Mein Bruder wird einfach nicht Erwachsen!

Seit langer Zeit beschäftigt mich schon dieses Thema. Ich habe einen 6 Jahre Jüngeren Bruder, der sowas von egoistisch ist, dass es fast nicht zu ertragen ist. Früher habe ich immer gesagt, dass ich später mal möchte, dass mein Kind wird wie er, aber heute will ich das unter keinen Umständen mehr. Mein Bruder ist der jüngste von uns Dreien. Ich bin 6 Jahre älter und mein Bruder 8 Jahre älter. Wir leben beide seid Jahren nicht mehr zu Haus und ich habe auch schon eine Familie gegründet. Nur noch er lebt zu Hause. Eigentlich hat er schon immer den Status des Nesthäkchens gehabt, was ihm aber als kleineres Kind nie geschadet hat. Es war ein toller kleiner Bruder.

Nun ist es aber schon 21 und wir sehen uns nicht so oft, weil wir fast 1500 km von einander weiter weg wohnen und ich auch natürlich meine Familie und meine Arbeit habe. Und seid ich damals ausgezogen bin, hat er sich sehr zum Negativen verändert. Ich weiß, dass ich damals seine Bezugsperson war (weil meine Eltern immer viel gearbeitet haben, aber so ist nun mal das Leben. Und ansprechbar war ich ja immer noch. Außerdem, finde ich, dass er diese Negative Entwicklung auch erst in den letzten 3-4 Jahren gemacht hat und nicht damals schon.

Nur mal ein Beispiel: Er verlässt sich immer auf uns. Ich habe Ihm den Ausbildungsplatz besorgt (die Ausbildung ist nun fertig) und überlegt er den Arbeitsplatz zu ändern und bat mich wieder, seine Bewerbung zu schreiben. Dann ist es für mich schlimm wie egoistisch er ist. Mein Mann und ich haben Ihn z.B. mit in den Urlaub genommen und er hat nur herumgemeckert. Es gab einen Vorfall sogar, da habe ich gedacht, jetzt flippe ich gleich aus. Wir haben einen kleinen Sohn (damals 2,5Jahre alt) und es gab noch einen von diesen Maxi King Riegeln. Den hatte ich hingelegt auf den Tisch. Mein Bruder hat sich den einfach genommen (was ist erstmal nicht so schlimm finde, weil er sich bei uns wie zu Hause fühlen soll) und hat Ihn angefangen zu essen. In dem Moment kommt unser Kleiner und schaut ihn mit großen Augen an. Statt Ihm nun ein Stück davon abzubrechen und was abzugeben, futtert er das vor seinen Augen schnell weg!

Ich habe gedacht, ich würge Ihn gleich. Ich meine, dass der Kleine enttäuscht war ist das eine, aber dass man gar nicht auf die Idee kommt, auf ein Kleinkind Rücksicht zu nehmen, verstehe ich nicht. Und so gab es schon viele Situationen, wo ich deutlich merke, dass er nur an sich denkt und auch nicht die Verantwortung für andere tragen kann. Er war nun vor kurzem mit seiner Freundin hier. Da haben wir Ihn etwas aufgezogen und er ist gleich eingeschnappt wie ein Kleinkind. Aber nicht kurz mal, sondern ist gleich in unser Gästezimmer und wollte auch nicht wieder raus. An seine Freundin, die bei uns fremd war und nun nicht wusste wie sie sich verhalten sollte, hat er nicht gedacht.

Mein Mann und ich haben ihn schon öfter versucht darauf anzusprechen, dass er mehr über sein Handeln nachdenken muss, aber wir haben das Gefühl, er versteht das nicht und es sitzt ein 14 jähriges Kind vor uns. So kann es aber nicht weiter gehen. Er versucht immer andere zu übertreffen, wenn jemand was erzählt, dann hat er noch was viel besseres erlebt z.B. Und dabei erzählt er nur Geschichten und wenn man genauer nachhakt, dann widerspricht er sich, ohne es zu merken. Dann glaubt Ihm natürlich keiner mehr.

