Sind Filme über Schwerverbrechen moralisch vertretbar?

Auf meinem Stammradiosender gibt es wöchentlich eine Vorschau über drei neue Filme. Man hört einen kleinen Trailer, bekommt eine Einschätzung eines so genannten "Filmexperten" und eine Bewertung über die Qualität des Films in Popcorn-Tüten - eine Popcorn-Tüte steht für einen miserablen, fünf für einen großartig gelungenen Film. Bisher habe ich es auch noch nie erlebt, dass diese Bewertung nicht vergeben wurde, bis eben der Film "3096 Tage"; vorgestellt werden sollte, der die schreckliche Geschichte der Natascha Kampusch beleuchtet.

Der Experte meinte nur, er fände es so fürchterlich, so etwas zu zeigen, dass er nicht über den Film sprechen und auch keine Bewertung vergeben wolle. Die Darstellung sei so schrecklich und solch ein Verbrechen solle auch nicht dargestellt werden, dies sei kein Material für einen Kinofilm und solle daher unkommentiert bleiben. Zwischen den Zeilen war herauszuhören, dass er den Film für moralisch fragwürdig hält und eben nicht findet, dass man sich mit einem Verbrechen dieser Art filmisch befassen sollte.

Nun gibt es ja zahlreiche Filme über wirklich schwere Verbrechen, die bereits gedreht wurden und sich meines Wissens nach auch großer Beliebtheit erfreuten. Einfallen würden mir da spontan "World Trade Center", ein Film über den 11.09.2001, oder auch "Der Untergang", ein Film, der sich mit den letzten Tagen des nationalsozialistischen Regimes und dessen Zerfall beschäftigt und dabei vor allem das Gefühlsleben der Hauptverbrecher und Mitläufer behandelt. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den Filmen, vor allem, weil einer von ihnen ein Einzelschicksal behandelt und die Anderen sich mit Verbrechen beschäftigen, die ganze Nationen in Atem hielten, aber letztlich beschäftigen sich alle diese Filme mit unmenschlichen und schrecklichen Verbrechen.

Ich persönlich habe mir noch keine endgültige Meinung gebildet, was ich von der Darstellung eines derart schweren Verbrechens in Form eines Spielfilmes halten soll. Wie seht ihr das? Findet ihr Filme dieser Art moralisch vertretbar oder sollte derlei nie filmisch dargestellt werden? Denkt ihr, dass Filme diese schlimmen Verbrechen angemessen und würdevoll darstellen? Wo seht ihr Vor- und Nachteile dieser Filme?

Es ist ja - wie du auch geschrieben hast - letztlich nicht das erste Mal, dass eine Leidensgeschichte verfilmt wird und sich an der Biographie der Protagonisten orientiert. Was hier jetzt besonders grausam sein soll, verstehe ich nicht und unterscheidet sich sicher nicht von vielen ähnlichen Filmen, die ebenfalls Verbrechen zeigen. Wenn auch ohne sich direkt auf reale Geschehnisse zu beziehen.

Einzig Natascha Kampusch wird hier urteilen dürfen, zumal der Film eben auch Themen aufgreift, welche sie bislang immer ausgespart hat und von der Öffentlichkeit fern halten wollte. Das aber ist der Tribut der Filmemacher, wenn sie denn dann doch auch über die Sensationsgier Leute dazu bewegen wollen, sich den Film anzuschauen.

Schwieriger war in meinen Augen auch die Tatsache, dass hier ein Kind das Verbrechen realistisch nachspielen sollte. Später habe ich aber erfahren, dass für die meisten Szenen eine Schauspielerin gefunden wurde, welche auch mit ihren 20 Jahren noch das Kind und die Jugendliche spielen kann. Ansonsten ist die gezeigte Tat moralisch (aber natürlich auch strafrechtlich) zu verurteilen. Der Film selbst ist aber eben nur ein Film!

Viele Filme die auf wahren Begebenheiten beruhen, zeigen doch auch sehr unschöne Seiten der menschlichen Fähigkeiten. Beispiele hast du ja selbst schon einige genannt. Und soweit ich weiß werden in solchen Filmen auch häufig Einzelschicksale gezeigt. Man zeigt also nicht den Krieg als Ganzes, sondern konzentriert sich auf eine kleine Gruppe von Menschen und wie diese diese Situation erlebten.

Aber der Krieg ist lange her, das World Trade Center gibt es auch schon lange nicht mehr und zudem ist es weit weg. Und vermutlich sind solche Gegebenheiten ebenso wie Mord, Vergewaltigung, Kannibalismus, Verstümmelungen, usw. für viele doch anders. Dabei handelt es sich um kurzfristige Handlungen, die auch irgendwie schon dazugehören. So etwas gibt es, wir haben es in gewisser Weise akzeptiert (was nicht bedeutet, dass wir es gutheißen) und solche Fälle tauchen immer mal wieder auf. Wenn es dann noch aus fernen Ländern kommt, ist es nochmal etwas anderes.

Ein solches Verbrechen wie in 3096 Tage dargestellt, gab es vorher noch nicht in dieser Form. Wobei es durchaus schon Krimis gab, die ähnliche Entführungsfälle darstellten, wenn auch rein fiktiv. Bei Natascha Kampusch kommt nun hinzu, dass sie bewusst die Öffentlichkeit suchte und mit ihrer Autobiografie eine entsprechende Vorlage für ein Drehbuch geliefert hat. Andere Entführungsopfer würden diesen Weg nicht gehen wollen und das sollte man dann respektieren.

Ich sehe da überhaupt kein Problem. Filme haben doch immer einen Zweck, entweder zu amüsieren, zum Nachdenken zu bewegen, eine Einstellungsänderung zu bewirken, die Allgemeinbildung zu erweitern oder bestimmte Gefühle auszulösen. Wenn Frau Kampusch damit einverstanden ist, ist das auch in Ordnung.

Ich finde den Hass, der ihr in Österreich angeblich entgegenschlägt, nur weil sie sich anders verhält, als es die Leute erwarten, absolut daneben. Vielleicht bekommen ja manchen Leute eine andere Einstellung, wenn sie den Film sehen. Manchen behaupten doch tatsächlich, sie sei freiwillig dageblieben. Das Mädchen war zehn Jahre alt, als es entführt wurde! Ich schaue mir gerne Filme an, die auf wahren Begebenheiten beruhen.