Interaktive Puppen - Unpädagogisch und schrecklich?

vom 20.07.2013, 14:09 Uhr

Zu meiner Kindheit waren sie noch relativ nervig. Man konnte die Puppen öffnen und kleine Schallplatten einsetzen. Dadurch konnte man quasi das Programm ändern, was die Puppe so gesagt hat. Unter anderem im Buch Momo hat Michael Ende diese technisch hoch entwickelten Puppen durch den Kakao gezogen.

Heute gibt es solche Puppen immer noch und teils viel besser. Manche billigen Ausführungen spielen einfach ein Lied ab, wenn man auf den Bauch drückt, sehr zur Freude der Kinder und zur Belastung der elterlichen Nerven. Die etwas besseren interaktiven Puppen können mehrere Sounds abgeben. Klassisch sagen sie etwa Mama oder Papa, weinen oder lachen. Manche spulen das in einer Endlosschleife ab. Andere produzieren so einen Sound, wenn man das passende Körperteil drückt.

Wieder andere Puppen heute können sogar mit Gesichtsbewegungen an einer Flasche saugen, mit dem Fläschchen im Mund einschlafen oder lachen wenn man sie kitzelt und den Sensor berührt. Eine wacht sogar wieder aus dem Schlaf auf, wenn es laut ist und weint dann so lange, bis sie ihren Schnuller oder ihr Fläschchen bekommt.

Eines meiner Kinder hat so eine Puppe, die sich relativ natürlich verhält. Ich hatte die Puppe in einer Produktvorstellung auf Youtube gefunden und diese für gut befunden. Neulich hat das eine Bekannte gesehen und mich für völlig verrückt erklärt. Solche Puppen sind aus ihrer Sicht schrecklich seelenlos und so etwas könne man als vernünftige Mutter keinem Kind andrehen. Das sei nicht pädagogisch zu verantworten, dass das Kind mit so einem Puppenroboter spielt.

Ich habe dazu meinen eigenen Standpunkt, sonst hätte ich so eine Puppe nicht verschenkt. Aber mich würde mal interessieren, wie ihr das so seht. Teilt die Mehrheit eher meine Meinung oder denkt die Mehrheit eher so, wie meine Bekannte? Welche Argumente sprechen für euch für oder gegen so eine Puppe in Kinderhand? Würdet ihr so eine Puppe euren Kindern schenken oder schenken lassen? Ab welchem Alter würdet ihr eurem Kind - wenn überhaupt - so eine Puppe geben?

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Ich verstehe nicht ganz, was an einer sprechenden Puppe seelenloser ist als an einer ganz gewöhnlichen oder einem Teddybär. Natürlich ist es nur Spielzeug. Diese kann halt einige Dinge sagen und tun. Ich würde ja verstehen, wenn man es albern oder nervig findet. Aber warum denn unverantwortlich?

Ob nun ein Junge mit einem Feuerwehrauto spielt, das eine Sirene hat und Wasser spritzen kann oder ein Mädchen mit einer Puppe, die weint und Pipi macht. Ich sehe da keinen Unterschied. Das Mädchen wird ihre Puppe lieben, ob sie nun Geräusche macht oder nicht. Sie wird sich um sie kümmern und gar nicht als seelenlos empfinden. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Kinder vor so einer Puppe Angst haben.

Kleine Mädchen wollen nun mal Puppen haben, kochen und bügeln und einfach Mama spielen. Das ist total natürlich. Dass Puppen nun durch den technischen Fortschritt sprechen können, verändert das Spielen ein wenig. Ich musste früher mit zwei verschiedenen Stimmen spielen, eine für das Baby, die weint und Mama sagt und eine andere für die Mutter, die das Kind dann beruhigt und füttert. Mit einer sprechenden Puppe muss man das nicht mehr. Aber dem Kind ist doch trotzdem klar, dass die Puppe nicht mit ihr spricht und nicht stirbt, wenn sie nicht gefüttert wird. Es ist einfach nur ein batteriebetriebenes Spielzeug.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Seelenlos insofern, weil es die kindliche Phantasie eben wohl nicht so anregt, wie eine herkömmliche, funktionslose Puppe. Die Programmierung gibt eben manches schon vor und setzt dadurch auch Grenzen. Wenn die Puppe laut Programm eben viel weint, dann nimmt das Kind sie nicht als fröhlich wahr. Wenn die Puppe wie ein Baby brabbelt, dann kann diese Puppe im Rollenspiel kaum noch die Rolle eines Schulkindes einnehmen. Von daher ist das wohl als Seelenlos gemeint, weil die Puppe vom Kind eben irgendwann als mechanisch durchschaut wird und nicht als universell einsetzbares Wesen.

