Sollte man Motorradfahrer im Stau wirklich vorbeilassen?
Heute habe ich Lokalnachrichten aus meiner alten Heimat gehört. Ich habe früher in der Nähe der holländischen Grenze gewohnt und in Holland wird aufgerufen, dass man Motorradfahrer im Stau vorbei lässt, weil es für einen Motorradfahrer unzumutbare Bedingungen sind, wenn sie im Stau stehen. Sie sprachen von Asphalttemperaturen von über 50°C, die ein Motorradfahrer unter der Fußsohle spürt, die pralle Sonne, die auf den Helm prasselt und dann auch noch einen 130°C heißen Motor, den der Motorradfahrer in Kniehöhe spürt. In den Niederlanden erlaubt man deswegen auch, dass die Motorradfahrer die Warnblinker anmachen dürfen, Autofahrer dann auch Platz machen müssen und Motorradfahrer vorbei lassen sollen.
Wie findet ihr es, dass die Motorradfahrer da eine Sonderregelung im Stau bekommen? Sollten sie auch auf dem Standstreifen an den Autos vorbei fahren dürfen? Lasst ihr Motorradfahrer automatisch vorbei oder sagt ihr euch, dass die genauso warten können wie ihr und sie sollen sich dann lieber an den Rand stellen und hinter die Leitplanke gehen und warten bis der Stau vorbei ist, was wohl auch Hörer vorgeschlagen haben.
Da ich selbst Motorrad fahre, finde ich eine Sonderregelung im Stau für Motorradfahrer natürlich erstmal gut. Nach geltender Rechtslage ist ist es ja ein verbotener Überholvorgang, wenn man sich im Stau vorbeischlängelt. Der ADAC befürwortet auch eine solche Sonderregelung, bei der Motorräder bei komplett stehendem Verkehr mit langsamer Geschwindigkeit vorbeifahren dürfen und dann bei der nächsten Anschlussstelle die Autobahn verlassen müssen.
Einmal finde ich es tatsächlich ein Argument, dass es auf so einem Motorrad ungleich heißer werden kann als im Auto. Selbstverständlich hat man keine Klimaanlage, der Kopf ist auch bei hochgeklapptem Visier vollständig vom Helm umschlossen und zumeist trägt man ja auch entsprechende Schutzkleidung, so dass es wirklich extrem heiß werden kann. Abgesehen davon kann ich aber keinen Grund erkennen, warum man Motorräder als Autofahrer nicht vorbeilassen sollte. Der Grund, dass PKWs im Stau stehen ist doch oft vor allem in einem rein faktischen Platzproblem begründet: Autos haben nun mal ein gewisses Volumen und wenn der Platz nicht da ist, dass alle voran kommen können, entsteht eben ein Stau.
Motorräder sind nun mal viel schmaler und kommen rein tatsächlich an Stellen vorbei, wo Autos dies nicht können. Deshalb finde ich, sollten Autofahrer nicht "neidisch" sein, sondern Motorradfahrer vorbeilassen, wenn es möglich ist. Das Argument "Gleiches Recht für alle!" finde ich in dem Zusammenhang relativ blöd - warum soll jemand warten, wenn er es nicht unbedingt muss? Die Autofahrer haben ja nichts davon, dass jemand anderes genauso lange im Stau steht wie sie selbst, davon kommen sie auch nicht schneller vorwärts. Aus demselben Grund finde ich es unsinnig, Helm und Bekleidung abzulegen und hinter der Leitplanke zu warten; wie gesagt, der Stau geht davon auch nicht schneller vorbei.
So was halte ich für ein perfektes Sommerlochthema, weil es ein Thema ist, welches absolut belanglos ist und trotzdem das Potential hat, zu polarisieren. Bei praller Sonneneinstrahlung kann ich es auch locker erreichen, dass ich im Wageninneren die 50°C erreiche. Daher ist das nur ein vorgeschobener Grund und jetzt eine "Sonderregelung" einzuführen, wonach Motorradfahrer auf dem Seitenstreifen fahren "dürfen", würde für unnötige Verwirrung sorgen (welcher Stau rechtfertigt das Ausweichen und welcher Stau macht dies nicht?) und macht die Sache im schlimmsten Fall sogar gefährlich!
