Winter-Filmszenen im Hochsommer drehen?

Gut, ich muss zugeben, Hochsommer haben wir aktuell tatsächlich noch nicht, auch wenn das Thermometer letzte Woche tatsächlich an einem Tag über dreißig Grad Celsius anzeigte. Und genau an diesem Tag konnte ich etwas Merkwürdiges erleben, wovon ich hier berichten möchte.

Ich wohne in einer Gegend, in der viele Altbauten stehen. Ein großes Gebäudeensemble, das Architekturgeschichtlich wirklich ein Schmuckstück ist, ist eine alte Krankenhaus-Anlage, die hier wirklich bloß eine Straße weiter steht. Dieses Gebäudeensemble steht seit einigen Jahren leer, beziehungsweise wird nicht mehr medizinisch genutzt. Wohl aber gibt es einen Eigentümer, der aktuell Sanierungsarbeiten an den teilweise schon fast 140 Jahre alten Gebäuden durchführen lässt, um das Gelände später für Wohnzwecke und auch einige Arztpraxen, Pflege- und Altersheime zu vermieten. Eine tolle Idee, wie ich finde, denn die Umgebung ist wunderschön, aber aktuell sind die Gebäude eben leer und es läuft auch kein Mensch dort entlang, mal abgesehen von Handwerkern, die an der Sanierung beteiligt sind.

Als ich neulich an dem größten der Gebäude vorbei lief, außerhalb vom Zaun, war ich zuerst sehr irritiert. An der Gebäudefassade hingen nämlich mehrere riesige Hakenkreuz-Fahnen. Allerdings marschierten dann auch Unmengen an Statisten in dicken Winter-Uniformen vor einer Kamera und diversen Scheinwerfern herum, und die Gegend war voller alter Autos. Offensichtlich wurde ein Film gedreht. Eine Winter-Szene, wie nicht nur die dicken Uniformen, sondern auch die Haufen an Kunstschnee, die den kompletten Rasen bedeckten, deutlich machten.

Ich habe mich gewundert, wieso man so eine Winterszene mit Kunstschnee bei Temperaturen von 30 Grad dreht. Ist das denn üblich? Natürlich kann ich mir vorstellen, dass nicht jeder Filmproduzent das Budget hat, für zeitlich unpassende Winterszenen in ein Land zu reisen, in dem zu dem Zeitpunkt Schnee liegt. Aber so ein Film wird doch gut im Vorraus geplant und über Monate abgedreht, hätte man da nicht die Szenen so legen können, dass man eben auch im Winter die Winterszenen dreht?

Das kann man doch definitiv planen, denke ich. Dann müssten sich die Komparsen nicht bei Sommertemperaturen in schwerer Winterkleidung halb totschwitzen. Abgesehen davon frage ich mich gerade, ob Sommerszenen dann auch im Winter gedreht werden und wie sie das Kulissen- und Kleidungtechnisch machen wollen.

Vielleicht hat man einfach hinterhergehangen und musste nun noch die letzten Szenen drehen. Das kostet ja auch Geld, wenn ein Film nicht anläuft und man den Start verzögert und so muss man dann eben auch mal im Sommer oder fast Sommer mal eine Szene im Winter spielen. Das ist doch auch nicht schlimm. Wenn man sich eben so verplant hat oder es nicht anders passt, muss man eben damit leben. Es kann ja auch sein, dass im Winter kein Schnee an dem Tag liegt und dann hat man es zwar bitterkalt, aber der Schnee ist trotzdem Kunst, das wäre doch auch lächerlich.

Vielleicht lässt es sich gar nicht so gut planen. Es lässt sich ja auch nicht planen, wann der Regisseur zusagt, dass er den Film tatsächlich macht und die Schauspieler. Castings können sehr schnell gehen, wenn sie Glück haben und dann finden sie wieder sehr lange nicht die richtige Besetzung. Dann muss die Finanzierung gesichert werden. Das kann Wochen dauern, aber auch Monate und sogar Jahre. Wenn die Finanzierung steht, sollte so schnell wie möglich gedreht werden. Da ist es dann ganz egal, welches Wetter gerade ist. Oft wollen sie auch den Film noch vor der Berlinale oder ähnlichen Preisverleihungen fertig haben, damit er noch ins Rennen geschickt werden kann.

Aber deine Verwirrung verstehe ich schon. Winter wird ja nicht nur durch Schnee definiert. Wenn die Bäume in voller Blüte stehen und belaubt sind, wäre ich als Zuschauer etwas irritiert, wenn der Film gerade Weihnachtsszenen zeigt. Außerdem braucht es auch Kunstschnee kalt, dachte ich. Der ist ja nur künstlich hergestellt, ist aber trotzdem Schnee und kann ja genauso schmilzen. Oder benutzen die einen anderen Kunstschnee als den auf Skipisten?

Sicher kann es auch sein, dass es im Winter Schneelos ist und auch dann künstlicher Schnee ausgebreitet werden müsste. Und für den Regisseur ist das wohl wirklich herzlich egal, ob die Szene jetzt im Winter oder im Sommer gedreht wird, das kann ich mir auch vorstellen. Ich habe nur daran gedacht, dass es für die Statisten in den dicken Kostümen sicher unangenehm war, bei 30 Grad so dick eingepackt herumlaufen zu müssen. Da wäre es sicher schöner gewesen, wäre es kühler draußen gewesen.

Was das genau für ein Kunstschnee war, weiß ich nicht. Jedenfalls lag er da über den gesamten Boden verteilt, wirkte durchaus auch uneben und etwas flockig, so, wie ich das aus der Entfernung sehen konnte. Übrigens lag der Schnee, was auch immer das für ein Material das war, auch noch Stunden später dort. Zu dem Zeitpunkt waren sämtliche Requisiten und Autos schon wieder weg, aber den Schnee ließ man auf dem Boden liegen. Am nächsten Tag war er aber auch nicht mehr zu sehen, wie ich feststellen konnte, weil ich dort am Drehort ja jeden Tag vorbeilaufen muss. Also schien es doch etwas zu sein, was innerhalb von 24 Stunden wegtauen kann, aber was dennoch über Stunden beim aktuellen Wetter hält. Gewundert habe ich mich darüber auch. Aber relativ echt sah das Zeug definitiv aus, also für Filmaufnahmen, die halbwegs echt aussehen sollen, definitiv geeignet.

Aber ja, was die Bäume betrifft, war ich auch verwundert. Neben den Gebäuden stehen schon einige sehr alte, große, knorrige Bäume. Da war natürlich auch schon Laub vorhanden, Ende April. Aber möglicherweise hat man auch nur die Gebäudefassade und den Platz davor gefilmt, und den Bildausschnitt so gewählt, dass keine Bäume sichtbar sind. Oder, das könnte ich mir bei größeren Produktionen, wie diese wohl auch eine war (gemessen an der Menge an Requisiten), auch vorstellen: Möglicherweise wird man die Landschaft später noch einmal am Computer überarbeiten. Mit der heutigen Technik ist es ja kein Problem, solche Ungereimtheiten zu übermalen.

Ich frage mich übrigens sehr, was dort überhaupt für ein Film gedreht wurde. Ich bin ja nun nicht so der Film-Fan, aber der einzige Film, in dem Nazis vorkommen, und für den wohl vor einigen Wochen in Berlin gedreht wurde, ist "The Monuments Men" von George Clooney. Wenn ohnehin in Berlin einige Szenen produziert wurden, kann ich mir vorstellen, dass vielleicht auch noch weitere in der nahen Umgebung, also hier, wo ich lebe, abgedreht werden sollten.