Verherrlichung von Essstörungen im Fernsehen

vom 05.02.2013, 21:22 Uhr

Ich verfolge schon jahrelang Die RTL-Sendung "Gute Zeiten Schlechte Zeiten". Momentan steht unter anderem die Thematik Magersucht im Mittelpunkt. Ein Mädchen namens Lilly, um die sich die ganze Geschichte dreht, führt nun schon seit Wochen ein Leben, welches von Fressattacken und anschließendem Erbrechen bestimmt ist.

In meinen Augen ist die Darstellungsweise dieser Thematik in diesem Format ziemlich bedenklich, denn seit Wochen sieht der Zuschauer, wie dieses Mädchen mit dieser Lebensweise zurecht kommt, wie sie fröhlich auf Partys geht, den Alltag meistert, sich den Finger in den Hals steckt und sich danach super fühlt und auch noch bei allen immer beliebter wird. Heute hat die Sendung meiner Meinung nach den Höhepunkt der Dreistigkeit erreicht, denn es wurden handfeste Tipps genannt, wie man sich besser Erbrechen kann und wie man es am Besten vor den Mitmenschen geheim hält.

Selbst wenn RTL die Story bald auflöst, aufzeigt wie schlimm das ganze ist und Lilly ihren Fehler ganz reumütig einsieht, denke ich, dass das Risiko für Anfällige und Betroffene dennoch gegeben ist. Sie sehen wochenlang wie dieses Mädchen damit lebt und sich gut fühlt, sehen aber schließlich, wie es überhand nimmt und sie die Kontrolle verliert. Doch vielleicht denken Betroffene dann: "Ich mache nicht den selben Fehler wie Lilly, ich habe mich viel besser unter Kontrolle."?

Wie steht ihr dazu? Verfolgt ihr die Sendung ebenfalls? Interpretiere ich da eventuell zu viel hinein und sehe Gefahren, die gar nicht vorhanden sind?

» Schnuffline » Beiträge: 1019 » Talkpoints: 33,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Wenn sie von Anfang an gezeigt hätten, dass es schlimm ist, wären sie aber weit von der Realität weg gewesen. Es ist nun mal so, dass man sich am Anfang richtig toll findet, wenn man nach Fressattacken alles wieder los wird. Es kommt erst sehr viel später, dass man selber erkennt, wie schlimm es eigentlich ist und dass man sich vor sich selber ekelt.

Und für meine Begriffe ist diese Phase schon viel zu schnell gekommen bei Lilly. Denn sie merkt ja jetzt schon, dass es ihr eigentlich nicht gut tut. Sie wollte sich ja auch Hilfe im Netz holen und ist durch eine Pro-Seite wieder motiviert worden weiter zu machen. Aber glaube mir. Sie wird den richtigen Absturz noch erleben. Und erst dann ist es wirklich so, dass man als Betroffener selber sagt, dass man so weit nicht kommen will. Wenn man es jetzt schon auflösen würde, würde jeder Betroffene sagen, dass es nicht schlimm ist. Glaube mir, ich weiß, wovon ich schreibe.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Ich sehe die Sendung ebenfalls und kann Deinen Eindruck teilweise bestätigen. Die Art, wie die Figur Lilly hingestellt wird, ihre positive Verwandlung, die zu mehr Beliebtheit geführt hat, könnte anfällige Personen tatsächlich noch zum Erbrechen hinführen.

Auf der anderen Seite wird die Storyline eben möglichst realistisch dargestellt und es ist nun einmal Fakt, dass Bulimie nicht am ersten Tag und auch nicht im ersten Monat gefährlich wird, sondern erst nach einer ganzen Weile. Durch die Vorschau weiß ich, dass sich die Lillygeschichte noch eine ganze Weile hinziehen wird und irgendwann Vince dann der Retter in der Not ist.

Es ist wirklich von zwei Seiten zu betrachten, einerseits glaube ich nicht, dass Bulimiepatienten ausgerechnet GZSZ dazu brauchen, um sich Tipps zu holen, andererseits ist ein Teil der Zielgruppe der typische, labile, weibliche Teenager, der sich vielleicht eine ähnliche Steigerung der Beliebtheit wie Lilly erhofft.