Was in einem Stau für Motorradfahrer immer gehen sollte (auch wenn es nicht erlaubt ist), ist das vorfahren durch die "Gasse". Natürlich kommen Motorradfahrer hier vorwärts und es behindert niemanden bzw. ändert für die Ausgangslage der Autofahrer gar nichts. Bitter (eigentlich auch unverschämt und gefährlich) finde ich es nämlich, wenn Autofahrer absichtlich die Gasse zufahren, weil sie tatsächlich nur verhindern wollen, dass ein Mopedfahrer durch kommt. Was blödsinnig ist, weil ein Mopedfahrer dann einfach an der anderen Seite vorbei kommt. Von Seiten der Motorradfahrer ist es wiederum unmöglich, wenn die dann im Stau zwischen den Autos mit 80 Km/h und schneller vorbei rasen. Das ist dann letztlich auch keine Eigenwerbung sondern ein maßlos dummes Verhalten (und auch gefährlich!).
Ich selbst lasse Motorradfahrer natürlich instinktiv vorbei und schaue, dass die gefahrlos an mir vorbei kommen. Auf die Idee, andere warten zu lassen, weil ich selber warten muss, wäre ich im Leben nicht gekommen.
Diese Sonderregelung für Motorradfahrer, die den Stau betreffen, höre ich hier zum ersten mal, was natürlich auch daraus resultiert, dass ich selbst kein Motorradfahrer bin. Ich bin allerdings mal ein paar Jahre mit dem Moped unterwegs gewesen. Gerade im Sommer kann ich nachvollziehen, dass es unter dem Helm sehr warm wird. Wenn man nun noch die entsprechende Schutzkleidung trägt kann das schon sehr warm werden. Jetzt stellt sich aber die Frage, ob man hier nicht als Motorradfahrer selbst Schuld ist. Auch er sieht den Wetterbericht und könnte sagen, dass er doch lieber das Auto nimmt, weil er dort eine Klimaanlage hat und es so wohl angenehmer wäre. derpunkt hat es schon sehr gut geschrieben. Auch ein Autofahrer leidet unter der Hitze, wenn er im Stau steht. Nicht jeder hat eine Klimaanlage.
Ich habe es schon ein paar mal erlebt, dass sich die Motorradfahrer zwischen die Autos hindurchgeschlängelt haben, um so schneller durch den Stau zu kommen. Mich stört jetzt nicht weiter, solange sie langsam fahren und aufpassen. In dem Fall wird auch gerne mal der Standstreifen genutzt, aber auch hier ist höchste Vorsicht geboten, da den auch gerne die Autofahrer benutzen und da schaut manch einer nicht nach hinten, um sich zu vergewissern, dass der Standstreifen frei ist. Auch hier können von mir aus die Motorradfahrer vorbei fahren, wenn sie sich eben der Situation anpassen.
Zohan hat geschrieben:Jetzt stellt sich aber die Frage, ob man hier nicht als Motorradfahrer selbst Schuld ist. Auch er sieht den Wetterbericht und könnte sagen, dass er doch lieber das Auto nimmt, weil er dort eine Klimaanlage hat und es so wohl angenehmer wäre. Auch ein Autofahrer leidet unter der Hitze, wenn er im Stau steht. Nicht jeder hat eine Klimaanlage.
Das Argument finde ich nicht so ganz durchschlagend. Der "Witz" beim Motorradfahren ist ja gerade, bei schönem und warmem Wetter zu fahren. Weder bei Regen noch bei Kälte macht es besonders viel Spaß, Zweirad zu fahren. Schon gar nicht, wenn einem bei 100 km/h und geringer Außentemperatur noch ohne Windschutzscheibe der Fahrtwind entgegenbläst oder man bei Regen keinen Scheibenwischer vorm Visier und dadurch deutlich eingeschränkte Sicht hat.
Natürlich fährt man daher eher bei sommerlichen Temperaturen los und man möchte ja die Fahrt genießen und rechnet nicht damit, dabei im Stau zu landen. Motorradfahren ist zudem doch viel mehr "Selbstzweck" als Autofahren, es geht nicht nur darum, von A nach B zu kommen, sondern im Vordergrund steht es, einfach das Fahrgefühl zu genießen.
