Große Gefahr der Selbstausbeutung bei Selbstständigkeit?

vom 31.07.2013, 14:22 Uhr

Wenn ich mir die Selbstständigen bei uns im Dorf anschaue, so hat deren Arbeitstag ja selten weniger als 14 Arbeitsstunden. Könnt ihr diese Wahrnehmungen bestätigen und worauf beruht denn diese große Anhäufung von Arbeitsstunden? Ist denn so eine Schufterei als Selbständiger normal oder wie hoch würdet ihr die Möglichkeit einer Selbstausbeutung bei Selbstständigen einschätzen?

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» Nachbars Lumpi » Beiträge: 291 » Talkpoints: 63,72 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Es ist wohl tatsächlich so, dass viele Selbstständige sehr viel arbeiten. Nicht umsonst gibt es den Spruch, dass diese Leute "selbst und ständig" arbeiten. Begründet liegt dies wohl an der Tatsache, dass diese Menschen glauben, durch sie so viel Arbeitszeit wie möglich aufbringen müssen, damit das Geschäft am laufen bleibt und sie genug (oder so viel wie möglich) Geld bekommen. Ich habe von vielen Selbstständigen auch gehört, dass sie ein Problem damit haben, Aufgaben abzugeben, weil dies ja Geld koste und sie anderen diese Aufgaben nicht zutrauen (auch wenn es sich um Spezialisten für das Thema wie z.B. Steuerberater handelt).

Letztendlich ist es aber tatsächlich eher Selbstausbeutung. Wer lange arbeitet, wird irgendwann auch ineffizient. Ich würde behaupten, dass die meisten Menschen mit 8-10 Stunden pro Tag schon an oder über ihrer Leistungsgrenze sind und dadurch ineffizient arbeiten. Viele Leute arbeiten bis spät in die Nacht und sind am nächsten Morgen nicht richtig ausgeschlafen. Sie arbeiten also langsamer, verbrauchen enorme Mengen Kaffee und machen mehr Fehler.

Außerdem kann man durch das gezielte Auslagern von bestimmten Aufgaben sehr viel Zeit sparen, weil es ein Spezialist viel besser und schneller erledigen kann. Gerade Dinge wie Buchhaltung oder die Gestaltung der Webseite nimmt sehr viel Zeit in Anspruch und ist meistens nicht das Hauptgeschäft der Selbstständigen.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Gio am 31.07.2013, 16:18, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen

Welche Branchen sind denn das, wo du das beobachten kannst? Ich selbst bin auch selbstständig, habe dabei auch eine Zeit lang unterrichtet. Ich hatte also ohne Fahrzeiten morgens und am Nachmittag schon mal 7,5 Stunden effektive Arbeitszeit. Dazu kam halt auch noch zu Hause dann die Vorbereitung auf den nächsten Tag und diverse andere Aufträge, die man angenommen hatte. Also am Ende hatte man pro Tag locker zehn Stunden, die man gearbeitet hat.

Heute bin ich noch immer selbstständig, aber meine Arbeit hat sich nicht nur in der Zeit, sondern auch im Umfang verändert. Viele Dinge muss ich nur einmal machen, online stellen und bekannt machen. Der Verdienst entwickelt sich dann von allein. So dass ich heute effektiv noch auf fünf bis sechs Stunden Arbeit pro Tag komme.

Dabei arbeite ich diese Zeit auch nicht am Stück, sondern über den Tag verteilt. Die Hausarbeit wird halt zwischendurch zum gedanklichen Abschalten erledigt. Wobei ich dabei allerdings eben auch nicht zwischen Werktagen und Wochenenden unterscheide. Kommt mir zum Sonntagmorgen eine Textidee, dann wird die eben gleich umgesetzt.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Punktedieb hat geschrieben:Welche Branchen sind denn das, wo du das beobachten kannst? Ich selbst bin auch selbstständig, habe dabei auch eine Zeit lang unterrichtet.

Mir ist das speziell bei gewerblichen Selbstständigen aufgefallen. Auch kenne ich Werbegrafiker und Programmierer die förmlich von morgens bis in die Nacht arbeiten. Natürlich ist das immer sehr projektbezogen und Auftragsabhängig und lässt sich sicherlich nicht auf alle Selbstständigen übertragen. Aber selbst Selbstständige ohne jeglichen Aufträge, werden sicherlich sich den ganzen Tag mit deren Akquise und geeigneten Werbemaßnahmen auseinandersetzen.

