Gewissenskonflikt: egoistisch oder gewissenhaft handeln?

vom 16.05.2013, 19:35 Uhr

Um zu erklären, worauf ich bei der Frage hinaus möchte, will ich euch kurz eine kleine Geschichte aus meinem Leben erzählen. Und zwar war es schon immer mein Lebenstraum gewesen, Orca-Wale live zu sehen, denn sie sind meine absoluten Lieblingstiere. Im Mai letzten Jahres bin ich von der Schule aus zwei Wochen in die USA geflogen und war unter anderem einen Tag lang in Orlando, wo ich die Möglichkeit hatte, SeaWorld zu besuchen.

Dort gibt es ganze sieben Orcas und zu dem Zeitpunkt vor einem Jahr war sogar einer der Orcas, Makaio, noch ein kleines Baby. Durch diverse Facebook-Seiten bin ich immer auf dem aktuellen Stand, was Orcas in Gefangenschaft betrifft, denn insgesamt gibt es nur etwas über vierzig und das ist noch ganz überschaubar. Über YouTube schaue ich mir oft Videos von Orcas an und es gibt natürlich mehr von Orcas in Gefangenschaft, als von freilebenden Orcas und daher kannte ich auch die Orcas von SeaWorld, ohne sie vorher je gesehen zu haben und ich kann sie auch auf Bildern und Videos voneinander unterscheiden.

Eigentlich bin ich aber gegen die Gefangenschaft von Orcas, denn ich habe mich, nachdem mein Lieblingsorca Keiko gestorben ist (bekannt aus dem Film „Free Willy“) sehr genau darüber informiert. Es gibt einige ehemalige SeaWorld-Trainer, die über ihre Zeit dort berichten und dadurch ist schon viel Negatives über SeaWorld ans Licht gekommen, wie zum Beispiel, dass die sogenannten „Vitamine“, die sie den Walen in das Futter mischen in Wirklichkeit Beruhigungstabletten sind, damit die Wale sich nicht aggressiv verhalten und sie sie in ihren Shows plötzlich nicht mehr als liebe Schmusetierchen vorstellen können.

Nun stand ich letztes Jahr also vor einem Gewissenskonflikt. Sollte ich die Gelegenheit nutzen und mir endlich meinen Lebenstraum erfüllen oder sollte ich konsequent sein und die Gefangenschaft meiner Lieblingstiere nicht unterstützen, indem ich achtzig Dollar Eintritt an SeaWorld zahle. Letztendlich bin ich gegangen, die Gelegenheit schien einfach zu gut. Den letzten Anstoß hat mir die Lage unseres Hotels gegeben: nicht einmal zehn Gehminuten zu SeaWorld! Ich konnte von unserem Hotel aus das Shamu Stadium, in dem die Wale sind, sogar sehen und ich konnte dann einfach nicht darauf verzichten. Im Nachhinein bereue ich es auch ehrlich gesagt nicht, weil ich nun mit eigenen Augen gesehen habe, wie klein die Becken sind und das definitiv das letzte Mal war, das ich für so etwas Eintritt bezahlt habe. Andererseits bin ich aber auch glücklich, dass ich die Orcas sehen konnte, diesen Teil habe ich dann trotz meiner Zwiespältigkeit einfach nur genossen.

Wie handelt ihr in solchen Situationen normalerweise? Seid ihr dann egoistisch und macht das, was ihr wollt, oder entscheidet ihr euch immer gewissenhaft für das, was eigentlich nach eurem Ermessen das Richtige ist zu tun?

» *sophie » Beiträge: 3506 » Talkpoints: 1,38 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Eigentlich handle ich immer gewissenhaft. In deinem Fall aber würde ich auch so handeln wie du. Ich meine du hast nicht täglich die Chance, einen Traum von dir zu verwirklichen und hast die Chance einfach genutzt, was ich richtig finde. Auch wenn du damit nun SeaWorld "unterstützt" hast, musst du dir keine Vorwürfe oder so machen. Auch Tierschützer müssen manchmal Eintritt bezahlen, damit sie etwas mit eigenen Augen sehen, um dann dagegen zu handeln.

» Gamer » Beiträge: 432 » Talkpoints: 2,69 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Hättest du nach deinem Gewissen gehandelt, hättest du SeaWorld nicht unterstützen dürfen. Allerdings kann ich deine Beweggründe verstehen, wenn du diese einmalige Chance ergriffen hast, deine Lieblinge mal näher betrachten zu können. Solch eine Gelegenheit wird dir vielleicht nie wieder geboten.

Da du dir nun mal die Show angesehen hast, konntest du feststellen, dass es nichts anderes als Tierquälerei ist, solche großen Tiere in den einfach zu kleinen Becken zu halten. Sehen die Verantwortlichen nicht, dass diese schönen Tiere leiden? Es ist aber doch klar, auch wenn es nicht gesagt worden wäre, dass die Orcas Beruhigungsmittel bekommen. Wie sollten die Trainer sonst wohl mit ihnen arbeiten können?

