Wieso kann Langeweile im Job Stress bedeuten?
Ich hatte letztens ein längeres Telefongespräch mit meiner Freundin. Wir haben uns natürlich auch über unsere Arbeit unterhalten und dabei festgestellt, dass es uns beiden gerade ähnlich geht. Sie ist körperlich und nervlich total fertig und ich auch. Allerdings kann ich es bei ihr sehr gut verstehen, da sie a) einen Vollzeitjob in einem Büro hat, b) noch ein Kind hat und c) noch bis Mitternacht am Computer sitzt, da sie einen Ebay-Shop hat, der auch viel Zeit in Anspruch nimmt.
Bei mir ist es aber so, dass ich auf meiner Arbeit keinen Stress habe. Gut, manchmal ist viel zu tun, aber derzeit ist es überwiegend ruhig, so dass man manchmal vor Langeweile schon nicht mal mehr weiß, was man im Internet noch machen könnte. Ich sitze zwar dann auch zu Hause bis abends noch am Computer, aber dafür hatte ich eben weniger auf der Arbeit zu tun.
Meine Freundin meinte aber, dass Langeweile auf der Arbeit auch Stress bedeuten kann. Ich habe allerdings nicht ganz verstanden, warum? Klar, es ist nervig, wenn die Zeit nicht vergeht, aber bedeutet das Stress? Was denkt Ihr darüber? Inwiefern kann es Stress bedeuten, wenn man auf der Arbeit wenig bis manchmal auch gar nichts zu tun hat?
Es gibt das sogenannte Boreout-Syndrom, welches durch Langeweile und/oder chronische Unterforderung am Arbeitsplatz hervorgerufen wird. Wobei ich mich bei dir gerade frage, ob du in deinem Eingangsposting meintest, dass du abends zu Hause auch noch beruflich vor dem PC verbringst? Wenn ja, dann wäre ein anderes besseres Zeitmanagement am Arbeitsplatz vielleicht sinnvoller, als auf der Arbeit privat zu surfen und den Job dann mit nach Hause zu nehmen.
Wenn es hingegen so ist, dass du abends privat surfst, so frage ich mich schon, warum du nicht nach alternativen Beschäftigungen suchst. Vor allem wenn du tagsüber auf der Arbeit schon privat das Internet so intensiv nutzt, dass du schon nicht mehr weißt, was du noch machen sollst, so macht es Sinn dies dann nicht nach Feierabend weiter zu machen.
Vor allem bei eintönigen Jobs ist ein Ausgleich wichtig. Ob das nun sportliche Aktivitäten sind, ehrenamtliche Tätigkeiten oder man mit Freunden etwas unternimmt. Es macht schon viel aus, ob es etwas gibt worauf man sich nach Feierabend freuen kann, oder ob dort dieselbe Langeweile wartet wie bereits auf der Arbeit.
Als Stress würde ich die Langeweile auf der Arbeit nicht bezeichnen. Dennoch hat man schon ein schlechtes Gefühl, wenn man den Tag über nichts zu tun hat. So kann es beispielsweise vorkommen, dass man sich überflüssig vorkommt. Man fragt sich, ob sein Job bei dem Betrieb überhaupt sicher ist und man nicht gekündigt wird. Außerdem ist es doch ein gutes Gefühl, abends zu sagen, dass der Tag erfolgreich verlaufen ist und man etwas geschafft hat.
Die unguten Gefühle zusammen mit einer ausbleibenden Genugtuung über die eigene Arbeit können schon zu einer nervlichen Belastung werden. Subjektiv kann man dann sogar Stress empfinden, obwohl dieser objektiv nicht gegeben ist. Ich habe mal gelesen, dass auch Empfänger von Arbeitslosengeld II Stresssymptome aufweisen, auch wenn von ihnen keine beruflichen Leistungen gefordert werden.
Ariola hat geschrieben:Die unguten Gefühle zusammen mit einer ausbleibenden Genugtuung über die eigene Arbeit können schon zu einer nervlichen Belastung werden. Subjektiv kann man dann sogar Stress empfinden, obwohl dieser objektiv nicht gegeben ist.
