Unmotivierter Jugendlicher vor einem Vorstellungsgespräch
Ich stand gestern in einer Firma in einem Büro und brauchte einen Passierschein, um das Firmengelände betreten zu dürfen. Auf diesem Gelände sind viele Firmen ansässig und man braucht immer einen Passierschein oder Besucherausweis, wenn man zu einer Firma auf diesem Gelände möchte. Dazu braucht man seine Ausweispapiere und muss auch unterschreiben.
Nun war bereits ein junger Mann und sein Vater vor mir dran. Der junge Mann saß auf einem der Stühle vor dem Schreibtisch und der Vater stand dahinter, obwohl noch ein zweiter Stuhl dort steht. Die Sachbearbeiterin war als ich kam gerade am telefonieren, ob man den Jungen rein lassen kann, weil er keine Ausweis bei sich hatte. Sie ließ sich seine Daten geben. Die er eher unmotiviert eben angab. Dann unterschrieb er nur mit seinem Vornamen. Mich hat gewundert, dass die Dame, die dort eben für Passierscheine und Besucherausweise zuständig ist, immer freundlich blieb.
Der junge Mann gab nur scheinbar widerwillig Auskunft und war auch eher muffelig. Die Sachbearbeiterin war wirklich freundlich zu ihm. Sie brauchte vom Vater noch das Kennzeichen des Fahrzeugs, weil man dafür auch einen Passierschein braucht. Der Vater musste erst mal überlegen und fing dann an zu suchen. Der Sohn konnte von sich aus den Kennzeichen nennen. Was aber seine einzige Äußerung war, die er ungefragt getätigt hat. Was aber auch irgendwie zeigte, doof ist der Junge nicht.
Zum Abschluss drückte die Dame dem Jungen einen Lageplan des Geländes in die Hand und meinte zu ihm, nun könnte er seinen Vater dirigieren. Das hätte mir eher ein Lächeln auf die Lippen gezaubert, wenn ich in der Situation gewesen wäre. Allerdings ein eher diebisches Lächeln. Denn die Vorstellung, meinen Vater mal quer über ein riesiges Firmengelände zu lotsen, wäre schon witzig gewesen. Vater und Sohn verließen dann das Büro.
Es war klar, dass die beiden zu einem Vorstellungsgespräch für den Jungen dort waren. Ich vermute mal für einen Ausbildungsplatz. Der Teenager drückte mit seiner ganzen Haltung nur Ablehnung aus. Sein Vater griff auch nicht wirklich ein und wirkte eher so, dass er den Jungen halt machen ließ. Mich hatte es schon verwundert, dass der Jugendliche keinen Ausweis dabei hatte. Aber gut, hatte ich in dem Alter auch nicht zwingend. Allerdings müsste zumindest dem Vater klar gewesen sein, dass man, wenn man einen Besucherausweis oder Passierschein braucht, wahrscheinlich auch einen Ausweis vorlegen muss.
Alles in allem strahlte der Junge eine solche Unmotiviertheit aus, dass ich kurz davor war, dem Jungen zu sagen, er soll doch mal lächeln. Immerhin will er ja was von einer der Firmen. Ansonsten sah der Junge ordentlich aus. Rein vom äußerlichen wirkte er wie ein Jugendlicher, den man gerne als Auszubildenden hätte. Nur zählen bei einem Vorstellungsgespräch eben nicht nur Äußerlichkeiten. Seine ganze Haltung drückte Ablehnung aus. Keine Ahnung gegen was.
Ich könnte nun spekulieren, ob der Vater vielleicht den Jungen dazu gezwungen hat? Dann hätte er aber vielleicht mal eingegriffen, was er nicht gemacht hat. Er wirkte auch nicht so, als wenn er sich für das Verhalten seines Sprösslings schämt. Oder will der Junge gar nicht bei dieser Firma arbeiten? Dann bringt es wenig, ihn zu einem Vorstellungsgespräch zu zwingen. Wie hätte man den Jugendlichen vielleicht als Außenstehender motivieren können? Sämtliche, wirklich netten und freundlichen Hinweise, der Sachbearbeiterin, wurden wortlos und unkommentiert gehört. Sie wies ihn unter anderem darauf hin, dass es sinnvoll ist, immer einen Personalausweis zu einem Vorstellungsgespräch mitzubringen.
Überredet hat; das muss ja nicht bedeuten, dass er ihn gewaltsam dazu zwingt. Vielleicht haben die beiden sich auch vorher noch gestritten, sodass dann etwas Funkstille herrschte. Etwas unmotiviert wirkende Jugendliche erlebe ich oft, manche sind auch generell so, die haben scheinbar keine richtigen Emotionen und können sich gar nicht freuen.
Ich würde aus dem kurzen Kennenlernen gar nichts schließen. Gerade männliche Jugendliche wollen oft einen coolen Eindruck erwecken, obwohl sie ziemlich nervös und unsicher sind. Das erscheint dann in den Augen anderer Menschen völlig unpassend. Aber sie meinen es oft gar nicht so. Wahrscheinlich verhält er sich ganz anders, wenn der Vater weg ist. Es wäre wahrscheinlich besser gewesen, wenn dieser gar nicht mitgekommen wäre. Dann wäre der Jugendliche auf sich gestellt gewesen und hätte nicht alles dem Vater überlassen können.
Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass es an der Anwesenheit des Vaters lag. Immerhin macht der Junge gerade seine ersten Schritte in die Erwachsenenwelt und da hat er seinen Vater an der Backe. Das ist doch total peinlich. Vielleicht ist es aber auch nötig, dass der Vater dabei ist, weil der Junge zu anderen Vorstellungsgesprächen nicht erschienen ist. Dann sind sie eh gerade zerstritten und es herrscht dicke Luft.
Es ist doch ganz gewiss eine sehr schwierige Zeit für Jugendliche. Die vertraute Umgebung der Schule wird ihnen genommen. Stattdessen sollen sie sich für einen Beruf entscheiden, den sie möglichst die nächsten 50 Jahre ausüben wollen und müssen so schreckliche Sachen wir Vorstellungsgespräche über sich ergehen lassen. Ich krieg allein bei der Vorstellung schon schlechte Laune.
Dass die Dame so nett war, finde ich nicht weiter verwunderlich. Es ist ihr Job. Sie kann doch nicht wegen jedem schlecht gelaunten Teenager pampig werden. Sie wusste ja auch gar nicht, warum der Junge so schlecht drauf war. Da wäre es doch sehr kindisch von ihr, wenn sie das persönlich nimmt und auch unfreundlich wird. Dass der Junge auf den Hinweis, immer einen Personalausweis zu Vorstellungsgesprächen mitzunehmen, nicht reagiert hat, finde ich auch nicht verwunderlich. Das war womöglich nett gemeint, aber das kann ganz schnell falsch ankommen. Es klingt etwas von oben herab und es geht sie gar nichts an.
Und das gleiche gilt für Außenstehende. Es geht einen nichts an und jeder gute Ratschlag könnte und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit schlecht aufgenommen. Für mich wäre es in einer solchen Situation der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, wenn sich eine Fremde noch einmischt. Mit 15 wäre ich dann entweder ausgeflippt und wäre gar nicht zum Vorstellungsgespräch gegangen oder ich wäre noch wütender geworden, was auch nicht hilfreich ist.
Ich hätte mir in einer solchen Situation eigentlich keine Gedanken über das Verhalten des jungen Mannes gemacht. Auch würde ich aufgrund seiner unmotiviert wirkenden Haltung nicht direkt davon ausgehen, dass er vielleicht zu einer Bewerbung bei einer auf dem Gelände ansässigen Firma genötigt wurde. Ich denke, dass es einige Möglichkeiten gibt, warum der Jugendliche einen solchen Eindruck hinterlassen hat, aber letztendlich kann man nur spekulieren und das Ergebnis der Spekulationen muss nicht unbedingt zutreffend sein.
Es kann sein, dass der Junge an sich einfach jemand ist, der immer etwas muffelig wirkt. Solche Leute gibt es immer wieder, ohne dass sie wirklich so unfreundlich erscheinen wollen. Manche wollen auch cool wirken und geben sich deshalb etwas wortkarg. Die merken vielleicht gar nicht, dass so ein Verhalten dann nach hinten losgeht.
Früher ging es mir extrem auf die Nerven, wenn Leute betont freundlich waren. Meistens gab es dann noch irgendwelche tollen und scheinbar gut gemeinten Ratschläge, die im Endeffekt einfach nur lästig waren. Es kann sein, dass der Junge vielleicht schon zuvor von seinem Vater irgendwelche tollen Ratschläge erhalten hat, wie er sich am besten präsentieren sollte. So etwas nervt dann irgendwann so sehr, dass man lieber schweigt. Das ging mir als Jugendlicher nicht anders. Wenn dann noch eine überfreundliche Sachbearbeiterin hinzukommt, die ihrerseits wieder Ratschläge auf Lager hat, so sinnvoll und gut die auch sein mögen, nervt das irgendwann einfach.
Also von der reinen Beobachtung würde ich nicht davon ausgehen, dass er unmotiviert ist. Oftmals wollen Teenager doch cool sein und vielleicht ist er einfach übertrieben nervös gewesen und wollte einfach nur einen auf cool machen. Dass der Vater ihn zu dieser Stelle zwingt kann sicherlich auch sein, aber so ist es eben und im Vorstellungsgespräch würde das ja auch herauskommen.
Außerdem kann es auch einfach am Alter liegen. Ich denke aber auch, dass es einem in dem Alter noch nicht unbedingt klar ist, wie man sich bei so etwas verhalten muss und wie wichtig das vor allem ist. In dem Alter ist es aber auch nicht besonders schön, wenn man den Vater dabei haben muss und das wird ihm sicherlich auch unangenehm gewesen sein.
Ich finde es jetzt auch schwierig, von der einen Situation, die du mitbekommen hast, darauf zu schließen, dass der Junge unmotiviert war. Sicher wirkte er in dem Moment so, aber es wäre ja wirklich auch möglich, dass er nervös war und das durch betont gleichgültiges Verhalten bei der Empfangsdame überspielen wollte. Vielleicht war er bei dem Vorstellungsgespräch ja auch ganz anders, wenn der Vater vielleicht nicht dabei war.
Natürlich kann es auch sein, dass der Vater dieses Vorstellungsgespräch arrangiert hat und dass der Junge dem deswegen so ablehnend gegenüberstand. Aber dann wird er es ja auch merken, dass es schwer wird, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, wenn man so gleichgültig an die Sache heran geht.
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