RTL wird allerdings die Thematik von einer ganz falschen Seite sehen. Für die Macher der Serie ist Lillys Veränderung negativ, schließlich war sie ein braver, kluger Teenager, der jetzt nur noch feiern geht und mit Männern schläft. Das die neue Lilly aber genau dem Wunschbild der meisten Teenies entspricht und viele genau so leben wollen, haben die Macher der Serie scheinbar vergessen.

» Jess0708 » Beiträge: 715 » Talkpoints: 47,47 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich sehe diese Sendung nicht, deswegen habe ich die Bilder nicht gesehen und kann da an sich auch nur wenig zu sagen. Ich finde es aber gut, dass so ein Thema auch in einer solchen Sendung kommt.

Sicherlich ist es so, dass solche Mädchen erst mal einen Aufschwung haben, wenn sie abnehmen und sie fühlen sich dann eben ein bisschen besser, wenn das Umfeld ganz gut reagiert. Es wird ja wirklich erst nach einer ganzen Weile ganz schlecht und ich denke, dass man das so auch zeigen sollte. Was bringt es denn Dinge zu verschweigen? So wie du es beschrieben hast, geht es sicherlich vielen Betroffenen und ich finde, dass man das auch zeigen kann.

Wer sich so eine Sendung als Vorbild nimmt und dann mit einer Essstörung beginnt, hatte auch schon vorher ein Problem und da kann man nicht eine solche Sendung in die Verantwortung ziehen.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich war noch nie magersüchtig und kann das somit sicherlich nicht zu 100% beurteilen, aber ich denke mal, dass es einem in der ersten Zeit einer solchen Erkrankung vielleicht wirklich noch richtig gut geht, zumindest scheinbar. Dass das nicht immer so bleibt und dass auch RTL diesen Eindruck nicht vermitteln möchte, hat man ja daran gesehen, dass Lilly nach dem Aufstehen direkt mal umgekippt ist.

Dass sie sich ein Internetforum, in dem andere Magersüchtige schreiben, ansieht, nun ja, das würde ein im realen Leben betroffenes Mädchen vermutlich auch tun. Die "Tipps" waren ganz sicher nicht an Zuschauer gerichtet, die selbst magersüchtig sind.

Ich denke, dass der Verlauf einer Essstörung eher schleichend ist und die negativen Auswirkungen sich erst mit der Zeit bemerkbar machen. So wird es eben auch in der Serie dargestellt und im weiteren Verlauf wird es Lilly sicherlich schlechter gehen, als jetzt.

Ich finde nicht, dass die Serie nun den Eindruck vermittelt, dass Magersucht etwas Tolles ist. Die negativen Seiten werden nach und nach aufgezeigt werden, so wie es bisher bei allen Problemen der Seriencharaktere war. Am Anfang ist auch im realen Leben nun mal alles toll und man fühlt sich super. Auch beliebter wird man vielleicht erstmal. Es gibt sicher kaum eine Magersüchtige, die am Anfang keine Komplimente bekommt, wie toll sie doch abgenommen hat und dass sie super aussieht. Erst wenn es mit dem Abnehmen nicht mehr aufhört, merken die Leute, dass etwas nicht stimmt.

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» Jessy_86 » Beiträge: 5456 » Talkpoints: 0,18 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Ich schaue die Sendung nicht, weiß aber, dass es sich um eine daily soap handelt. Das ist ja nun nicht das erste Thema dieser Art hier und mir stellt sich dann halt immer wieder die Frage, welche Themen in diesem Format tabu sein sollten. Deine Kritik könnte man nämlich so ziemlich auf alle Arten von Sucht und Abhängigkeit übertragen. Der zukünftige Junkie wird sich auch erst mal toller und leistungsfähiger fühlen und Erfolge verzeichnen, nachdem er eine Line gezogen hat und der zukünftige Spielsüchtige wird wahrscheinlich durch Erfolge und Gewinne in die Sucht getrieben.