Sie sind intelligent und sozial und können ein Alter von 60 Jahren erreichen. Aber in Gefangenschaft, in den kleinen Becken, sterben sie früher. Viele dieser großen Schwertwale, die bis zu 8 Metern lang werden, sind in den kleinen Becken in der Gefangenschaft schon gestorben. Im Freien waren sie es gewöhnt, 150 Kilometer täglich zurückzulegen. Ohne diese gewohnte Bewegung erschlaffen die Muskeln und die Rückenfinne erschlafft. Das künstlich mit Salz und Chemikalien versetzte Wasser führt zu Infektionen. Aggressiv beißen die Orcas in die Metallstangen, die die einzelnen Becken trennen. Dadurch brechen die Zähne ab, das ist schmerzhaft, nun dringen Bakterien ein.

Nach meinem Gewissen würde ich SeaWorld nicht besuchen. Aber wenn ich wie du die einmalige Chance gehabt hätte, weiß ich nicht, wie ich mich entschieden hätte. Hätte ich durch einen Nichtbesuch auch nur ein einziges Tier retten können, wäre ich nicht hingegangen, auch wenn die Chance noch so groß war.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Ich denke, dass es nicht unbedingt gegen das Gewissen spricht, wenn man sich die Tiere erst mal ansieht um sie dann vielleicht aktiv zu schützen. Immerhin muss man ja auch erst mal sehen, wie die Tiere so wirklich aussehen und einen Lebenstraum sollte man sich eigentlich immer erfüllen. Generell handele ich meistens nach meinem Gewissen, weil ich sonst auch nicht zu meinen Entscheidungen stehen könnte. Ich kann dein Verhalten aber auch absolut verstehen.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich denke, dass es immer darauf ankommt, worum es geht. Wenn es aber wie bei dir darum geht, einen großen Traum verwirklichen zu können, dann würde ich wohl auch etwas egoistisch handeln. Wenn es mir aber nicht ganz so wichtig wäre, würde ich eher nach meinem Gewissen handeln. Ich war mal im Urlaub und dort wurde eine Delfin- Tour angeboten. Ich sagte sofort, dass ich mir das nicht ansehen möchte, wenn die Delfine eingesperrt sind. Wie sich herausstellte, waren die Delfine aber nicht eingesperrt, sondern es wurde einfach ein Gebiet aufgesucht, in dem sie sich gerne aufhielten.

Ich wollte immer schon mal Delfine sehen, aber so wichtig war es mir nicht, dass ich sie mir in Gefangenschaft angesehen hätte. Wenn es aber wirklich mein großer Traum gewesen wäre, die Tiere mal zu sehen, dann hätte ich sie mir vielleicht auch in Gefangenschaft angesehen.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge


Ich bin geneigt, zu sagen, dass ich in solchen Situationen und bei ähnlichen Fragestellungen nach meinem Gewissen handle und Tiere, die nicht artgerecht leben dürfen und möglicherweise in ihrer Gefangenschaft sogar noch ganz offensichtlich und bekanntermaßen gequält werden, nicht in einem solch unwirklichen Lebensumfeld aufsuche, also die Strippenzieher solcher Untaten auch noch protegiere und vielleicht sogar gezielt unterstütze.

Allerdings irre ich mich in dieser Sicht auf mich selbst wohl, denn immerhin gehe ich in den Zoo und ich weiß, dass auch dieses Umfeld nicht unbedingt das Beste für einige Tiere ist, die dort leben müssen. Ich habe mich in diesem Fall auch schon gefragt, ob ich hier gegen meine eigentliche Überzeugung handle und muss zugeben, dass ich es einerseits absolut falsch finde, einen Zoo zu besuchen, wo Tiere nicht zwingend artgerecht gehalten werden oder man wenigstens über diesen Punkt diskutieren kann.

Vermutlich muss ich mir also eingestehen, dass ich in solchen Entscheidungsfällen auch nicht immer nach meinem Gewissen handle, obwohl ich andererseits tatsächlich gerade aus dem Grund einen Zoo besuche, weil ich Tiere mag und mir immer wieder vor Augen halten möchte, was für eine unglaublich große Vielfalt an unterschiedlichen Arten es auf der Welt doch gibt, zumal ein Zoo nur eine kleine Auswahl derer zeigen kann.

Gleichzeitig sagt mir mein Gewissen aber doch, dass ich Orte meiden sollte, an denen Tiere nicht so leben können wie sie es sollten, aber im Falle eines Zoos frage ich mich wiederum häufig doch, ob die Tiere dort in ihrer umgebungsbedingten Einschränkung nicht dennoch glücklicher leben können als das vielleicht in der Wildnis, wo einige von ihnen herkommen, der Fall gewesen wäre. Wahrscheinlich ist das aber wiederum klassisches Schönreden, ich bin mir nicht abschließend sicher.

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» moin! » Beiträge: 7218 » Talkpoints: 22,73 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


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