Warum petzen Kinder so gerne?

Ich glaube nicht, dass meine Kinder die einzigen sind, die gerne und vor allem sehr viel petzen. Ich habe es auch schon von anderen Kindern mitbekommen, dass sie bei jeder Kleinigkeit gleich zu einem Erziehungsberechtigten rennen und ihren Unmut preisgeben. Ich finde, dass vor allem kleine Kinder bzw. jüngere Kinder dies gerne tun.

Eigentlich ist es ja in Ordnung, wir haben ihnen schließlich auch beigebracht, dass wenn was ist, das sie zu einen kommen sollen, und dies dann erzählen. Irgendwann haben aber die Kinder angefangen dies für sich zu nutzen und die Häufigkeit nahm zu.

Petzen eure Kinder auch so gerne und kommen bei jeder Kleinigkeit angelaufen? Meint ihr dass die Kinder dabei manchmal übertreiben? Warum petzen Kinder so gerne? Was meint ihr dazu?

Oh ja, das kann ich ganz gut nachvollziehen. Ich kann mich auch selber noch daran erinnern, dass ich als Kind immer mal gerne gepetzt habe. Folgende Illustration finde ich sehr belustigend und angebracht: link. Hier sieht man schon, dass andere Kinder genau wissen, was andere Kinder machen werden, wenn sie sich irgendwie verletzt fühlen. Sie werden es den Eltern erzählen.

Wieso das so ist, kann ich nur vermuten. Ich denke mal, dass die Kinder mit dem Petzten auch eine Art Belohnung erwarten. Sie denken, wenn sie etwas petzten, haben sie was gutes gemacht, und werden gelobt. Ich bekomme öfters Besuch von meinen Verwandten, von denen 2 kleine Kinder immer mal gerne mit mir spielen. Wenn ein Kind beim spielen mit mir ausrutscht, oder sich irgendwie verletzt, und vor allem denkt, ich wäre schuld, kennt es nur eine Möglichkeit. Und zwar die Flucht zu den Eltern, und das darauf folgende petzen des Geschehens. Die Eltern sind meist die einzigen Bezugspunkte der Eltern, und sie erhoffen sich auch Verständnis.

Ich glaube, es hat auch damit zu tun, dass sie dieses petzenswerte Verhalten nicht gemacht haben. Also ein anderes Kind hat etwas Verbotenes gemacht und sie waren immer ganz brav. Wenn man das nicht petzt, erfährt die Mama ja nie, wie brav man ist. Es ist bestimmt eine Zeit, in der sie die Unterschiede zwischen sich und anderen Kindern immer stärker feststellen.

Und wahrscheinlich wollen sie auch nicht verpassen, wie das andere Kind bestraft wird. So kann man die Konsequenzen dieses Fehlverhalten kennenlernen ohne sie am eigenen Leib zu spüren. Es geht ja alles darum Grenzen kennenzulernen und zu erfahren, was man darf und was nicht. Und auch was man auf gar keinen Fall darf und bei welchen Dingen man abwägen kann, ob es die Strafe vielleicht wert ist. Aber dafür muss man alles mal ausprobiert haben. Wenn andere die Strafe abbekommen, kann man daraus nur lernen.

Kinder haben irgendwie von Natur aus ein bewunderswertes Gerechtigkeitsempfinden. Sie wissen oft von alleine sehr gut, was für ein Verhalten korrekt ist, sozial ist, oder eben auch nicht. Woher das kommt, weiß ich nicht, habe aber bemerkt, dass Eltern dieses Empfinden oft erst ruinieren. Aber, um zur Sache zu kommen: Ich glaube, dass dieses Empfinden, was falsch und was richtig sei, eine große Rolle spielt, wenn es darum geht, wieso Kinder andere Kinder verpetzen.

Kinder sind einfach ehrlich und kennen es bis zu einem bestimmten Alter noch gar nicht so wirklich, herum zu lügen, schlechtes Verhalten zu decken oder aus "Anstand" zu schweigen. Ein Kind hat noch keine Hemmungen, es zu sagen, wenn ein anderes sich falsch benimmt oder irgendwie mit seinem Verhalten stört, und sei es auch nur, dass es den Ordnungsinn des anderen Kindes irgendwie stört. Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Kind, wenn es immer eingebläut bekommen hat, welches Verhalten falsch sei, auch denkt, es müsse andere Kinder darauf hinweisen und auch dafür sorgen, dass andere Leute die Regeln ebenfalls einhalten. Dass das aber wieder gesellschaftlich unerwünscht ist und als Petzen durchgeht, verstehen Kinder gewöhnlich noch nicht. Ehrlich gesagt ist die ganze Angelegenheit ja auch ein wenig seltsam.

Ich habe selbst keine Kinder, kann mich aber noch gut an meine eigene Kindheit erinnern. Gepetzt habe ich eher wenig. Fast nur bei ernsteren Dingen, wenn mich beispielsweise ein Mitschüler geschlagen hatte oder wenn einer einen anderen Mitschüler verprügelte. Irgendwie hatten wir da einige Schüler in der ersten Klasse, die ich als durchaus "sozial auffällig" bezeichnen würde, aus heutiger Sicht. Wohlgemerkt, ich spreche nicht von einfachen Schubsern, sondern davon, dass einige wiederholt auf andere Schüler einschlugen, auch, wenn diese schon am Boden lagen. Ich finde übrigens auch, dass es nicht übertrieben ist, wenn man zur Lehrerin geht, weil ein Mitschüler Gewalt anwendet. Petzen zu gehen, wenn ein Mitschüler popelt, oder was weiß ich, wäre natürlich übertrieben. Aber bei "richtigen" Prügeleien, bei denen ein Schüler deutlich unterlegen ist und das Opfer des anderen Schülers ist, hört meiner Meinung nach der Spaß auf.

In dem Zusammenhang habe ich an meiner Grundschule aber einige Situationen erlebt, die mir bis heute unlogisch erscheinen. Ich weiß noch, dass mich ein Mitschüler mal grundlos geschlagen hatte und ich das der Lehrerin berichtete, weil der Mitschüler auch nicht aufhören wollte. Ich hatte als Sechsjährige einfach gehofft, dass die Lehrerin eingreift und mich quasi vor weiteren Angriffen schützt. Ein völlig natürliches Verhalten, denke ich mal, wenn man sich selbst nicht ausreichend wehren kann, was ja wohl als schmächtiges kleines Mädchen schon passieren kann, wenn einen ein etwas bulligerer Junge angreift.

Was ich nun erlebte, finde ich damals wie heute dämlich: Die Lehrerin jedenfalls bezeichnete mich als Petze und behauptete, ich solle sowas für mich behalten. Da kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Vermutlich wollte diese Lehrerin einfach nur ihre Ruhe haben. Die Reaktion finde ich für eine ausgebildete Pädagogin trotzdem daneben. Oder liege ich falsch?