Warum arbeiten?

vom 06.10.2008, 20:08 Uhr

Natürlich funktioniert unser System noch sehr gut, wenn es einige Leute gibt, die einfach nicht arbeiten wollen. Diese werden einfach durch das Sozialsystem, das eigentlich für wirklich Bedürftige eingerichtet wird, abgefangen. Zum Glück gibt es aber nur sehr, sehr wenige Menschen, die so denken.

Die meisten Menschen wollen tatsächlich arbeiten. Es gibt auch Menschen, die Depressionen bekommen, weil sie keine Arbeit finden und sich dann nutzlos für die Gesellschaft fühlen. Ich kenne auch einige Beispiele von Menschen, die sehr gerne arbeiten, obwohl sie es rein finanziell schon lange nicht mehr nötig hätten, weil sie schon im Rentenalter sind oder sie durch Immobilien ihren Lebensunterhalt schon locker gesichert hätten.

Ich kann frei über mein Dach und über mein Essen entscheiden!

Das ist aber ein Trugschluss. Kannst du einfach bei deinem Nachbar einmarschieren und beschließen, dass du dort wohnst? Kannst du in den Supermarkt oder in ein Restaurant gehen und dich ohne zu bezahlen vollstopfen? Nein, denn das würde dich zu einem Kriminellen machen. Die Freiheit des Menschen hat seine Grenzen.

Oder wie bezeichnet man sonst jemanden der 8-9 Stunden etwas macht, worauf er keine Lust hat und dafür sich das Dach über dem Kopf und etwas zu essen kaufen kann?

Du hast die Freiheit, dass du prinzipiell die Möglichkeit hast, deinen Beruf selbst zu wählen, ohne dass dir der Staat oder sonst wer irgendetwas vor schreibt. Es zwingt dich auch keiner auf irgendeine Arbeitsstelle, die dir keinen Spaß macht. Wenn du also eine solche Stelle hast, steht es dir frei, diese zu kündigen und etwas zu suchen, was dir mehr Spaß macht. Das ist der Grundsatz der Freiheit, die einen Angestellten von einem Sklaven unterscheidet.

Du verstehst den Begriff von Freiheit offensichtlich falsch. Freiheit bedeutet nicht, dass man Leistungen ohne Gegenleistung bekommen kann. Wenn du Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe beziehst, ist das eine Leistung des Staates. Er erwartet von dir zurecht eine Gegenleistung, die deine Freiheit effektiv einschränkt. Er kann also zum Beispiel erwarten, dass du einen miesen Job annimmst. Du hast natürlich dann immer noch die Freiheit, diesen Job abzulehnen. Dann gibt es aber eben auch weniger oder keine Leistungen vom Staat mehr.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Mod am 24.07.2013, 15:58, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen


Ich habe auch einen dieser "langweiligen" Bürojobs, bei denen ich jede Woche 40 Stunden Schriftstücke wälze und der meine Freiheit und individuelle Entfaltung doch ziemlich einschränkt. Allerdings war ich auch über ein Jahr arbeitslos, bevor ich diesen Job an Land gezogen habe. So konnte ich Erfahrungen mit Arbeiten und Nichtstun sammeln und muss sagen: Zumindest für mich ist Arbeit besser.

Vielleicht ändern sich die Zeiten ja mal, aber im Augenblick ist Arbeit ja auch mit sozialer Anerkennung verbunden, auch wenn manche Berufe eher belächelt werden. Es ist immer noch besser als zugeben zu müssen, dass man im Augenblick außer Bewerbungen schreiben nichts macht. Außerdem kommt man so zu Sozialkontakten und kann sich fortbilden und weiter entwickeln. Wenn alle Freunde unter der Woche arbeiten, sitzt man ohne Job ziemlich viel alleine in der Wohnung.

Ich habe mir in meiner Jugend auch vorgestellt, wie toll das doch wäre, einfach in den Tag hinein leben zu können, aber als ich die Zeit dazu hatte, hatte ich kein Geld für die meisten Dinge, die Spaß machen. Auch alltägliche Erledigungen habe ich oft tagelang vor mir her geschoben, weil es ja egal war, ob ich Montag oder Dienstag die Wäsche gewaschen habe. Kurz, ohne Arbeit wäre ich früher oder später verarmt und vergammelt.

