Feiert die SPD zu Recht Geburtstag?

vom 20.05.2013, 12:43 Uhr

Die SPD bereitet sich ja vor, in diesem Jahr 2013 ihr 150-jähriges Bestehen zu feiern. Dabei beruft man sich hier auf den 1863 gegründeten "Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein". Dieser ist von Ferdinand Lassalle, in Leipzig, konstituiert worden. Dabei wird vergessen, dass z.B. 1869, also ein paar Jahre später, in Eisenach die "Sozialdemokratische Arbeiterpartei" von Bebel und Liebknecht gegründet wurde, was man auch als die Geburtsstunde der SPD sehen könnte. Denn 1875 wurde der Arbeiterverein (von Lassalle) und die "Sozialdemokratische Arbeiterpartei" zur sog. "Sozialistischen Arbeiterpartei" vereint worden! Danach folgte ein Verbot eben dieser Partei, bis schließlich 1890 - dann in Halle - die Neugründung nach dem Ende der sog. "Sozialistengesetze" stattfinden konnte. Und hier kam dann der Name "Sozialdemokratische Partei" ins Spiel. Viele Daten also, die zur eigentlichen Geburtsstunde deklariert werden könnten.

Die SPD hat aber jetzt mal den von Lassalle gegründeten Verein ausgewählt, um die eigene Stunde 0 zu definieren. Lassalle selbst eignet sich hierbei aber kaum als Identifikationsfigur - zumal er in einem Duell bei dem es um eine Frau gegangen ist, ums Leben kam. Nicht auf Barrikaden im politischen Kampf. Aber er hat sich zumindest für ein gleiches Wahlrecht für alle (Männer) eingesetzt. Was zu der damaligen Zeit sicher fortschrittlich war. Aber, Lassalle war nachweislich eher mit einer nationalen und monarchistischen Gesinnung ausgestattet. Dem autoritären Führungsstiel in Preußen war er nicht abgeneigt und eben kein echter Republikaner.

Vielleicht ist aber auch dies der Grund, warum man im Willy-Brandt-Haus beschlossen hat, Lassalles Gründung als die eigene Gründung zu feiern. Schließlich ist ein Kennzeichen der SPD immer schon gewesen, eben zum Vaterland zu stehen. Die Zustimmung zum Krieg war jedenfalls immer schon ein Markenzeichen der SPD. Wenn auch erst durch Schröder der ganz alte Traum wahr wurde, auch mal selbst zum Krieg blasen zu dürfen. So gesehen könnte man auch 1999 als die eigentliche Geburtsstunde bezeichnen. So Personen wie Luxemburg oder Liebknecht würden dann auch die historischen Wurzeln nicht mehr beschmutzen.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Also wenn sich zwei Parteien zusammengeschlossen haben, dann wertet man entweder den Tag des Zusammenschlusses als Geburtstunde oder den Tag der Gründung der älteren der beiden Parteien. Aber niemals den Tag der Gründung der jüngeren Partei. Das wäre ja unsinnig. Natürlich versucht die SPD hier eine besonders lange Geschichte ihrer Partei zu konstruieren, da sich das auf dem Blatt gut macht. Aber solange man da nicht bis zu den Germanen zurückgeht und es gut begründen kann, finde ich das legitim. Auch eine Familie hatte durch die Zeit hindurch vielleicht mehrere Nachnamen, aber solange Blutsverwandtschaft bestand, ist es eine Familie. Namen sind nur Bezeichnungen.

Dass einige Mitglieder und mit Lasalle sogar das Gründungsmitglied keine lupenreinen Westen haben, ist in jeder Partei, jedem Verein, jeder Familie oder sonstigen Vereinigung der Fall. Diese Mitglieder zu verschweigen wäre Heuchelei und kann bis zur Geschichtsrevision reichen. Es gab sie nun mal und die heutige Generation hat daran keinen Anteil. Sie muss aber mit diesem Erbe leben, es versuchen zu verstehen und aus den Fehlern ihrer Vorgänger lernen. Und man muss diese Vorgänger auch im Lichte ihrer Zeit betrachten. Damals waren Duelle eben üblich. Und für die Liebe zu sterben ist nicht der schlechteste Grund.

Als Geburtsjahr 1999 zu nehmen, weil "Schröder da endlich zum Kampf blasen konnte" ist etwas einseitig. Auch wenn man es nicht gutheißt, wenn sich die deutsche Regierung (bestehend aus sehr viel mehr Personen als nur dem Bundeskanzler) in einen Krieg involvieren lässt, so zeichnet die SPD wirklich mehr aus als diese eine Entscheidung.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Bienenkönigin hat geschrieben:Also wenn sich zwei Parteien zusammengeschlossen haben, dann wertet man entweder den Tag des Zusammenschlusses als Geburtstunde oder den Tag der Gründung der älteren der beiden Parteien.

Ich kann mich ehrlich gesagt aber nicht daran erinnern, dass die SED (um ein Beispiel zu nennen), sich auf eben die Gründung des "Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins" bezogen hätte. Mag mich aber irren.

Bienenkönigin hat geschrieben:Diese Mitglieder zu verschweigen wäre Heuchelei

Das kann man schon so sehen. Dann ist es aber Heuchelei, wenn die SPD Mitglieder wie Rosa Luxemburg, Clara Zetkin, Kurt Eisner oder Erich Mühsam "verschweigt". Schließlich gab es Gründe dafür, dass diese Personen sich in der SPD engagierten. Ebenso Gründe, dass sie sich von dieser Partei abgewendet haben.

Bienenkönigin hat geschrieben:bestehend aus sehr viel mehr Personen als nur dem Bundeskanzler

Das ist natürlich richtig! Zumal auch die Pazifisten der Grünen Feuer und Flamme waren, als es endlich darum gegangen ist, ganz große Geschichte zu schreiben.

Ich wollte nur darauf hinaus, dass es eigentlich gar nicht die 150 Jahre sind, welche die Geschichte der SPD kennzeichnen. Sondern vielmehr immer die Zustimmung zum (vaterländischen) Krieg sowie die scharfe Abgrenzung nach links. Da will ich die Niederschlagung der Arbeiterrevolten oder die gebilligte Ermordung von Liebknecht und Luxemburg gar nicht weiter ausschmücken.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



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