte keine andere Möglichkeit.
Und was ist nun, wenn das wirklich nur der letzte Schritt vor einer Kündigung ist? A hat schließlich noch mindestens 15 Jahre Arbeitsleben vor sich, soll er einfach nur hoffen und beten, dass er diese 15 Jahre noch angestellt bleibt? Was passiert denn, wenn er doch gekündigt wird? Dann steht er völlig unvorbereitet vor einem Scherbenhaufen, der mit großer Sicherheit in irgendwelchen Niedriglohnjobs und womöglich sogar Hartz IV endet.
Es schadet absolut nichts, sich auf den Ernstfall vorzubereiten und sich gezielt weiterzubilden, sich auf Stellensuche zu begeben und einen Lebenslauf schreiben. Man kann dann ja immer noch die Füße still halten und warten, ob sich eine Kündigung konkret anbahnt. Wenn diese kommt und man erst dann aktiv wird, gerät man massiv unter Zeitdruck. Und wenn man einmal arbeitslos wird, hat man einen riesigen Bonus durch das bewerben aus einer ungekündigten Stelle völlig unnötig verspielt.
Mein Rechtsverständnis sagt mir, dass Herr A nicht einfach so versetzt werden kann, solange Standort B existiert, wenn dieser im Arbeitsvertrag als Arbeitsort angegeben ist. Aber dazu müsste man genau den Inhalt und Wortlaut des Arbeitsvertrages kennen. Wenn Herr A wirklich in seiner Stammfiliale bleiben möchte, sollte er sich vielleicht wirklich einmal mit seinem Arbeitsvertrag zu einem Fachanwalt für Arbeitsrecht gehen und sich dort beraten lassen.
Allerdings würde ich Herrn A auch raten, sich vielleicht trotzdem schon einmal nach Alternativen umzusehen. Denn für mich klingt das auch so, als sollte Filiale B mittelfristig geschlossen werden. Denn auch wenn Herr A nicht zur Kündigung gedrängt werden soll, wie einige hier vermuten, sondern in der neuen Filiale eingearbeitet werden soll, so hat er immer noch den extrem langen Arbeitsweg.
Im Falle einer Kündigung hätte Herr A durch seine lange Beschäftigungsdauer aber eine extrem lange Kündigungsfrist. Trotzdem ist es immer besser, ungekündigt nach einer neuen Anstellung zu suchen. Ohne zu wissen, welche Zusatzqualifikationen Herr A hat und wie die Arbeitssituation allgemein in seiner Region ist, ist es natürlich auch schwer zu sagen, wie hoch die Chancen sind, dass A zeitnah einen neuen Job findet.
Klar hat sich Herr A. in den letzten Jahren auch auf andere Stellen beworben. In dem Beruf, in dem er zur Zeit tätig ist, sind die Stellen vor Ort aber knapp. An seinem Wohnort gibt es solche Geschäfte gar nicht. Und hier vor Ort kämpfen gerade alle Geschäfte des Bereichs ums Überleben. Eine Kollegin von Herrn A. hat sich beworben, als ein neues Geschäft aufgemacht hat. Sie wurde auch eingestellt. Und war dort auch ziemlich schnell wieder gekündigt worden, weil der Betrieb sich überschätzt hatte. Dieser Betrieb kämpft ebenfalls um das Überleben.
Klar überlegt sich Herr A. auch, ob er sich auf andere Stellen im Verkauf bewerben soll. Allerdings hat er einen unbefristeten Vertrag. Hier werden die meisten Jobs nur mit befristeten Arbeitsverträgen vergeben. Die Chance, dass er, falls er überhaupt eine Stelle findet, in einem Jahr auf der Straße steht, sind also relativ hoch.