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» Nachbars Lumpi » Beiträge: 291 » Talkpoints: 63,72 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Selbstständige sind immer gewerblich. Alle anderen Leute, die nicht im Angestelltenverhältnis stehen und Geld verdienen sind dann Freiberufler. Aber die von dir genannten Branchen sind eben sehr zeitintensiv. Ich baue ja auch ab und an noch Webseiten und kenne es selbst, dass man eben die Nacht durchzieht, wenn man einmal dran sitzt.

Mir selbst ist es auch schon passiert, dass ich nach einer Lösung gesucht habe und die rettende Idee dann mitten in der Nacht kam. Da steht man schon mal auf und versucht diese Idee umzusetzen. Einfach nur, damit man es bis zum Morgen auch nicht vergisst. Und selbst jetzt, wo ich mein eigenes Arbeitspensum wesentlich runter setzen konnte, sitze ich auch mal in der Nacht am Computer.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Ich schreibe ja nebenbei auch Texte und habe auch eine Beratung, aber das übe ich parallel zu meinen Angestelltenverhältnissen aus. Im Prinzip dient das nur als zusätzliche Absicherung, falls ich mal keinen Job mehr haben sollte oder um eben mehr Geld zu verdienen. Aber ich brauche das nicht unbedingt.

Allerdings habe ich so einen gewissen Antrieb, damit im Monat auf eine bestimmte Summe zu kommen und wenn ich das nicht schaffe, bin ich irgendwie unzufrieden. Also ich möchte gerne immer so um die 800 EUR darüber verdienen und wenn es dann mal nur 750 EUR sind, dann ist das kein schönes Gefühl. Eigentlich ist das Quatsch, weil ich ja noch die Angestelltenverhältnisse habe, aber irgendwann kam dann so der Anspruch an mich selber.

Ich bin dadurch auch manchmal länger wach als ich sollte. Allerdings neige ich generell dazu, zu spät schlafen zu gehen. D.h. wenn ich abends nichts am PC machen würde, würde ich stattdessen fernsehen und das garantiert auch zu lange. Ich kann gar nicht pünktlich schlafen gehen; egal, was ich mache, ich mache es immer zu lange.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Gio am 01.08.2013, 10:49, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen

Mein Freund war eine Zeit lang auch selbstständig und zwar während er noch zur Schule ging. Und das hat ihm tatsächlich extrem viel Zeit und auch Nerven gekostet, weshalb er es dann nach fast zwei Jahren aufgegeben hat. Ich bin darüber eigentlich gar nicht so traurig, weil er jetzt endlich wieder mehr Zeit hat und allgemein einfach nicht so viel Stress hat. Das wirkt sich schon deutlich auf seine Laune aus. Damals hat er auch nicht viel geschlafen, weil er immer erst nach Mitternacht ins Bett gekommen ist und am nächsten Morgen aber wieder um acht Uhr in der Schule erscheinen musste. Im Nachhinein finde ich das, was er da gemacht hat, wirklich verrückt.

Er hat Sachen billig eingekauft und teurer verkauft. Da war wirklich alles mögliche dabei, er hat eigentlich alle mal probiert, von Fileshare-Premium-Accounts über Smartphones hinweg bis hin zu Produkten von Lego oder Laptoptaschen. Das Problem bei den Produkten, die er mit der Post verschicken musste, war zum einen, dass er viel Stauraum brauchte und eben immer die Dinge verpacken musste, Briefmarken kaufen musste, und so weiter. Das hat er alles selbst gemacht und das war sehr zeitintensiv. Bei dem Verkauf von Accounts ging er eigentlich zunächst davon aus, dass das einfacher ist, weil er ein Programm gefunden hat, dass beim Kauf die Accountdaten automatisch verschickt. Es kam aber immer wieder vor, dass Accounts nicht funktioniert haben. Entweder war das Passwort falsch oder es waren keine Premium-Accounts. So flatterte bei ihm bei circa jedem fünften Verkauf eine Beschwerde-Mail in das Postfach und das hat ihn dann irgendwann wirklich alle Nerven und Zeit geraubt, die er noch übrig hatte, weshalb er es dann aufgegeben hat.

Bevor man sich selbstständig macht, sollte man sich also ernsthaft Gedanken machen, ob man bereit ist, viel zu arbeiten und am Anfang auch nicht unbedingt gleich viel zu verdienen.

» *sophie » Beiträge: 3506 » Talkpoints: 1,38 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



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