Wie überwinde ich mich, auf der Straße Fahrrad zu fahren?

vom 14.03.2013, 19:52 Uhr

Jeder, der mal Fahrrad fahren lernt, weiß: Man muss bis zum 10. Lebensjahr auf dem Gehweg radeln, ab dem 10. Lebensjahr muss dann wie ein Erwachsener gefahren werden. Ich habe es mir seit ich die 10 Jahre überschritten habe angewöhnt trotzdem auf dem Bürgersteig zu bleiben. Auch jetzt noch, wo ich schon 17 bin. Ich fahre gerne und oft mit dem Fahrrad, vor allem um von A nach B zu kommen.

Abgesehen davon, dass es sehr umständlich ist, auf dem Gehweg zu fahren, aufgrund der ganzen Fußgänger und/oder Straßenüberquerungen, ist es mir irgendwo peinlich. Ich sehe andere Radfahrer, die auf der Straße fahren und dann mich, der in diesem Alter immer noch auf dem Gehweg ist. Ich bin auch kein "extreme-Biker", sondern einer der normal sein Ziel erreichen möchte.

Es ist nicht so, dass ich Angst vor der Straße habe. Ich habe es schon öfters versucht, mich einfach auf die Straße zu begeben. Soweit kein Problem, wären da nicht die Autos. Sobald sich hinter mich ein Auto begibt, fühle ich mich richtig bedrängt, und mir schießen tausend Gedanken durch den Kopf. Ich denke, dass die Autofahrer wegen mir so langsam fahren müssen, und jeder Zeit anfangen zu hupen. Wenn es dann auch noch mehr als ein Auto hinter mir wird, fahre ich direkt wieder auf den Bürgersteig.

Wie ist das Ganze rechtlich geregelt, könnte ich dafür angezeigt werden, wenn ich immer noch auf dem Bürgersteig fahre? Und vor allem: wie schaffe ich es, mein Problem zu lösen?

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» Owlytic » Beiträge: 534 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Rein rechtlich gesehen ist es eigentlich nicht gestattet auf dem Bürgersteig, also dem Gehweg, mit dem Fahrrad zu fahren. Es ist auch nicht ganz ungefährlich, wenn überall die Fußgänger rumhampeln und nicht nachvollziehbare, ruckartige Bewegungen machen. Da passiert es schnell mal, dass man einen Fußgänger über den Haufen fährt, auch wenn man langsam unterwegs ist. Rechtlich gesehen kannst du dich dort mit dem Rad bewegen, wenn du es schiebst, aber das wiederum stellt dann das Fahrrad komplett in Frage.

Du kannst ruhig auf der Straße fahren. Lass dich von den Autofahrern nicht bedrängen oder verärgern. Es gibt überall Vollhonks und unter den Autofahrern gibt es da eine ganze Menge. Denke einfach an die Strecke, die noch vor dir liegt. Die Autos überholen dich schon, wenn sich die Gelegenheit bietet. Und wenn sie so frustriert sind, dass sie dich anhupen müssen, dann lass sie machen. Es muss schon sehr ärgerlich für so einen Menschen sein, wenn er "wegen dir" mal eine halbe Minute später am Zielort ankommt. Deswegen brauchst du dir also keine Sorgen machen. Du behinderst niemanden, der auf der Straße unterwegs ist.

Geh das ganze doch mal schrittweise an, wenn es dir wirklich so schwer fällt. Du fährst jeden Tag ein paar Meter mehr auf der Straße, bis du irgendwann eine komplette Strecke auf der Straße fahren kannst. Wenn dir zwischendurch unwohl wird, dann kannst du jederzeit kurz anhalten und Luft holen. Wichtig ist halt, dass du dranbleiben musst. Klar, es ist gefährlich auf der Straße zu fahren wenn so viele frustrierte und gestresste Leute mit dem Auto unterwegs sind, aber wo hat man keine Gefahren im Leben? Also Kopf hoch und gute Fahrt.

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» Zohan » Beiträge: 4398 » Talkpoints: 16,33 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Ich kann den Tip von Zohan nur unterschreiben. Wenn Du auf der Fahrbahn fahren willst aber aus Angst diese meidest, sind solche kleinen Stücke zur Eingewöhnung eine gute Idee. Ebenfalls kannst du dich für den Anfang auf ruhige Straßen beschränken. Aber Vorsicht: 30er Zonen bergen ein großes und verborgenes Risiko: An den Kreuzungen gilt ja rechts vor links. Dort wird man von Autofahrern noch öfter ignoriert als es ohnehin schon alltäglich ist. An den Kreuzungen solltest Du also sehr aufmerksam sein.

Die rechtliche Situation ist ganz leicht zu merken. Darum unterscheide ich in dieser Antwort auch ganz klar zwischen der Fahrbahn und der Straße. Denn zur Straße gehören auch Gehwege und Radwege.