Wenn er manchmal erzählt, was der seinem Vorgesetzten so reingewürgt hat und ist da noch stolz drauf, dann schütteln wir nur noch den Kopf. Er überlegt gar nicht, dass er manchmal lieber einfach nur den Mund halten muss. Es hat Ihn nichts anzugehen, warum ein Vorgesetzter Sachen macht, die in der Firma nicht erlaubt sind. Er muss sich sicher nicht bei meinem Bruder rechtfertigen. Ich mach mir wirklich Sorgen wie das weiter gehen soll. Es scheint mir, er lebt in einer Traumwelt und wird nicht wach. Es ist aber mein Bruder und ich möchte, dass er langsam Erwachsen wird und sich seines Handelns und die damit verbundene Wirkung auf andere, bewusst wird.

Ich denke, dass dein Bruder anscheinend noch nicht richtig mitbekommen hat, wozu sein Verhalten führen kann. Bei Personen wie ihm, ist oft wichtig und hilfreich, dass sie mal auf die Nase fallen. Dann wachen einige erst auf und merken, dass ihr Verhalten einfach nicht richtig war.

Hast du denn schon mal versucht, mit deinem Bruder über seinen Egoismus zu reden? Was sagt er dazu, wenn du ihn darauf ansprichst? Ich denke, dass du nicht mehr machen kannst, als mit ihm zu reden. Er muss sein Leben ja selbst auf die Reihe bekommen und wird ja sehen, wohin ihn dies mal führen wird, wenn er so weiter macht. Vielleicht braucht er erst so eine negative Erfahrungen, um zu merken, was alles falsch lief.

Dein Bruder ist absolut verwöhnt und verzogen und geht den bequemen Weg, den er gewohnt ist. Du schreibst, dass er als Kind schon verhätschelt wurde mit einem Nesthäkchen-Status und dass er da nicht so schlimm war - das ist klar, bei einem Kind sieht das alles noch nicht so schlimm aus und man gönnt es ihm auch. Das Problem dabei ist aber, dass so ein Kind auch nicht lernt, als Erwachsener Verantwortung zu übernehmen. Er hat sich ja immer auf andere verlassen und den bequemen Weg gehen könne, warum sollte er es jetzt anders machen? Ich denke mal, ihr habt schon oft mit ihm über sein Verhalten geredet und kommt damit einfach nicht bei ihm durch.

Wer aber immer nur redet und nie die Konsequenzen zieht, der wird natürlich auch nicht ernst genommen. Warum schreibst du zum Beispiel seine Bewerbungen für ihn? Er ist 21 und erwachsen, er kann das selber machen. Ich würde verlangen, dass er seine Bewerbungen selber schreibt und ihm anbieten, diese anschließend mit ihm zusammen durch zu gehen und zu schauen, was passt und was besser gemacht werden könnte. Nur so lernt es solche Sachen doch auch.

Erwachsen werden kann dein Bruder nur, wenn man ihn dazu zwingt, ihn quasi ins kalte Wasser schmeißt. Das heißt nicht, dass man ihm jede Hilfe und familiäre Unterstützung komplett verweigern soll, aber ihr dürft ihm auch nicht jeden Stein aus dem Weg räumen und euch auch noch darüber wundern, warum er nicht dankbar ist. Mit der Zeit wird euer Ärger so groß werden, dass viel mehr kaputt geht, als wenn ihr jetzt die Reißleine zieht. Ich weiß das, weil meine Schwester ein schwieriger Mensch ist, der in seinem Leben viel Mist gebaut hat und zu vielen Dingen keinen Bock hatte. Meine Mutter hat ihr immer fast alles durchgehen lassen, ihr vieles abgenommen. Und ich habe meiner Mutter zur Seite gestanden und vieles runter geschluckt um des lieben Friedens Willen.

