Spendenaufrufe für Hochwasseropfer moralisch vertretbar?

vom 23.06.2013, 00:36 Uhr

Es gibt ja in letzter Zeit immer sehr viele Spendenaufrufe für die Hochwasseropfer im Osten und Süden des Landes, was ja auch sicher einen guten Zweck hat. Besonders bei RTL konnte ich beobachten, dass in nahezu jeder Sendung in der Primetime Spendenaufrufe eingeblendet wurden, in denen man dazu aufgerufen wird, eine SMS an eine Mehrwertnummer zu senden. Damit kann man dann 5 Euro spenden.

Sicher sind diese Spendenaufrufe sinnvoll und auch nötig, weil die Bevölkerung in den Hochwassergebieten, wie man ja durch die Medien erfährt, jede Hilfe gebrauchen kann. Allerdings stellt mir persönlich die Frage, ob man es da nicht ein wenig übertreibt. Wenn ich an die Menschen in einigen armen Teilen Afrikas denke, sind diese doch viel mehr benachteiligt.

Jetzt würde ich gerne mal eure Meinung dazu hören. Was haltet ihr davon? Meint ihr, es ist richtig, möglichst viele Spendenaufrufe für die Hochwasseropfer zu starten, oder seid ihr da eher nachdenklich, was die Verhältnisse angeht?

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» Bongaloo » Beiträge: 101 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich bin da etwas gespalten. Natürlich ist es schade für Leute, die viel verloren haben oder wo das Haus nachher komplett saniert werden muss. Aber auf der anderen Seite frage ich mich schon, ob das denn immer so gerecht ist, wenn so viele Hilfsgelder akquiriert werden. In der Zeitung, die wir hier bekommen, war beispielsweise die Geschichte eines Restaurants zu lesen, das 2002 schon einmal fast eine halbe Million bekommen hat, um sich zu sanieren, weil nach der damaligen Flut alles kaputt war. Überlegt Euch mal, wie viel das ist! Davon könnte sich mancher zur Ruhe setzen. Und nun ist es wieder passiert, weil die Besitzer nicht alles rechtzeitig herausgeräumt oder in höhere Etagen verlagert haben. Das finde ich schon sehr krass. Teilweise stammte das wohl von der Versicherung, aber ich finde den Fall wirklich auch beispielhaft.

Es gab schon einmal vor 11 Jahren das gleiche Szenario. Und sonderlich viel haben die Leute nicht daraus gelernt. In manchen Städten wurden Flutschutzanlagen gebaut, aber manchmal wollten die Bürger auch genau das nicht, weil das denen die Aussicht versperrte. 2006 gab es dann nochmals eine kleinere Flut und nun wieder und es standen erneut viele Regionen unter Wasser. Ich bin ja selber durch so ein Gebiet gefahren, wo die Straßen dann teilweise gesperrt waren und wo man sich schon fragte, warum denn da manche direkt an den Flüssen bauen oder zwischen Fluss und Straße nur ein läppischer Gartenzaun steht und keine Mauer oder irgendwas, was man im Falle des Falles auch als Schutz verwenden kann.

Da hat man schon teilweise den Eindruck, dass die Menschen überhaupt nicht vorbeugen. Sicherlich kann der Keller durch den Druck des Grundwassers immer noch volllaufen, wenn man eine Mauer ums Haus baut, aber dann ist es eben nur der Keller und nicht gleich noch die erste Etage mit. Ich finde, dass jeder einzelne, der in solchen Gebieten wohnt und das Problem von 2002 kennen müsste, auch für sich selbst verantwortlich ist und Schutzmaßnahmen ergreifen sollte. Auch wenn man dann nicht die Möglichkeit hat, eine Dämmwand oder so zu erreichten; es ist ja mitunter schon damit geholfen, ein Entwässerungssystem in den Keller zu bauen, einen Überlauf oder Auffangrinnen. Man kann so viel machen und manche tun das einfach nicht.

Ich weiß, dass Versicherungen nicht alles bezahlen oder manche keine Versicherung haben. Aber auch hier muss ich dann sagen, dass es eben unvernünftig ist, neben einem Fluss zu wohnen, wenn man keine Versicherung bekommt. Und den Schaden zahlt dann entweder die Allgemeinheit, weil die staatlichen Fluthilfen ja aus Steuergeldern stammen oder über Spenden. Dabei ist ja davon auszugehen, dass sowas eben nicht nur einmal aller 100 Jahre passiert, sondern offenbar aller 5 bis 10 Jahre.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Deutschland mit Afrika zu vergleichen ist ungefähr so als würde man Äpfel mit Birnen vergleichen. Warum sollte man denn mehr ins Ausland spenden, wenn auch im eigenen Land Existenzen bedroht sind? Viele Menschen haben ihre Häuser, Läden und Existenzen verloren, da kann man doch nicht einfach wegsehen und den Blick nach Afrika richten. Es muss geholfen werden. Der Staat alleine sollte das nicht machen müssen. Wir müssen auch gegenseitig helfen lernen.