Es kommt ja immer wieder die Idee auf, allen Menschen so viel Geld zur Verfügung zu stellen, dass niemand mehr arbeiten muss. Wahrscheinlich liegt es an meiner konservativ-bürgerlichen Erziehung, aber ich bin da skeptisch. Viele Jobs sind objektiv gesehen langweilig, anstrengend oder schlichtweg unattraktiv, müssen aber gemacht werden. Wenn wir nur noch die Leute zur Verfügung hätten, die ihre Jobs aus Leidenschaft machen, könnte es in vielen Bereichen eng werden.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Ich sage auch dass ich Arbeiten gehe damit ich Geld verdiene um mir etwas leisten zu können. Bisher war einfach das die Aussage für Arbeiten von mir. Allerdings bin ich im Moment zu Hause bei meinen Kindern und das jetzt schon seit vier Jahren und irgendwie freue ich mich schon wieder darauf wieder arbeiten zu gehen. Ich bin gerne bei meinen Kindern zu Hause und werde es auch noch lange sein weil ich ja ein Baby habe, aber dann gehe ich doch wieder gerne arbeiten. Man kommt raus, trifft Menschen, hat eine andere Aufgabe. Irgendwie fehlt mir das alles ein wenig, so gerne ich auch bei meinen Mäusen zu Hause bin. Ich denke nicht das ich hier ein Sklave bin.

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» torka » Beiträge: 4376 » Talkpoints: 7,91 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Ich gehe arbeiten aus verschiedenen Motiven. Zum einem gibt mir die Arbeit eine gewisse Tagesstrukturierung, die ich benötige. Ich kann nicht wahllos zu Hause, über ein Jahr, zu Hause vor meinen Fernseher sitzen und mich entspannen. Ich brauche eine sinnvolle Aufgabe im Leben. Es gibt dabei immer wieder Momente, in denen ich es mir wünsche, aber im Inneren bin ich dennoch froh, dass ich diese Arbeit habe. Zum anderen gibt die Arbeit einen Selbstvertrauen und fördert damit das Selbstbewusstsein. Dabei steht auch bei mir an erster Stelle, dass ich mir selbst Geld erarbeite, um mich zu ernähren und auch Luxus zu leisten.

Die Gründe des Arbeitens sehe ich anhand der Maslowschen Pyramide. Durch die Arbeit steigt man die Stufen hinauf und erhält eine Selbstverwirklichung. Dazu werden zunächst die Grundbedürfnisse des Menschen gestillt. Nahrung, Schlafen etc. Ohne diese Dinge ist der Mensch nicht überlebensfähig. Danach hat man eine bestimmte Sicherheit. Eine Wohnung kann finanziert werden. Die nächste Stufe lässt soziale Kontakte zu. Man kommt schließlich unter Menschen und geht in Kommunikation. Man erhält dann auch durch die Gesellschaft eine soziale Anerkennung. Man fühlt sich gestärkt. Und erst dann kommt die Selbstverwirklichung.

Ich sehe mich aus diesem Grund nicht als ein Arbeitssklave. Ich müsste nicht arbeiten gehen. Aber wenn ich etwas selbst im Leben erreichen möchte, muss ich eben auf die Arbeit gehen und meinen Aufgaben nachgehen. Ein Arbeitsloser hat es auch sehr schwer. Denn welche Stufe kann ein Arbeitsloser laut Maslowscher Pyramide schon erreichen. Arbeit ist deswegen für das Leben überlebensnotwendig.

» iggiz18 » Beiträge: 3366 » Talkpoints: 4,66 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Versuch mal was von Foucault (darf noch keine Links setzten, aber schau in Wikipedia nach) zu lesen. Er versucht zu beschreiben wie sich die spezifische moderne Subjektivität im Westen gebildet hat, und wieso wir überhaupt arbeiten. Auch Max Weber ist hier zu empfehlen.