Herr A. kann ja versuchen sich auf seinen Arbeitsvertrag zu berufen. Aber dann wird man ihm vermutlich recht schnell einen neuen Arbeitsvertrag vorlegen und wenn er diesen nicht unterschreibt, dann ist die Kündigung mehr als sicher. Aber man sollte auch sehen, dass es von Seiten der Agentur für Arbeit als annehmbar gesehen wird, wenn man zwei Stunden von A nach B unterwegs ist. Außerdem übernimmt der Arbeitgeber für diese drei Tage die Fahrtkosten, was will man eigentlich mehr?
Was eine betriebsbedingte Kündigung angeht, so sollte sich her Herr A erst mal nicht so viele Gedanken machen. Erst mal muss der Arbeitgeber sowieso eine Kündigungsfrist von sieben Monaten einhalten, wenn nicht sogar noch mehr. Und in dieser Zeit kann man sicherlich eine Lösung finden. Wenn sich Herr A. eh schon anderweitig bewirbt, sollte man vielleicht auch einen Umzug in Betracht ziehen.
Aber man sollte auch sehen, dass es von Seiten der Agentur für Arbeit als annehmbar gesehen wird, wenn man zwei Stunden von A nach B unterwegs ist.
Anscheinend ist das wohl nicht bundeseinheitlich geregelt. Hier sagt das Arbeitsamt, 1,25 Stunden pro Strecke sind angemessen. Was dann 2,5 Stunden für beide Fahrten wären. Herr A. aber 4 Stunden Fahrzeit am Tag hätte.
Der Arbeitgeber übernimmt auch nur die Mehrkosten zwischen jetzigem Standort und Hauptfiliale. Die Fahrtkosten für den Arbeitsweg von Wohnort zur Filiale B. muss Herr A. weiter selber tragen.
Und selbst wenn der Arbeitgeber die Fahrtkosten übernimmt, sind vier Stunden reiner Arbeitsweg schon viel Zeit. Wenn man von acht Stunden Arbeitszeit mindestens ausgeht und einer Stunde Pause und dann die vier Stunden Fahrtzeit, sind wir bei 13 Stunden außer Haus. Was doch viel Zeit ist. Gerade wenn fast ein Drittel der Zeit davon reine Fahrtzeit ist. Davon mal abgesehen, kommt Herr A. nur mit der Fahrtzeit hin, wenn die Anschlüsse klappen. Die Verbindung vom Standort der jetzigen Filiale zu seinem Wohnort wird nur einmal die Stunde bedient. Klar ist das nicht Sache des Arbeitgebers. Sollte aber in die Abwägungen von Herrn A. mit einbezogen werden.
Herr A. hat ein eigenes Zwei-Familien-Haus. Da hat er die letzten zwei Jahre enorm viel Geld rein gesteckt. Einen Verkauf hatte er bereits in Betracht gezogen. Leider fand sich kein Käufer. Deshalb wurde nun eben Geld in die eigene Nutzung gesteckt. Beziehungsweise wurde nun eine Wohnung vermietet. Ein Umzug ist also keine Option. Wobei der Wohnungsmarkt am Standort der Hauptfiliale ebenfalls angespannt ist.
Ehrlich gesagt lese ich immer nur, was angeblich nicht geht. Herr A. scheint also insgesamt mit der geplanten Veränderung nicht leben zu wollen und man sucht daher alle Argumente zusammen, die man finden kann, um es zu rechtfertigen. Dann muss sich Herr A. eben kündigen lassen, wenn ihm das alles nicht gefällt. Denn es weder das Problem des Arbeitgebers, wie Herr A. in die Hauptfiliale kommt, noch müsste er die Mehrkosten für die Fahrt übernehmen.
Und 13 Stunden Abwesenheit sind kaum zu viel, wenn man sich mal bei anderen Arbeitnehmern umsieht, die dabei aber wesentlich mehr Arbeitszeit vorzuweisen haben und dazu noch den Strass der Fahrt haben, da sie eben mit privaten Fahrzeugen unterwegs sind. Da ist die Fahrt mit Bus und Bahn doch wesentlich entspannter.
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