Stress ist, abgesehen von wenigen Ausnahmen, immer subjektiv. Wenn tatsächlich Leib und Leben in Gefahr ist oder bei echten äußerlichen Stressfaktoren (zum Beispiel Lärm), dann kann man vielleicht von objektiven Stress reden. Ansonsten ist Stress wirklich rein subjektiv, weil es eben eine rein psychologische Reaktion ist.
Und deshalb kann Langeweile am Arbeitsplatz durchaus echten Stress auslösen, nämlich dann, wenn diese Langeweile für den Menschen in irgendeiner Form belastend ist. Manche Leute können sicherlich sehr gut mit Langeweile umgehen oder freuen sich sogar darüber, dass sie nichts zu tun haben. Andere fühlen sich dann eben als nutzlos oder empfinden Untätigkeitkeit als sehr unangenehm. Wenn das der Fall ist, löst Langeweile Stress aus, unter Umständen sogar mehr als Überforderung.
Ich kenne das auch; manchmal habe ich wirklich nicht viel zu tun und dann lese ich private Mails, schreibe an meinem Blog oder hier bei talkteria usw. Gerade an den Tagen, an denen ich länger arbeiten muss, ist es dann so, dass in der letzten Stunde nicht mehr viel zu tun ist und ich eigentlich nur die Zeit absitze, bis ich nach Hause gehen kann. Eigentlich sehe ich das aber eher als Vorteil, denn so kann ich eben Privates nebenbei auf Arbeit erledigen und man muss bedenken, dass die meisten Arbeitnehmer wohl eher das gegenteilige Problem haben und vielleicht sogar von zu viel Arbeit gestresst sind.
Allerdings muss man eben auch immer aufpassen, dass die Gammelei nicht auffällt, also kann es in manchen Berufen durchaus so sein, dass jemand dann dadurch gestresst wird, dass er immer Produktivität vortäuschen muss. Genauso kann jemand auch den Anspruch haben, bei seiner Arbeit etwa Nützliches und Wertvolles zu schaffen oder viel zu leisten – das wäre in dem Fall ja nicht gegeben. Wenn man sich aber dabei wohl fühlt, dann ist es eine feine Sache, nicht so viel machen zu müssen.
Ja, auch "Langeweile" kann Stress im Beruf auslösen. Stress ist schließlich einfach emotionale Belastung und hat nicht zwangsläufig etwas mit Überarbeitung oder Gehetztsein zutun. Wobei "Langeweile" ja eigentlich auch der falsche Begriff ist. Ich denke, es ist eher so, dass einen andere Aspekte sehr nerven und dann eben auch emotional bis hin zum Stress belasten können, wenn man untätig auf der Arbeit herumsitzt.
Ein privates Beispiel dazu kann ich auch geben. Da geht es sogar um einen Aspekt, der hier noch gar nicht direkt genannt wurde. Und zwar habe ich einmal an einem Projekt gesessen, an dem mir persönlich sehr viel lag. Ich hatte viele Ideen, wollte viel tun, aber was war? Es musste alles noch durch den Projektleiter abgesegnet werden, und der war nicht da. Und so etwas kam dort oft vor. Man hatte große Pläne und wollte handeln, aber wurde ausgebremst, weil man für den nächsten Schritt irgendeinen Kollegen benötigt hätte (oder eben seine Genehmigung), und die einfach nicht bekam.
Das allein fand ich schon ärgerlich, aber wenn es mehrfach vorkam, und ich dann auch noch von Kollegen gesagt bekam, ich solle doch bisschen langsamer arbeiten, oder ich solle doch froh über die zusätzliche Pause sein und dann eben bisschen online surfen oder einen Kaffee trinken gehen, dann fand ich das besonders unangenehm, da mein emotionaler Zustand ja offensichtlich gar nicht verstanden wurde. Das war also noch einmal mehr irgendwie frustrierend.
Ich kann mir also, gerade in dieser Beispielsituation, die ich eben aus meinen eigenen Erfahrungen beschrieben habe, sehr gut vorstellen, dass da Leute nicht nur "ein bisschen genervt" reagieren, sondern dass es sie auf Dauer, wenn sie das Monate oder sogar Jahre so erleben, wirklich sehr stressen kann.
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