Kurzgefasst: Das wir heute alle Arbeiten und Arbeit an sich ein extrem hoher Wert in der Gesellschaft darstellt, liegt an Prozessen die im 16. und 17. Jahrhundert angefangen haben. Unter anderem die Bildung von Nationen, die protestantische Religion in England, die Pflicht zur Schulbildung und schließlich die Dominanz des Kaptialismus in seinen verschiedenen Ausprägungen.

Foucualt half mir besonders, die derzeitigen gesellschaftlichen und unhinterfragten Tatsachen (Rolle der Arbeit, Nationalstaaten, Geld) nicht als selbstverständlich hinzunehmen, sondern als historische gewachsene Gebilde anzusehen. Und als solche können sie sich jederzeit wieder ändern.

» Andor07 » Beiträge: 12 » Talkpoints: 3,22 »


In meinen Augen sollte man in einem Beruf arbeiten, der einem Spaß macht, denn dann ist Arbeit keine lästige Pflicht mehr und man freut sich darauf, arbeiten zu gehen, weil man für seine Ideale etwas tun kann, weil man Neues lernt, weil man Menschen trifft, mit denen man gerne Arbeitet und wegen vieler anderer Gründe.

Das Problem ist, dass so eine Form von Arbeit als Bedürfnis in unserem System nicht möglich ist und dass die Leistungsgesellschaft in der wir uns befinden auch niemals darauf abzielte, so ein System zu werden. Das ist der Grund dafür, dass Arbeit keinen Spaß macht und man hinterfragt, wieso man überhaupt einer Arbeit nachgehen sollte, nicht die Sache selbst.

» MrLeo95 » Beiträge: 184 » Talkpoints: 2,84 » Auszeichnung für 100 Beiträge


GinaL hat geschrieben:jemanden der 8-9 Stunden etwas macht, worauf er keine Lust hat

Das ist aber deine eigene Schuld. Du kannst doch nicht andere dafür verantwortlichen machen, dass du es nicht geschafft hast einen Beruf zu finden, der dir Spaß macht oder, dass du es nicht auf die Reihe bekommst einen Job zu kündigen, in dem du unzufrieden bist, und dir einen neuen zu suchen.

Sicher muss man arbeiten um zu leben oder wie stellst du dir das sonst vor? Der Computer, auf dem du das geschrieben hast, fällt nicht vom Himmel und den Internetanschluss, den du dazu benutzt hast, bekommst du auch nicht vom "System" geschenkt. Aber wenn man einen Beruf gefunden hat, der Spaß macht, dann arbeitet man tatsächlich gerne. Nichts für ungut, aber das ist die typische Argumentation eines Menschen, der unzufrieden ist mit seinem Leben und die Schuld dafür bei anderen sucht anstatt selber etwas an seiner Situation zu ändern.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Ich finde nicht, dass wir Arbeitssklaven sind. Gut, bisher gehe ich auch nicht geregelt arbeiten sondern gehe einem Nebenjob nach, da ich noch Studentin bin. Aber ich fühle mich nicht dazu gezwungen, diesen auszuführen. Ich könnte auch einen Studentenkredit oder Bafög beantragen, aber das wollte ich nicht. Ich arbeite lieber selbst und gebe mein Geld dann bewusster aus, weil ich schließlich weiß, wie hart es sein kann, das Geld zu verdienen.

Wenn du was machst, worauf du 8-9 Stunden lang keine Lust hast, bist du in meinen Augen selbst Schuld. Die Arbeit sollte einem eigentlich Spaß machen und es mir klar, dass es nicht bei jedem so sein kann. Aber man hat immer die Möglichkeit sich weiterzubilden und daran vielleicht Freude zu finden und daraufhin aufzusteigen. Vielleicht findest du dann etwas, was dich glücklicher macht.

Vielleicht solltest du dir nochmal durchlesen, was Sklaven wirklich sind. Solche mit jemandem, der arbeitet zu vergleichen halte ich schon für sehr abstrus. Und ich kann dem überhaupt nicht zustimmen.

» cupcake03 » Beiträge: 1152 » Talkpoints: 29,50 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


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