Ich denke, dass diese Spendenaufrufe nicht nerven und auch so gemacht werden müssen. Es haben nun mal viele Menschen sonst keine Chance aus ihrer Misere heraus zu kommen. Man muss auch im eigenen Land helfen und wenn diese Aufrufe kommen erinnern sie die Menschen eben an das Leid anderer Menschen in ihrem Land, wenn sie selber gerade vor dem Fernseher hocken und sich über die Werbung aufregen.

Ich meine im Grund ist es doch auch egal, ob nun Werbung zum Shoppen kommt oder ein Spendenaufruf. Man muss sich auch mal sozial zeigen im Leben. Die soziale Verantwortung liegt nun mal auch beim Volk und nicht nur beim Staat. Afrika muss man nach und nach helfen, aber hier in Deutschland kann man jetzt Hilfe leisten und wird auch schnell eine Verbesserung sehen.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich denke, dass ein Aufruf zum Spenden generell eine gute Sache ist. Allerdings hört man diese Aufforderungen aus allen und vor allem verschiedenen Ecken. Ich würde es als effektiver erachten, wenn nur eine, maximal drei Organisationen die Arbeit erledigen. Denn jede weitere Organisation verbraucht einen guten Teil der Spendengelder für administrative Ausgaben. Es es Porto oder Briefpapier. Zudem wollen auch Mitarbeiter wenigstens eine Aufwandsentschädigung haben.

Ebenfalls müssen Räume angemietet werden. Ich könnte mir vorstellen, dass der ganze Wildwuchs an Hilfsorganisationen zum Beispiel durch das THW eingedämmt werden kann. Diese Orga kennt sich mit Hilfe am besten aus und verfügt über einen guten Anteil von Infrastruktur. Selbst wenn zusätzliche Mitarbeiter eingestellt werden müssten, wäre die Ausgabe (die über die Spendengelder finanziert wird) geringer, als wenn neue Organisationen aus dem Boden gestampft werden.

» yourinspiration » Beiträge: 19 » Talkpoints: 6,00 »



Ich sehe das genau anders herum. Warum sollten wir die ganze Zeit andere Länder unterstützen, wenn es die Leute hier doch auch nötig haben? Genügend Menschen haben durch das Hochwasser ihren ganzen Besitz verloren. Warum sollten diesen Menschen weniger Geld aus dem eigenen Land zustehen, als wir immer in andere Länder geben? Eine Freundin von mir ist auch betroffen, ihre komplette Wohnung ist hin, sie ist gerade vor zwei Monaten eingezogen. Sie hat zwar versucht alles zu retten, aber wirklich funktioniert hat das nicht. Nun hat sie gerade erst viel Geld für den Umzug ausgegeben, eine Versicherung hatte sie nicht und jetzt muss sie wieder viele Dinge nachkaufen. Deswegen finde ich es auch gerecht, wenn den Flutopfern Spendengelder zukommen und sie sich damit neu aufbauen können.

» Wunschkonzert » Beiträge: 7184 » Talkpoints: 42,56 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich sehe an Spendenaufrufen nichts moralisch Verwerfliches. Man muss ja nicht spenden. Jeder sucht sich die Spendenorganisation aus, die er für sinnvoll hält. Das kann der Tierschutz sein, amnesty international, das Rote Kreuz, die Welthungerhilfe oder die SOS-Kinderdörfer. Ich finde es gut, wenn Leute an Organisationen spenden, die helfen, und unterscheide da nicht nach mehr oder weniger sinnvoll.

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Grundsätzlich stimme ich hier nur einem Teil des gesagtem zu. Bei dem Argument, dass deutsche Existenzen auch bedroht wären, und nicht nur afrikanische, musste ich jedoch schmunzeln. Die Existenzen hierzulande werden definitiv nicht bedroht sein. Wir leben in einem Sozialstaat, bei dem beinahe Jeder an seine Grundsicherung kommt, zu Afrika brauche ich nichts mehr zu sagen, das sollte in jeder Birne drinnen sein, das kann man nicht mit einem - schon etwas übertrieben gesagt - Flutopfer in Deutschland vergleichen.

Ich selbst habe auch sehr viele Bekannte in solchen Gebieten. Meine Oma beispielsweise, kaum bei Kräften, tut eben mit Hilfe von Nachbarn oder anderen, die es weniger getroffen hat, Sachen aus dem Keller graben und dann auch danach wieder dafür zu sorgen, dass das ganze Jahr über gelüftet wird, dass kein Schimmel entsteht, oder eben die Entsorgung von verlorenen Dingen. Möbel gehen kaputt und so weiter. Die Feuerwehr ist fast Dauerunterwegs und pumpt jetzt, wo es sich ausgeklungen hat, Wasser aus den Kellern, aber mehr gibt es da eben nicht zu machen. Wer wirklich Schaden genommen hat, also Haus / Wohnung verloren, wird dies mit Sicherheit auch ohne Spenden wieder zurückbekomme, und wenn nicht, dann ist das halt eine folge vom Klimawandel, oder von mir aus anderen Gründen, die wir nun eben zu begleichen haben werden.

