Wie und wo würdet ihr den Femen-Aktivismus einordnen?

vom 12.04.2013, 12:37 Uhr

Die Femen Attacke gegen Putin auf der Hannover Messe, ist euch ja sicherlich noch geläufig. Nun kam heute ein Fernsehbericht wonach die Femen-Aktivistinnen immer mehr Zulauf bekämen und sich ihnen mittlerweile auch schon 20 deutsche Mädchen und Frauen angeschlossen haben.

Also ich für meine Person wüsste jetzt nicht wo ich einen derartigen Aktionismus einordnen sollte. Meint ihr nicht auch die Femen-Aktivistinnen sollten sich mal lieber um eine geregelte Arbeit kümmern, als durch die halbe Welt zu tingeln um dort „blank“ zu ziehen? Wie fällt denn eure Bewertung über den Femen-Aktivismus aus?

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» schraxy » Beiträge: 1085 » Talkpoints: 52,15 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



"Sich lieber mal um eine geregelte Arbeit kümmern". Wow, das finde ich aber sehr krass. Ist es so abwegig, für die Rechte von Frauen einzutreten? Wären sie für die Gesellschaft wertvoller als Floristinnen oder Bankkauffrauen? Sollten alle, die sich mit Leidenschaft und entgegen ihrem eigenen Wohlbefinden, eine geregelte Arbeit suchen? Was ist mit ehrenamtlicher Arbeit? Die kriegen auch kein Geld dafür. Ich will dich nicht angreifen. Aber zum Nachdenken bringen.

Ich möchte das jetzt in keinster Weise von der Wichtigkeit oder Dramatik auf eine Stufe stellen, aber Widerstandskämpfer im Dritten Reich haben ebenfalls Missstände erkannt und sich entschieden, dagegen anzugehen. Es ist für Deutschland schwer genug, mit der NS-Vergangenheit zu leben. Aber wie viel schwerer wäre es, wenn wir wüssten, dass wirklich niemand etwas getan hat?

Die Femen-Aktivistinnen haben auch Missstände in ihrem Land, gegenüber von Frauen entdeckt und haben sich entschieden, dass sie dagegen angehen wollen. Welche Vorgehensweise sie dabei gewählt haben, ist Geschmackssache und ich kann auch nicht sagen, ob es die beste ist. Aber sie zieht enorm viel Aufmerksamkeit auf sich. Wenn man bedenkt, wie wenig Femen-Aktivistinnen es gibt, bekommen sie sogar ganz enorm viel mediale Aufmerksamkeit.

Dass sie damit kein Geld verdienen und trotzdem ihre Zeit, Gesundheit und Freiheit opfern, ist ihre ganz persönliche Entscheidung. Und ich finde, es ist eine sehr mutige Entscheidung. Ohne solche Individuen wäre eine Gesellschaft und die ganze Menschheit ganz schön arm dran. Wo wären wir denn heute, wenn sich niemand für andere einsetzen würde, nur weil es ihm finanzielle Nachteile bringt.

Oder findest du nur das Thema unwichtig? Denn auch heute noch haben Frauen definitiv nicht die gleichen Rechte wie Männern. In Deutschland haben wir es da schon sehr weit gebracht, aber in vielen anderen Ländern ist es noch ein sehr, sehr langer Weg. Und Veränderungen passieren nicht von alleine.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


schraxy hat geschrieben:Meint ihr nicht auch die Femen-Aktivistinnen sollten sich mal lieber um eine geregelte Arbeit kümmern, als durch die halbe Welt zu tingeln

Das werden sich mindestens sowohl die Pharisäer als auch die Römer über Jesus gedacht haben. Und der hat ja nun trotz des von dir festgestellten Defizits hinsichtlich eines geordneten Lebenslaufs eine gewisse Leistung vollbracht.

Wie soll man deine - ehrlich gesagt nicht kluge - Kritik bewerten, wenn es darum geht, sich für (s)eine Sache so zu engagieren, dass es sogar die eigene (kleinbürgerliche) Existenz gefährdet? Es mag ja sein, dass du für deine Ideale keine Gefängnisstrafe riskieren würdest und noch nicht mal demonstrieren würdest, aus Angst, dass dich Arbeitskollegen oder dein Chef sieht. Und es mag auch sein, dass der Großteil der Bevölkerung so denkt (nur deshalb ist die aktuelle Form der Gesellschaft denkbar). Das aber heißt nicht, dass es richtig ist. Ich möchte daran erinnern, dass noch Ende der 70er und Anfang der 80er Jahr "Spinner" auf die Straße gegangen sind, um gegen Atomanlagen zu kämpfen und irre Ideen von Sonnenenergie und Windkraft verbreitet haben. Dafür steckten sie Schläge von Polizeiknüppeln ein und hatten eher schlechte Chancen auf "geregelte Arbeit". Aber der Erfolg mündet jetzt - wenn auch fragwürdig umgesetzt - in der "Energiewende". Wo wären wir, wenn hier nicht mit der Vehemenz gekämpft worden wäre? Und die Leute haben für dich und deinesgleichen mitgekämpft!

