Sollte man Kindern eigene Wertvorstellungen vermitteln?

vom 20.05.2013, 13:27 Uhr

Ein gewisser Werteverfall in der Gesellschaft ist ja unverkennbar. Von daher habe ich meinen Kindern auch zumindest stets versucht meine eigenen Wertvorstellungen auf sie zu übertragen. Dass Kinder bereits in frühen Jahren Wertvorstellungen entwickeln, finde ich ja ziemlich wichtig. Nur ob es immer und unbedingt die eigenen sein müssen, darüber bin ich mir noch nicht ganz schlüssig. Wie wurde es denn bei euch gehändelt oder wie vermittelt ihr euren Kindern Wertvorstellungen? Wie wichtig erscheint es euch dass Kinder ohne äußeren Einfluss ihre eigenen Wertvorstellungen entwickeln?

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» blaschi » Beiträge: 120 » Talkpoints: 47,51 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Dass ein Werteverfall in der Gesellschaft unverkennbar sei, haben schon die Griechen im antiken Griechenland behauptet, genauso wie es heute die älteren Generationen tun. Tatsächlich findet aber nur ein Wertewandel statt wobei die überholten Werte naturgemäß wegfallen oder sich stark transformieren. Ein weiterer Grund für so einen Eindruck sind die Medien, welche größtenteils von Fällen von Missachtung bestimmter Werte berichten während es "Wohltäter" kaum in die Nachrichten schaffen. Da gibt es auch den Spruch "only bad news are good news". Man sollte sich also nicht von den Medien beirren lassen, denn bei den Verfehlungen handelt es sich zumeist um Einzelfälle, die hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerungszahl einen verschwindend Geringen Anteil ausmachen. Die Werte wandeln sich, werden in ihrer neuen Form aber von den meisten beachtet.

Ausgehend von der Annahme, die Werte unterlägen einem permanentem Wandel, erachte ich es für wenig sinnvoll den eigenen Kindern seine eigenen Wertevorstellungen aufzudrücken, da diese zum aktuellen Zeitpunkt möglicherweise schon überholt sind oder zumindest an Relevanz verloren haben. Das Kind muss lernen sich in der Gesellschaft selbstständig zurechtzufinden und die Sozialisation tut bei der Wertevermittlung schon ihr übriges. So erfährt das Kind bereits im Kindergarten, dass es nicht in Ordnung ist zu stehlen oder auf andere körperliche oder verbale Gewalt auszuüben.

Solches Fehlverhalten wird dort ja rasch sanktioniert und das setzt sich dann auch im übrigen Leben fort, wobei das später eben die Polizei ist, die gegen grobe Abweichungen von der Norm die nötigen Maßnahmen ergreift. Zum anderen wären selbst erfolgreich "eingetrichterte" Werte nach der Pubertät schnell verflogen, da sich das Kind in dieser Phase ganz bewusst von den Eltern "abnabeln" will und je konservativer die Erziehung dann gewesen ist, desto heftiger dürfte auch die Rebellion ausfallen, sodass der eigentlich gewünschte Effekt der Wertevermittlung schnell ins Gegenteil umschlägt. Mein Fazit lautet also: Leben und leben lassen. Jeder muss seine eigenen - zeitgemäßen - Erfahrungen machen und eigenständig aus ihnen lernen.

» MasterOers » Beiträge: 348 » Talkpoints: 1,16 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Was den "Werteverfall" angeht, kann ich mich meinem Vorredner anschließen. Die Werte werden nicht zwangsläufig schlechter, aber auch nicht besser: Sie ändern sich eben und sind auch von der Kultur und der sozialen Stellung abhängig. Bei uns haben relativ lange Zeit "bürgerliche" Werte wie Fleiß, Unterordnung unter Autoritäten und die gängigen "Mädel, du heiratest ja doch nur"- Geschlechterrollen gehalten, dann standen individuelle Selbstfindungsgeschichten im Vordergrund und in 20 oder 50 Jahren herrscht vielleicht wieder das Faustrecht.

Riskant finde ich dagegen den Ansatz, Kinder quasi frei von Wertvorstellungen zu erziehen und darauf zu vertrauen, dass ihnen das erste "Veilchen" im Kindergarten, weil sie lügen und Sachen kaputtmachen (oder was auch immer) sie schon die aktuell geltenden Regeln lehren wird. Bei allem Wertewandel gibt es wohl doch ein paar Grundregeln, die man auch Kindern schon beibringen kann, damit sie nicht alles auf die harte Tour lernen müssen.

Für mich sind beispielsweise Ehrlichkeit, Selbstbewusstsein und Aufgeschlossenheit wichtige Werte, die ich wohl auch meinen Kindern versuchen werde zu vermitteln. Ich kann ja schlecht dabei zusehen, wie im Extremfall ein hinterhältiger, engstirniger kleiner Lügner in meinem Haushalt heranwächst und darauf warten, dass die Gesellschaft ihn schon richtet.