Natürlich hat nicht jedes Auto eine Klimaanlage. Aber niemand, der geistig noch bei Sinnen ist, wird sich mit dicken Lederklamotten, Stiefeln, Handschuhen und einem Helm auf dem Kopf bei sehr warmem Wetter in sein Auto setzen. Von daher halte ich die Situation eines Auto- und eines Motorradfahrers bei Sommerhitze nicht wirklich für vergleichbar.
Ich finde die Regelung gut, dass die Niederländer den Motorradfahrern erlauben, im Stau vorbeifahren zu dürfen. Die Wärme, die sich unter den Helmen entwickelt und die die Maschine ausstrahlt, ist schon heftig. Ich fahre selbst kein Motorrad und kenne es nur als Sozius. Wenn sie langsam im Stau vorbeifahren, dürfte das keine Probleme geben. Aber wie gesagt, langsam, nicht mit vollem Tempo in der freien Gasse überholen. Dumm und blöd finde ich da die Autofahrer, die extra die Gasse so zumachen, dass kein Motorradfahrer vorbei kann. Ob das nun Neid oder Frust ist, weiß ich nicht. Jedenfalls verhält man sich so nicht.
Angst machen sie mir nur, wenn sie wie die Irren im normalen Verkehr am Auto vorbeifahren oder knapp überholen. Der Vorschlag eines Hörers ist nun wirklich total unsinnig.
Es ist ja eigentlich üblich, dass Motorradfahrer den Rettungsstreifen (also die Spur für Rettungsfahrzeuge, die die Autos zwischen der äußeren und der mittleren Fahrspur bilden) nutzen, um im Stau voranzukommen. Im Prinzip stellt das auch kein Problem dar, da die Fahrer ja langsam fahren und damit niemanden gefährden. Sie sind auch klein genug, um heranfahrende Rettungsfahrzeuge platz zu machen. Es tut also niemanden weh, wenn man dieses Verhalten auch offiziell erlaubt. Das Problem ist eher, dass sich Autofahrer nun benachteiligt fühlen, weil sie diese Option nicht haben.
Natürlich leiden auch Autofahrer, die keine Klimaanlage haben unter der Hitze. Aber sie können sich halt eben nicht gefahrlos am Stau vorbei schlängeln. Das ist dann einfach Pech. Wieso sollte man einfach noch mehr Menschen leiden lassen? Davon abgesehen ist es noch einmal etwas anderes, ob man in einem Auto im T-Shirt sitzt, oder man in einer dicken Lederkombi und Helm verpackt ist. Da kann die Hitze sogar richtig gesundheitsgefährdend werden.
Jetzt stellt sich aber die Frage, ob man hier nicht als Motorradfahrer selbst Schuld ist. Auch er sieht den Wetterbericht und könnte sagen, dass er doch lieber das Auto nimmt, weil er dort eine Klimaanlage hat und es so wohl angenehmer wäre. derpunkt hat es schon sehr gut geschrieben.
Genauso gut könnte man fragen, wieso der Autofahrer überhaupt auf die Autobahn fährt, wenn er doch weiß, dass es dort Stau geben kann. Die meisten Strecken sind nämlich bekannte Staustrecken und die meisten Staus bilden sich entweder im Berufsverkehr oder in der Urlaubszeit.
Als Motorradfahrer finde ich diese Regelung gut, denn im Stau ist es für einen Motorradfahrer nicht gerade angenehm. Neben der heißen Maschine, der Schutzkleidung, in der es beim Stehen auch sehr warm ist, hat man als Motorradfahrer meist kaum etwas zu trinken dabei, weil einfach der Stauraum fehlt, was das Warten in der Hitze noch unangenehmer macht.
Ich fahre mit dem Motorrad zwar nur selten auf der Autobahn, bin aber ein mal in einen Stau gekommen. Als der Verkehr still stand und eine Rettungsgasse gebildet wurde, bin ich in dieser Rettungsgasse mit fast Schrittgeschwindigkeit nach vorn gefahren, natürlich immer mit Blick in den Spiegel, um die Rettungsdienste nicht zu behindern. Das ist bei manchen Autofahrern aber nicht gut angekommen. Einige haben mich angepöbelt und einer ist sogar in die Rettungsgasse gefahren, um mir den Weg zu versperren.
Solches Verhalten finde ich zutiefst asozial und bin froh über die neue Regelung.
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