Letztes Jahr ist meine Mutter gestorben und meine Schwester ist ziemlich ausgetickt. Sie hat sich mir gegenüber Dinge geleistet, die ich nicht im Detail aufzählen kann und will, die mich aber dermaßen verletzt haben, dass ich froh bin wenn ich so wenig wie möglich mit meiner Schwester zu tun habe. Wir haben fast keinen Kontakt mehr und das ist etwas, das mir momentan nicht viel ausmacht, das aber im Grunde genommen traurig ist. So etwas wünsche ich euch wirklich nicht und deswegen ist es wichtig, dass ihr deinem Bruder mal wirklich zeigt, wo es lang geht, damit er ein eigenständiges und verantwortungsvolles Leben zu führen lernt.

Dein Bruder ist offensichtlich noch nicht daran gewöhnt, auf eigenen Beinen zu stehen. Das wiederum wundert mich bei dem, was du über ihn schreibst, absolut nicht. Er war scheinbar in eurer Familie immer der Kleine, auf den man Rücksicht genommen hat und um den sich die Welt gedreht hat. Dieses Schema ist einfach drin und scheinbar erfährt er ja auch als Erwachsener noch genug Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme von Seiten der Familie, so dass er gar nicht in der Situation ist, überhaupt etwas an sich ändern zu müssen - es funktioniert für ihn doch scheinbar alles ganz gut. Falls er noch nie wirklich auf die Nase gefallen ist, zum Beispiel durch eigene Fehler oder auch durch dumme Aussagen, musste er sich auch noch nie kritisch mit sich selbst auseinandersetzen - warum sollte man dann erwarten, dass er das von alleine schafft. Dazu kommt noch, dass er insgesamt gesehen noch ziemlich jung ist. Natürlich sind manche auch mit 16 oder 17 schon sehr reif und eigenständig, aber es gibt auch Leute, die sich mit Anfang 20 noch wie kleine Teenager verhalten.

Ein bisschen Egoismus finde ich nicht verkehrt, ich bin auch kein altruistischer Mensch. Allerdings würde ich einen Teil von deinen Schilderungen nicht auf den Egoismus schieben. Vielleicht trifft dies auf die Situation mit dem Schokoriegel zu, allerdings würde ich daraus auch kein Drama machen. Er hätte natürlich fragen sollen, beziehungsweise den Riegel mit dem Kind teilen können, aber so schlimm finde ich die Situation nun auch nicht. Dass dein Bruder seine Bewerbungen aber nicht einmal selbst schreiben kann, deutet eher auf eine Unselbstständigkeit hin. Solange du ihm aber hilfst, wird sich kaum etwas an seinem Verhalten verändern. Wenn er dann noch herumtönt und vielleicht mit peinlichen Sprüchen auf sich aufmerksam macht, ist das zwar unschön, aber in der Altersgruppe vielleicht noch irgendwie zu tolerieren, gerade weil dein Bruder scheinbar insgesamt noch nicht so reif ist, dass er solche Sprüche nicht mehr nötig hat.

Dass dein Bruder eingeschnappt war, als ihr ihn aufgezogen habt, ist natürlich albern. Ich weiß ja nicht, wie weit ihr gegangen seid und ob er sich vielleicht tatsächlich angegriffen gefühlt hat. In so einem Fall wäre euer Verhalten auch nicht besonders schlau gewesen, gerade weil ihr ihn ja sicher auch kennt. Vermutlich nimmt sich dein Bruder selbst einfach zu ernst und ist dann sauer, wenn er das Gefühl hat, dass er als toller Typ, um den sich die Familie sonst dreht, mal etwas gegen ihn sagt. Das kann auch gut ein hausgemachtes Problem sein, so wie die anderen Probleme auch.

An deiner Stelle würde ich dem Bruder einfach einen großen Teil der Hilfe und Rücksichtnahme streichen. Wenn ihm niemand mehr hilft, wird er seine Bewerbungen selbst schreiben müssen. Es mag sein, dass er das beim ersten Mal nicht termingerecht hinbekommt, aber dann lernt er direkt, dass er mehr Eigeninitiative entwickeln muss. Wenn er nörgelt, würde ich ihn auch nicht mehr in den Urlaub oder zu sonstigen Aktivitäten mitnehmen. Ihr müsst wohl einfach lernen, auch ihn loszulassen, damit erleichtert ihr ihm den Schritt in die Selbstständigkeit. Solange ihr ihm immer helft und er sich in jeder Hinsicht allein auf euch verlassen kann, ohne selbst etwas beizutragen, wird er auch nichts an sich ändern.