Die Geister werden sich wohl mal wieder scheiden, aber für mich ist Erziehung zum großen Teil Wertevermittlung. Es ist ja schließlich nicht damit getan, die Kinder zu füttern, mit Kleidung zu versorgen und zum Arzt zu bringen. Oder doch?

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Prinzipiell bin ich der Meinung von MasterOers. Schon der griechische Philosoph Sokrates behauptete in der Antike, dass die Jugend keinen Respekt mehr habe, sich vor älteren Leuten nicht verneige und mehr schwatze als arbeite. Nun, wie dem auch sei, grundlegend kann man nicht sagen, dass man hier einen Werteverfall vorliegen hat. Vielmehr hat jede Generation für sich eine andere Wertvorstellung, weshalb die Werte sich prinzipiell einfach nur verändern beziehungsweise einer gewissen "Werte-Evolution" unterliegen.

Das Problem, warum vor Allem in der heutigen Zeit sehr viel über die heutige Jugend "abgelästert" wird, ist doch viel weniger, dass diese Jugendlichen keine Wertvorstellungen mehr haben, sondern dass die Medien die schlechten Nachrichten einfach ohne Ende breittreten und somit viel eher eine Schandtat eines Jugendlichen ans Tageslicht kommt als die Heldentat eines Selbigen. MasterOers hat hier ja bereits den Spruch "only bad news are good news" angeführt, was meiner Meinung nach auch vollkommen zutrifft!

Natürlich liegt man nicht falsch, wenn man behauptet, dass man seinen Kindern gewisse Wertvorstellungen vermitteln sollte, jedoch muss man auch hier vorsichtig sein, insofern man nicht möchte, dass die Kinder in ein paar Jahren von ihren Mitmenschen als altbackene Spießer wahrgenommen werden. Andererseits sollte man seine Kinder auch nicht verkümmern lassen und ihnen nahelegen, dass man andere Meinungen und, bezogen auf das eigentliche Thema, andere Wertvorstellungen zu akzeptieren beziehungsweise zu tolerieren hat. Das ist eine der wichtigsten Sachen, die an der heutigen Jugend kritisiert beziehungsweise bemängelt werden, wenn man einfach einmal von mangelnder Disziplin absieht.

Man muss wie bei vielen anderen Dingen auch ein gewisses Maß bewahren und seine Kinder nicht zu totalen Spießern erziehen. Andererseits sollte man seine Kinder auch nicht rülpsend und ohne Benehmen durch die Gegend laufen lassen! :!:

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» KingTarzan » Beiträge: 722 » Talkpoints: 0,49 » Auszeichnung für 500 Beiträge



blaschi hat geschrieben:Ein gewisser Werteverfall in der Gesellschaft ist ja unverkennbar.

Tatsächlich? Ist es nicht eher so, dass das eine rein subjektive Empfindung ist, die auf der Tatsache beruht, dass man selber mit dem Wertewandeln nicht mehr richtig mitkommt und mit neuen Werten nicht so viel anfangen kann?

Dass Kinder bereits in frühen Jahren Wertvorstellungen entwickeln, finde ich ja ziemlich wichtig. Nur ob es immer und unbedingt die eigenen sein müssen, darüber bin ich mir noch nicht ganz schlüssig.

Ich wüsste ehrlich gesagt überhaupt nicht, wie ich jemandem Wertevorstellungen vermitteln sollte, die nicht meine eigenen sind und meinen eigenen Wertevorstellungen deshalb wohl zumindest teilweise sogar widersprechen würden. Außerdem stellt sich mir auch generell die Frage, wie glaubhaft ich dann überhaupt sein könnte.

Ich finde zum Beispiel so etwas wie "Pünktlichkeit" weniger wichtig als viele Leute in Deutschland und bin für einen etwas entspannteren Umgang mit der Zeit im privaten Bereich, also wenn man jetzt nicht den Anfang eines Films oder seinen Flug verpassen würde, wenn man trödelt. Wenn ich jetzt einem Kind die deutsche "Tugend" der Pünktlichkeit vermitteln wollte, während ich selber zu privaten Verabredungen öfters mal etwas zu spät komme, würde doch jedes halbwegs clevere Kind diese Wertvorstellung überhaupt nicht ernst nehmen und dann natürlich auch nicht für sich übernehmen.

Wie wichtig erscheint es euch dass Kinder ohne äußeren Einfluss ihre eigenen Wertvorstellungen entwickeln?

Äußere Einflüsse gibt es immer, die Familie, die Freunde, die Medien und so weiter. Und es ist doch auch überhaupt nicht möglich ein Kind völlig ohne Vermittlung von eigenen Wertvorstellungen zu erziehen, weil vieles davon auf nonverbaler Ebene abläuft. Ein Kind bekommt doch mit, dass ich den Müll trenne oder, dass ich bei lokalen Bauern einkaufe. Da muss ich keine große Rede darüber halten, dass mir Umweltschutz wichtig ist. Und genauso wenig wird man verhindern können, dass ein Kind eigene Wertvorstellungen entwickelt. Wenn immer nur das alte weitergegeben würde und nichts neues dazu kommen würde, würde die Gesellschaft ja auch stagnieren.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


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