Unverantwortlich soll das eben daher sein, weil man dadurch dem Kind ein Stück Kindheit raubt, wenn man ihm solche Grenzen setzt. Kinder durchleben eine Magische Phase, in der sie eben alles für möglich halten und in der Phantasie sehr viel ausleben, was im realen Leben nicht möglich ist. Es gibt eben Leute, die davon ausgehen, dass das Ausleben dieser Phase sehr wichtig ist. Die Waldorfpädagogen gehen ja sogar so weit, dass die Puppen nicht mal ein eindeutiges Gesicht haben, damit das Kind nicht etwa durch eine vorgefertigte Mimik in der Phantasie beschränkt wird. Ob man mit der Argumentation mit gehen möchte, ist aber jedem selbst überlassen.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Dann ist aber "seelenlos" das komplett falsche Wort dafür und hat mich voll in die Irre geleitet.

Sicher schränkt es die Phantasie und die Möglichkeiten etwas ein, wenn die Puppe sozusagen aktiv mitspielt. Wobei ich denke, dass die Spielzeughersteller auf eine ausgewogenen Mischung aus Weinen und Lachen geachtet haben und ich hab mit meinen Puppen nie Schulkind gespielt, sie waren meine Babys. Aber es ist ja auch nicht so, dass diese Puppen damit das ganze Spiel vorgeben und Kinder spielen ja auch mit vielen verschiedenen Spielzeugen.

Sicher sollte man darauf achten, die Phantasie seines Kindes anzuregen. Aber da sehe ich in den Puppen keine sehr große Gefahr. Ein anderes Kind würde ja auch aktiv mitspielen und eine Richtung vorgeben. Also ich denke nicht, dass es verantwortungslos ist, seinem Kind so eine Puppe zu geben. Sie ist ja nur ein Puzzleteil im großen Ganzen.

Die Waldorfianer sind in diesem Punkt übrigens sehr inkonsequent, wenn ich das alles richtig verstanden habe. Rudolf Steiner hat nämlich eigentlich vorgegeben, dass sich bei Kindern in den ersten 7 Jahren nur der Körper entwickelt. Erst in der Phase danach entwickelt sich der Geist und damit auch die Phantasie. Vor 7 bräuchten Kinder also gar kein Spielzeug. Aber das wird in Kindergärten zum Glück nicht umgesetzt.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Das mit dem Begriff seelenlos mag irreführend sein. Dieser Begriff für das Problem ist auch nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern ist von meiner kritisierenden Bekannten so gewählt worden. Mir fiel schlicht und ergreifend kein anderer oder klarer Ausdruck ein. Ich vermute mal, dass es für so was auch keinen Ausdruck gibt.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Seelenlos finde ich ein hartes Wort. Natürlich hat eine Puppe keine Seele, aber hat so was denn irgendein Spielzeug? Oft wird argumentiert, dass man so was früher nicht hatte und auch gut leben konnte. Dem stimme ich voll und ganz zu. Ich hatte früher kein Nintendo, kein Handy und keine 20 Flaschen Nagellack im Alter von 10 Jahren, aber heute ist das eben anders. Es ist ganz normal, auch im Bereich des Spielzeugs Neuerungen mitzumachen, dazu gehört eben auch die Technisierung.

Ob man für ein solches Spielzeug das entsprechende Kleingeld hat und ausgeben will, ist eine andere Sache. Meine Tochter hat für ihr Nintendo ihr Taschengeld und sämtliche Zuwendungen der Oma gespart, ich habe die letzten 20 Euro dann beigesteuert. Ich war nämlich der Meinung, dass ein Kinder im Alter von 7 kein solches Elektronikspielzeug braucht. Andere Kinder bekamen diese Teile reihenweise geschenkt.

Nicht jedes Spielzeug, das voller Technik steckt, ist sinnvoll und oft genug sage ich rundweg nein, es aber grundsätzlich dafür zu verteufeln, halte ich für unnötig. Die Kinder wissen durchaus um den Spielzeugcharakter, es macht aber anscheinend einfach mehr Spaß, wenn die Puppe etwas aktiver beim Spiel ist.

» Thaddäus » Beiträge: 1011 » Talkpoints: 22,78 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


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