Man darf über die Mittel des Protests streiten. Man darf auch die Wirksamkeit bezweifeln. Aber wer dadurch zu dem Ergebnis kommt, dass es doch besser wäre, sich der Herrschaft zu beugen und schlicht so zu agieren, wie die Herrschenden es wollen (sich um eine geregelte Arbeit zu kümmern), der hat weder die Intention was zu ändern noch das Grundproblem verstanden. Wozu aber dann eine Einordnung von Protestformen?

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich bin da hin und her gerissen: Der Protest ist wichtig und verdient meine volle Bewunderung! Man bedenke nur wie viel diese Frauen riskieren um für etwas einzutreten. Aber ihr Anliegen unbedingt sexualisiert werden muss, weiß ich nicht. Geht es gleichzeitig um den Kampf der sexuellen Selbstbestimmung? Den Eindruck habe ich nicht. Oft scheint mir man Femen benutzt in dem Fall Entblößung als Mittel der medialen Anziehung. Aber das wäre dann nach dem Motto "Sex Sales" und sollte nicht im Sinne dieser Frauen sein.

Aber wir ihr schon geschrieben habt, sie sind nicht viele, bekommen aber Aufmerksamkeit. Also der Zweck heiligt die Mittel? Hatte letztens einen interessanten Artikel über muslimische Femenmitglieder gelesen und Gegenaktionen von Musliminnen. Diese meinten wiederum, auch die Freiheit sich nicht nackt zu zeigen sei Freiheit und ihre Recht seien nicht daran geknüpft ihre Brüste fotografieren zu lassen. Stimme ich zu. Aber im großen und ganzen kann ich die Art und Weise nicht ganz einordnen.

» Hansi67 » Beiträge: 3 » Talkpoints: 0,64 »



Hansi67 hat geschrieben:Diese meinten wiederum, auch die Freiheit sich nicht nackt zu zeigen sei Freiheit und ihre Recht seien nicht daran geknüpft ihre Brüste fotografieren zu lassen. Stimme ich zu.

Diese Form des Protests bzw. diese Ansicht kann nur geteilt werden, wenn man sich das Problem nicht vor Augen führt! Denn die Freiheit sich zu entblößen schließt das Recht nicht aus, bekleidet zu sein. Wer hingegen seine Freiheit nicht dadurch beschnitten sieht, sich nicht entkleiden zu dürfen, der will auch nichts ändern! Wenn es sich wirklich um "muslimische Femenmitglieder" handelt würde, dann würden sie sich eben auch für die Form der Selbstbestimmung einsetzen, dass Frauen sich nackt zeigen können, ohne als Objekt zu gelten.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Der halbnackte Protest dient definitiv nicht nur dazu, auf das Recht auf körperliche Selbstbestimmung, das jedem Menschen zusteht, aufmerksam zu machen, sondern sicherlich auch dazu, mediale Aufmerksamkeit zu bekommen. Dass das nur in dem Ausmaß geht, wenn man seinen Busen in Kameras hält, ist eine traurige Realität. Allerdings sollte man hier nicht den Femen-Frauen eine "Sex sells"-Mentalität ankreiden, sondern sich Gedanken über die Gesellschaft machen, die sowas erst notwendig macht, weil man sich sonst kaum Gehör verschaffen kann! Die Frauen, die so handeln, tun das eben, um beachtet zu werden, nicht als Einzelpersonen, sondern als Botschafter der Dinge, die sie zu verkünden haben. Ich finde es legitim. Traurig, dass es nicht anders geht, aber definitiv legitim.

Was man hingegen kritisieren kann, ist, wie die Medien hier über Femen-Aktionen berichten. Hier wird es doch tatsächlich oft auf nackte Brüste reduziert, während die Botschaften, um die es eigentlich gehen sollte, kaum beachtet werden. Man muss nur einmal suchen, was diverse deutsche Magazine und Zeitungen, besonders Boulevard-Medien, über Femen berichten. Da gibt es gerne mal Fotogallerien zum Artikel geliefert, die nur dazu dienen, die nackten Brüste angaffen zu können. Damit würdigt man den Protest von Femen noch einmal besonders herab. Aber auch dafür können die Frauen nichts, sondern da muss man die Medien, die berichten, kritisieren.

Ansonsten könnte man allerdings noch bemängeln, dass sich, eben durch diese unpassende Berichterstattung, möglicherweise auch aus irgendwelchen Modegründen oder aufgrund eines hohen persönlichen Geltungsbedürfnisses einige Frauen nun als Femen-Aktivistinnen ausgeben, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Mag sein, dass nun einige nur mitmachen, um in den Medien beachtet zu werden. Allerdings denke ich, sind diese auch nicht lange dabei. Die wirklich an Hintergründen interessierten Femen-Frauen dürften solche Leute, die nur persönliche Publicity wollen, sicher schnell entlarven und ihnen den Austritt aus der Gruppe nahelegen.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


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