Internat mit langen Tourneen für Kinder eine Bereicherung?

Mein Bruder war als Kind bei den Wiener Sängerknaben. Im Kindergarten haben die Pädagoginnen zu meinen Eltern gemeint, dass mein Bruder eben so eine gute Stimme hat, schön singt und so weiter und haben ihnen die Sängerknaben eben vorgeschlagen. So sind meine Eltern da eben irgendwie hineingerutscht und so landete mein Bruder bei den Sängerknaben.

In der Volksschule / Grundschulzeit war er dort "normal" in der dortigen Schule und ich glaube nach dieser Schule hat eben die Tourneezeit begonnen. Ich kann nun nicht das genaue Alter nennen, aber das war so etwa als er 10 Jahre alt war. Die Tourneen haben in der Regel auch mehrere Monate gedauert. Da war er mehr oder weniger in der ganzen Welt unterwegs und hat eben bei Konzerten mitgewirkt.

Dadurch, dass mein Bruder eben dort war, kenne ich auch einige andere ehemalige Sängerknaben. Meine Firmpatin ist zum Beispiel auch die Mutter von einem anderen ehemaligen Sängerknaben. Ihr Enkelkind ist nun auch bei den Sängerknaben gelandet und derzeit ist er gerade auf seiner erster längeren Tournee. Der Kleine ist auch erst etwa 10 Jahre alt. Sie berichtet auch immer ganz stolz, dass der Kleine eben dort ist und wie toll diese Tourneen für ihn sind und so weiter.

Das mag auf den ersten Anschein auch so sein. Mein Bruder schätzt es glaube ich auch, dass er mehr oder weniger die ganze Welt im Laufe der Zeit kennen gelernt hat. Dennoch war diese Zeit sehr prägend. Vor allem damals gab es noch nicht einmal großartig Internet und Co. Der Kontakt zu den Eltern bestand eben über mehrere Monate nur über ein paar Briefe. Während einer Tournee ist auch unser Opa gestorben und das hat er dann auch erst nach der Tournee erfahren. Und auch wenn er die anderen Schüler und auch die Pädagogen und Erzieher dort sehr gut kannte, ist es doch etwas anderes, wenn man so lange von seinen Eltern weg ist.

Ich hatte unlängst eine Diskussion mit meiner Firmpatin, wo ich gemeint habe, dass ich meinen Sohn niemals zu den Sängerknaben geben würde. Natürlich ist es toll, wenn Kinder so viel erleben, aber für meinen Geschmack wäre es eben schon etwas zu viel des Guten. Wie würde es euch gehen? Haltet ihr so eine Möglichkeit, dass Kinder eben zu Sängerknaben oder sonst wo, wo sie eben längere Tourneen machen für sinnvoll? Meine Eltern hätten meinem Bruder niemals so viele Reisen ermöglichen können und auch die Erfahrung mit den Konzerten und so weiter ist sicher toll, aber es hat eben auch Schattenseiten. Meiner Meinung nach sogar große Schattenseiten. Aber wie würdet ihr in so einer Situation entscheiden?

Als ich dieses Thema gesehen habe, musste ich sofort an die Sängerknaben denken und beim Öffnen sehe ich das auch sofort Ich habe zwar nie mit jemanden direkt Kontakt gehabt, habe aber aus guten Quellen erfahren, dass die Kinder ihre Entscheidung so aufzuwachsen nie bereut haben. Ich glaube.. es war irgendwo im Osten oder Dresden, wo auch "die Prinzen" zusammengekommen sind, diese waren nämlich auch Sängerknaben.

Die Kinder sehen ihre Eltern eigentlich sehr selten. An Weihnachten ist Anwesendheitspflicht. Zwischen den jungen und älteren Schülern ist eine gute Zusammenarbeit und man schenkt sich gegenseitig Sachen zu Weihnachten, habe ich erfahren. Viele sind natürlich nach dem ganzen in der musikalischen Richtung geblieben und haben sich sehr gut entwickelt, wie z. B. im Fall der Prinzen. Naja, du wirst es ja durch deinen Bruder aber selber gut und sicherlich viel besser wissen..

Aus Sicht der Abschließenden kann aber gesagt werden, dass das teilweise eine harte Zeit für sie gewesen ist, weil auch dementsprechend viel geprobt wird, aber wirklich niemand hat es bereut.

Na ja, dass es so wirklich niemand bereut hat, würde ich nun nicht unterschreiben, da könnte ich dir durchaus ein paar Beispiele nennen, die das nicht so toll finden. Mein Bruder äußerst sich zu diesem Thema nicht besonders, aber er hat gemeint, dass er seinen Sohn niemals dorthin schicken würde, nimmt es unseren Eltern aber nicht "übel", dass sie ihn dorthin geschickt haben. Immerhin war es mehr oder weniger auch sein Wunsch, wobei ihm natürlich auch klar ist, dass er da eben irgendwie hineingeschlittert ist. Oder sagen wir es einmal so: Ein Kind lässt sich schnell von etwas überzeugen.

Nichts desto trotz findet er die Tourneen auch im Nachhinein insofern toll, als dass er wirklich viel herumgekommen ist. Dass er sonst nicht die Möglichkeit dazu gehabt hätte, ist ihm klar. Im übrigen war es zumindest damals bei den Sängerknaben so, dass sie zu Weihnachten immer zu Hause waren. Allerdings hatten sie vor Weihnachten immer eine längere Tournee von mehreren Monaten. Sie kamen aber immer am 21. Dezember zurück um zu Hause Weihnachten feiern zu können. Aber das ist vielleicht bei anderen Chören anders.

Ich finde es gut, wenn Kinder die Möglichkeit haben, viel zu erleben. Als Kind wollte ich immer im Internat leben. Das war ein großer Wunsch, allerdings ging es dabei lediglich um ein normales Internat und nicht um einen künstlerischen oder sportlichen Hintergrund. Leider war ich nie im Internat. Wenn ich ein Kind hätte, würde ich aber mit Sicherheit darüber nachdenken, es in ein Internat zu schicken. Wenn es besonders musikalisch oder sportlich wäre, fände ich es sogar gut, es in ein entsprechendes Internat zu schicken, in dem sein Talent besonders gefördert wird.

Natürlich werden die ganz kleinen Kinder hin und wieder Probleme mit Heimweh haben. Aber ich denke, dass die Vorteile doch überwiegen. Die Kinder werden früher selbstständig und haben darüber hinaus einfach mehr Möglichkeiten. Auch wenn es zwischendurch vielleicht nicht ganz einfach für sie ist, werden sie es hinterher sicher doch zu schätzen wissen, welche Möglichkeiten sie durch die ganzen Tourneen hatten.