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» Zollstock » Beiträge: 338 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich finde schon, dass die Spendenaufrufe moralisch vertretbar sind. Auf keinen Fall würde ich eine solche Spendenaktion dazu benutzen, um auf die Not in Afrika aufmerksam zu machen. Vergleichbar wären da die vielen Opfer der Überschwemmungen in Bangladesch oder Mittelamerika. Es gibt viele Länder, die dringend Hilfe benötigen. Aber es geht nun mal nicht alles auf einmal. Und benötigt wird nun mal zur Zeit dringend Hilfe im eigenen Land. Für mich ist das schon vorrangig.

Hast du mal darüber nachgedacht, dass auch in den überschwemmten Gebieten die Menschen teilweise vor dem Nichts stehen? Einige hätten vorsorgen können, aber nicht alle. Das was seit der letzten Überschwemmung geändert wurde, reichte leider nicht. Vielleicht sind die Menschen nach kurzer Zeit nach der letzten Katastrophe wieder in Lethargie verfallen und haben gedacht, dass es eine einmalige Sache war und nicht wieder passiert. Doch leider sind seitens der Politik auch nicht alle Vorsorgemaßnahmen getroffen worden. Ob das am fehlenden Geld lag oder an etwas Anderem, ich weiß es nicht. Aber nun muss geholfen werden, weil eben die Katastrophe wieder eingetreten ist. Die Menschen in ihren Wohnungen haben es nicht verdient, dass man sie hängen lässt und statt dessen auf Afrika verweist.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


Ich verstehe schon, worum es dir geht und ich denke auch nicht, dass man die Situation der Leute in den Hochwassergebieten mit der in den Dritte-Welt-Ländern vergleichen kann. Natürlich haben hier wieder einige vieles verloren, aber es geht dabei vor allem um materielle Dinge, zumindest für die allermeisten Betroffenen. Diese Situation kann man nicht mit der von Menschen vergleichen, die zum Teil über Jahre hinweg, oft ihr ganzes Leben lang, nicht einmal sauberes Trinkwasser und kaum genug zu essen haben. In Deutschland geht es schon irgendwie um Luxusprobleme, auch wenn man sagt, dass da Existenzen bedroht sind. Dabei läuft es letztendlich doch auf die materielle Existenz hinaus.

Im Fernsehen sind mir bislang eigentlich keine Spendenaufrufe aufgefallen, aber ich schaue zum Beispiel auch keine Privatsender. Allerdings habe ich zuletzt gestern an einer Bushaltestelle ein Plakat gesehen, das für mehr Spenden werben sollte. Ich finde solche Plakate in Ordnung und sie stören mich nicht. Ich spende grundsätzlich nicht für Menschen, sondern nur für Tiere, und ignoriere die Plakate daher, weil sie mich nicht ansprechen. Es stört mich aber auch nicht, dass die dort hängen und mir wäre es auch egal, wenn ich im Fernsehen mit solchen Werbespots konfrontiert werde, in denen um Spenden gebeten wird.

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» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Man kann kaum Deutschland mit Afrika vergleichen. Und meiner Meinung nach, würde man in Afrika mehr bewirken, wenn man nicht nur Geld in die Länder pumpt, sondern ihnen wirklich zeigen würde, wie sie ihre Lebenssituation verbessern können. Wobei es da auch in manchen Regionen schon geklappt hat, wie man in Fernsehberichten sehen konnte. Aber das ist ein anderes Thema.

Man kann nun auch einem Restaurantbesitzer keinen direkten Vorwurf machen, weil er seine Sachen nicht schnell genug aus dem Erdgeschoss gebracht hat. Viele Beispiele haben gezeigt, dass gerade in Sachsen das Wasser zu schnell kam, als dass man viel hätte retten können. Was will man auch machen, wenn gerade die Information kommt, dass man packen soll und plötzlich kommt das Wasser angeschossen?

Außerdem ist es ein sehr kleiner Teil der betroffenen Menschen, die sich wirklich gegen entsprechende Schutzmaßnahmen gewehrt haben. Soll man da nun alle anderen Betroffenen in dem Ort die Hilfe verwehren? Wenn mein Nachbar gegen eine Hochwasserschutzmaßnahme klagt und mir dann das Haus absäuft, habe ich doch weder eine Schuld am Hochwasser, noch dass die Schutzmaßnahmen nicht schnell genug gebaut werden konnten.

Und bedrohte Existenzen haben wir eben auch in diesem Gebieten. Sicherlich werden sie vom sozialen Netz aufgefangen. Aber wenn diese Leute dann nur von Sozialleistungen leben müssen, dann schadet es dem ganzen Land, weil eben auch die Kaufkraft sinkt, eventuell noch Angestellte entlassen werden müssen und so weiter. Ergebnis dabei ist, dass eben dort Gelder jeden Monat ausgezahlt werden müssen, wo Kassen und Ämter sonst Einnahmen hatten. Und das schadet nicht nur der einzelnen Person oder einem Ort.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


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