Dem Bauchgefühl vertrauen
Ich war auch eine von den Frauen, die immer gesagt hat "Mein Partner würde nie fremdgehen!". Wir waren 12 Jahre zusammen und er hat mir so glaubhaft versichert, dass er der treueste und ehrlichste Mensch ist den es gibt, dass ich einfach alle Zeichen für seine Untreue ausgeblendet habe. Leute kamen zu mir und haben mir Geschichten über ihn erzählt, aber ich wollte das einfach nicht wahrhaben. Er hatte für alles plausible Erklärungen.
Vor einigen Monaten bekam ich dann einen Anruf von einer jungen Frau, die mir sagte, ich solle ihren Freund in Ruhe lassen. In dem Gespräch stellte sich dann heraus, dass sie wohl eine SMS von mir in seinem Handy gefunden hat. Daraufhin habe ich angefangen nach zu forschen. Und siehe da: Er hat mich mehrere Jahre, mit mindestens zehn Frauen betrogen, mit einer hat er sogar eine Tochter gezeugt. Habe mich daraufhin sofort von ihm getrennt.
Ein gesundes Misstrauen ist meiner Meinung nach in jeder Beziehung angebracht, egal was der Partner einem erzählt und verspricht, man kann sich seiner Treue und Ehrlichkeit niemals ganz sicher sein. Oft hat man ja schon so ein Bauchgefühl und spürt, dass irgendwas im Busch ist. Darauf sollte man sich verlassen, sowas trügt nur selten.
Hmm, ich weiß jetzt nicht genau, worauf Du hinaus möchtest, aber eine hundertprozentige Garantie gibt es nie und genauso wenig gibt es eine stetige Sicherheit, dass ein Seitensprung oder Fremdgehen wirklich sein muss. Das Vertrauen zum eigenen Bauchgefühl sollte zwar schon vorhanden sein, aber andererseits wird es schwierig, wenn man vom eigenen Bauchgefühl schon des öfteren verwirrt wurde. Daher ist ein Bauchgefühl vielleicht eine Tendenz, aber auch keine absolute Sicherheit und somit muss man eben schauen, inwiefern das Bauchgefühl stimmt. Gerade, wenn man doch ein recht eifersüchtiger Mensch ist, kann man so ein Bauchgefühl auch mal falsch deuten und dann unberechtigten Verdacht äußern.
Dir wünsche ich alles Gute, dass Du diese Zeit halbwegs gut verarbeitest und Du mit dieser schrecklichen Erfahrung nicht den Glauben an die Männerwelt verloren hast.
Ich weiß zwar leider auch nicht genau, worauf Du hinaus willst, außer, dass es mir so scheint als wolltest Du an uns appellieren, keinem Mann über den Weg zu trauen. Auf diesen Appell will ich gerne kurz eingehen, denn ich sehe das etwas anders, auch, wenn ich gut nachvollziehen kann, dass Du nach dieser zweifelsohne äußerst negativen und sicherlich auch schmerzhaften Erfahrung nun ein Misstrauen entwickelt hast, das Du als angebracht bezeichnest.
Meiner Meinung nach ist Misstrauen das Gegenwort zum Begriff „Vertrauen“ und hat insofern die genau entgegengesetzte Bedeutung. Wiederum meine ich außerdem aber, dass Vertrauen die wichtigste Basis für eine Beziehung ist, ganz egal, ob für eine Liebesbeziehung, also eine Partnerschaft, oder sonst für irgendeine Form von zwischenmenschlicher Beziehung. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, eine Freundschaft oder eine Liebesbeziehung zu einem Menschen zu unterhalten, dem ich misstraue, dem ich also nicht vertrauen kann. Überall da, wo ich Misstrauen empfinde, öffne ich mich nämlich nicht, ich kontrolliere das, was ich sage, und vielleicht manipuliere ich auch Situationen, um eben nicht vertrauen zu müssen, wo Vertrauen aber angebracht wäre.
Mit meinem Misstrauen würde ich aber auch gleichzeitig den Menschen Unrecht tun, die mir vertrauen wollen, weil ich mich mit diesem Misstrauen nicht öffnen könnte und insofern auch nur einen kleinen Teil dessen zeigen würde, was mein Wesen eigentlich ausmacht. Man kann also sicherlich sagen, dass ich als ein anderer Mensch erscheinen würde als eben der, der ich wirklich bin. Ich denke, dass es nicht möglich ist, einem misstrauischen Menschen zu vertrauen, wobei ich eben auch der Meinung bin, dass der misstrauische Mensch seinerseits ebenfalls keine Bindung eingehen kann.