Als erstes gilt nämlich §2 Absatz 1 der StVO: Fahrzeuge müssen die Fahrbahn benutzen. Das Wort Fahrzeuge gilt auch für Fahrräder, während Kraftfahrzeuge die Fahrräder ausschließen. Einzige Ausnahme: Es ist ein Radweg vorhanden oder den Radfahrern wurde die Benutzung erlaubt. Dazu im nächsten Absatz mehr:

Radwege sind aber nur dann Benutzungpflichtig, wenn eines der drei blauen Schilder (Zeichen 237, 240 oder 241) aufgestellt ist. Wenn ein Fahrradsymbol lediglich aufgemalt wurde, dann ist dieser Radweg nicht Benutzungpflichtig. Dort muss man also die Fahrbahn benutzen, darf aber auf diesen nicht benutzungspflichtigen Radweg ausweichen. Sollte ein Fußweg für Radfahrer freigegeben sein (Zeichen 239 mit Zusatzschild 1022-10), dann ist dieser auch nicht Benutzungpflichtig. Zudem muss man dort Schrittgeschwindigkeit fahren und darf Fußgänger weder behindern, gefährden oder wegklingeln. Auf Gehwegen darf man, wie Du schon richtig bemerkt hast, nicht mit dem Fahrrad fahren. Das ist nur für Kinder bis zum vollendeten 8. Lebensjahr vorgeschrieben. Kinder bis zum vollendeten 10. Lebensjahr dürfen weiterhin auf dem Gehweg fahren. Da Dir die Nummern der Verkehrszeichen evtl unbekannt sind, kannst Du diese hier nachlesen.

Als erstes solltest Du dir eine Sache bewusst machen: Wenn Du auf einem Gehweg fährst, dann ist das nicht einfach nur umständlich für Dich. Auf einem Gehweg gefährdest Du die Fußgänger. Denn bei einem Unfall entstehen sehr schnell starke Verletzungen und Knochenbrüche. Ebenfalls müssen Autofahrer nicht mit Radfahrern auf Gehwegen rechnen (Von Kindern mal abgesehen, die rechtlich aber nicht zu Radfahrern zählen...). Bei einem Unfall mit einem Fußgänger oder einem Auto hat man als Radfahrer dann nämlich sehr schlechte Karten. In beiden Fällen wird man verletzt und in beiden Fällen ist man am Unfall schuld und muss den entstandenen Schaden ersetzen.

Wenn Du auf der Fahrbahn unterwegs bist, brauchst Du zwangsläufig ein dickes Fell. Denn man stellt sehr schnell fest, dass vielen Autofahrern die aktuelle StVO offensichtlich unbekannt ist. Anders kann ich mir das alltägliche Verhalten zumindest nicht erklären. Und ich bin täglich mit dem Fahrrad und mit dem LKW unterwegs. Darum im nächsten Absatz ein paar Tipps:

Wenn Du ein Auto hinter Dir hast ohne dass das Auto überholt, dann sei darüber froh. Denn dieser Autofahrer wartet eine Lücke im Gegenverkehr ab, um Dich gefahrlos zu überholen. Der BGH hat vor langem nämlich entschieden, dass man beim Überholen von Fahrrädern mindestens 1,5 Meter Sicherheitsabstand einhalten muss. Ab 70 km/h, bei Bergfahrten und bei Kindern auf dem Fahrrad erhöht sich dieser Abstand sogar auf 2 Meter. Und lass Dich keinesfalls an den Fahrbahnrand drängen. Damit fördert man unbewusst nämlich Überholen ohne Sicherheitsabstand. Daher sind 2 Urteile des OLG Hamm und des OLG Saarbrücken für Dich auch sehr wichtig.

Das OLG Hamm hat nämlich entschieden, dass man mit dem Fahrrad 70cm bis 80cm Abstand zum Gehweg einhalten muss. Der Grund dafür ist die Sorgfaltspflicht gegenüber Fußgängern auf dem Gehweg. Da diese ja bis an den Bordstein gehen dürfen, würde man die durchaus trotz Benutzung der Fahrbahn gefährden. Durch Rinnstein und Kanaldeckel kann man nämlich unkontrolliert schwanken. Des weiteren hat das OLG Hamm auch entschieden, dass man etwa 1 Meter Abstand zu geparkten Autos halten muss. Grund dafür ist die Gefahr durch Autotüren und durch losfahrende Autos. Wenn man den Abstand einhält, dann kann man aus dem Auto heraus besser gesehen werden. Bei Unterschreitung dieser Abstände kann man sogar eine Teilschuld an dem Unfall erhalten. Denn als Verkehrsteilnehmer ist man ja auch verpflichtet, Unfälle zu vermeiden. Das OLG Saarbrücken hat sogar etwas anderes entschieden: Seitenabstände von weniger als 1 Meter darf man nur unter widrigsten Umständen halten.

Ich selber fahre täglich mindestens 42 Kilometer mit dem Fahrrad. Und seit etwa 2 Jahren halte ich mich an die Gerichtsurteile und fahre überall auf der Fahrbahn, wo es keine zumutbaren benutzungspflichtigen Radwege gibt. Und in diesen 2 Jahren kam ich in deutlich weniger gefährliche Situationen. Vorher hatte ich immer die üblichen bekannten Probleme und Gefahren. Das zeigt mir ganz klar: Die Fahrbahnbenutzung ist sehr viel sicherer als allgemein behauptet wird.

» Arcon » Beiträge: 311 » Talkpoints: 1,38 » Auszeichnung für 100 Beiträge



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