Dein Bruder ist ja scheinbar noch nie auf die Nase gefallen durch sein Verhalten. Immerhin ist ja immer jemand für ihn da und kümmert sich, wenn es mal eng aussieht. Dass sich das Leben nicht so einfach gestaltet, hat er noch nicht erkannt und wird er auch nicht erkennen, wenn er immer alles abgenommen bekommt. Man hat hier scheinbar einfach noch einen naiven jungen Menschen vor sich, aber ich bin mir sicher, dass sich das geben wird, wenn er erst mal ein bisschen älter wird und auch mal ein paar Probleme durch sein Verhalten bekommen hat.

Es ist eigentlich ganz gut, dass du ihm zeigst, wie es gehen soll, aber er muss auch alleine auf den Beinen stehen und du kannst ihn nicht immer zu sehr unterstützen. So kann er sich ja auch einen Urlaub erarbeiten oder eben auch mal eine Bewerbung schreiben, die du dir dann ansiehst.

Ich denke auch, dass dein Bruder in einem Alter ist, in dem er gelernt haben sollte, auf eigenen Füßen zu stehen. Natürlich verstehe ich es, dass es dein Bruder ist und du weiterhin für ihn da sein möchtest. Das ist ja auch möglich. Aber ich würde ihm zum Beispiel nicht die Bewerbung schreiben. Das ist doch eine Sache, die man in dem Alter selber schaffen sollte. Ich denke nicht, dass dein Bruder es böse meint. Er ist es eben einfach als Nesthäkchen wahrscheinlich so gewohnt, dass er vieles durfte und ihm immer geholfen wurde. So hätte er es wahrscheinlich gerne weiter, was aber natürlich nicht auf die Dauer geht.

Nun hast du aber alles rausgekramt, was dir negatives über deinen Bruder eingefallen ist. Allerdings hast du doch selbst auch dazu beigetragen, dass er so ist. Er wurde verwöhnt und ihm wurden alle Steine aus dem Weg geräumt, die sich fanden. Dein Bruder musste sich um nichts kümmern. Und wenn er deinen Sohn augenscheinlich etwas wegisst, dann ist das nicht unbedingt egoistisch, sondern einfach nur Unbedarftheit, da er sonst nicht auf kleine Kinder Rücksicht nehmen muss.

Ihr könnt aber auch nicht erwarten, dass er von heute auf morgen sein Verhalten ändern. Was ihr über 21 Jahre anerzogen und unterstützt habt, kann so schnell nicht verschwinden. Und dass man auch mal seinem Vorgesetzten verbal angeht, hat nichts mit dem Alter zu tun, sondern kann anderen Menschen auch passieren. Ob man danach nun stolz auf sein Handeln ist, muss man in der gesamten Situation beurteilen.

Also irgendwie bist du da aber schon selber Schuld, wenn du ihm immer alles abnimmst und ihn so verwöhnt. Wenn ich jemanden in den Urlaub eingeladen hätte und der würde immer nur herum meckern, hätte ich denjenigen das letzte Mal mitgenommen. Mir ist das auch schon so passiert und es passiert mir sicher nicht mehr so schnell.

Was die Bewerbung betrifft, ja gehts noch? Natürlich muss er die selber schreiben, es ist ja seine Bewerbung. Der Chef/ die Chefin wird spätestens beim Vorstellungsgespräch merken, dass der Stil der Bewerbung und die Sprache nicht mit dem persönlichen Auftreten zusammen passt. Außerdem muss er ja selbstständig werden. Ihr tut ihm da keinen Gefallen, wenn ihr das für ihn macht. Einfach einen Schlussstrich ziehen. Wenn es schon die Eltern nicht schaffen, dann würde ich als Schwester einmal den Anfang machen.