Nach dieser Rechnung würde ein misstrauischer Mensch also ziemlich sicher allein bleiben und höchstens oberflächliche Beziehungen pflegen. Ob das nun das Gelbe vom Ei sein kann, bliebe dahingestellt, ich bin allerdings der Meinung, dass es nicht sein darf, dass ein Mensch einen anderen Menschen in diesem Punkt so sehr schädigt, dass der geschädigte Mensch seinerseits keine anständigen und fundierten Beziehungen mehr aufbauen und führen kann. Insofern hoffe auch ich für Dich, dass Du im Laufe der Zeit Dein gesundes Vertrauen zurückgewinnen kannst und in der Lage sein wirst, zu reflektieren, was Du selbst an Fehlern gemacht hast.
Dass Du in Zukunft Vertrauen mit Naivität und Gutgläubigkeit gleichsetzen sollst, sagt sicherlich niemand, und ich denke, dass diese drei Dinge sich sicherlich auch nicht immer entsprechend ergeben müssen. Vertrauen sollst Du sicherlich wieder können und ich hoffe auch, dass Du das eines Tages wieder zulassen kannst. Vielleicht versuchst Du nur, in Zukunft nicht mehr auszublenden, was an Dich herangetragen wird und zu gutgläubig zu sein. Dann wird Dir ein solches Leid in Zukunft auch sicherlich nicht mehr widerfahren.
Wenn man das nun so machen würde, würde man immer in Angst leben. Angst, dass etwas passieren könnte und man am Ende alleine ist. Ich finde, dass zu einer Beziehung eben auch Vertrauen gehört und dazugehört es für mich auch, dass man eben keine Maßnahmen unternimmt, seinen Partner zu misstrauen.
Wenn einem das Bauchgefühl verrät, dass man da einiges hinterfragen sollte, dann sollte man da schon drauf hören und wenn einem anderen Menschen Geschichten erzählen, dann würde ich da auch erst mal zuhören und nicht gleich dichtmachen. Das heißt aber nicht, dass ich gleich davon ausgehe, betrogen zu werden, weil man so eben keine Beziehung führen kann.
Ich halte von der Methode ehrlich gesagt auch nichts. Ich hätte dann auch ständig Panik, ob mein Partner mich betrügen würde und das tut keiner Beziehung gut. Ich würde dann womöglich auch damit anfangen, seine E-Mails und sein Handy zu kontrollieren und immer nachzufragen, wenn er ausgeht und mir nicht direkt sagt, wohin er geht. Das tut doch keiner Beziehung gut, wenn man sich so verhält. Das kann ich mir wirklich nicht vorstellen.
Ich selbst habe vollstes Vertrauen zu meinem Partner und ich bin mir wirklich sicher, dass er mich nicht betrügt. Es gab noch nie eine Situation, in der ich hätte denken können, dass er mich betrogen hat. Er sagt mir immer, wohin er geht, was er macht und mit wem er das macht und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass er da keine Lügengeschichten erzählt. Was mich so sicher macht, ist nicht unbedingt, dass er mich liebt. Mir ist schon klar, dass man sich in der Beziehung nie sicher sein kann und viele Partner schon etwas vorgespielt bekommen haben und sich ihrer Sache genauso sicher waren, wie ich.
Was mich bei meinem Partner so sicher macht, ist seine Religion. Er würde niemals fremdgehen, das wäre ein viel zu großer Verstoß gegen die Gebote und des Weiteren würde er auch nicht in so großen Maße lügen. Natürlich sagt er auch ab und zu mal kleinere Notlügen, aber so etwas würde er nie tun, da bin ich mir absolut sicher.
Und ich bin auch überzeugt davon, dass diese Sicherheit, die sowohl ich, als auch er haben, unserer Beziehung nicht schadet, sondern wirklich gut tut. Vertrauen ist es wichtiges und ich würde nicht sagen, dass Kontrolle in diesem Fall besser als Vertrauen ist. Kontrolle schafft nur noch mehr Misstrauen, vor allem bei dem Partner.
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