Wenn jemand anfällig ist braucht er aber mit Sicherheit keine RTL Sendung um ihn in die Sucht zu treiben, oder er würde dann früher oder später seine "Inspiration" woanders finden.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Mir fällt spontan keine Fernseh Gegebenheit ein, die man genauso nachspielen sollte. Egal, ob es nun Märchen, Zeichentrickfilme, DailySoaps, Horrorfilme, Pornos oder Liebesfilme sind. Es werden doch überall Dinge und Situationen dargestellt, die sich unter Umständen im realen Leben für den Einzelnen ganz anders auswirken können. Eine DailySoap ist nun einmal eine Unterhaltung und kein Lehrvideo, dass zur Nachahmung dient.

Ich habe die Anfänge von Lilis Sucht zufällig gesehen, ebenso wie früher manche andere negative Verhaltensweisen und Eigenschaften der Darsteller. Man prügelt sich, betrügt sich, nimmt Drogen, streitet sich, wird kriminell, abhängig, glücklich und unglücklich. Alles was im Fernsehen und auch im realen Leben passiert hat positive und negative Seiten. Und natürlich wird nicht immer nur das perfekte Leben gezeigt, in dem alle alles richtig machen.

Ich glaube nicht, dass ein Teenager in einem gefestigten Umfeld aufgrund von Gute Zeiten schlechte Zeiten nun Lili nacheifern möchte und die Serie schaut, um sich Anregungen zu besorgen, wie man am besten erbrechen kann. Das bekommen Betroffene auch selbst schnell heraus. Und auch die jüngsten GZSZ-Fans haben vermutlich vor Lili schon einmal davon gehört, dass man sich übergeben muss, wenn man sich den Finger in den Hals steckt. Und das man durch erbrochene Mahlzeiten diese wieder los wird, sollte auch jedem klar sein.

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» Trisa » Beiträge: 3271 » Talkpoints: 20,99 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ich habe die Serie gestern auch mal wieder gesehen und muss sagen, dass ich den gleichen Gedanken hatte. Das war bei der Szene, als sich Lilly mit anderen in diesem Magersüchtigen-Forum ausgetauscht hat. Damit hat man ja indirekt auch Tipps bekommen, wie man diese Krankheit verheimlichen kann. Und nicht nur das, dort wurden ja auch "Ratschläge" gegeben, wie man das Essen am besten und am schnellsten wieder los wird. Ich halte das auch für eher bedenklich.

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» Jacqui_77 » Beiträge: 2718 » Talkpoints: 19,87 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Zuerst einmal glaube ich, dass du ganz klar Magersucht mit Bulimie verwechselst. Immerhin sind es die typischen Merkmale einer Bulimie, wenn man regelmäßig Unmengen an Essen in sich reinschaufelt und sich anschließend übergibt. Magersucht würde bedeuten, dass man so kontrolliert ist, dass solche Attacken niemals zustande kommen würden. Niemals würde eine Magersüchtige Person sich wohl dazu verleiten lassen, eine ganze Kiste voller Süßigkeiten auf einmal zu essen. Bei Bulimie ist das aber anders. Bei der Person in der von dir beschriebenen Serie, sehe ich aber ganz klar Züge der Bulimie.

Ich schaue diese Serie nicht regelmäßig, wobei ich meinen Fernseher eigentlich immer den ganzen Tag laufen habe. Von daher schaue ich doch ab und zu einmal rein und weiß daher auch, um was es geht, da ich die von dir beschriebenen Szenen auch geschaut habe.

Ich muss sagen, dass ich es irgendwie schwachsinnig finde, wenn man meint, solche Szenen in Serien verbieten zu müssen. Ich finde zwar auch, dass andere Mädchen womöglich zu so etwas verleitet werden könnten. Trotzdem fände ich es falsch, solche Szenen nicht in Serien bringen zu können. Immerhin findet man im Internet doch unzählige Seiten zu diesem Thema, worunter auch genügend Seiten dabei sind, die diese Essstörung unterstützen. Auf die Idee, diese Seiten zu verbieten, kommt auch niemand.

Wenn man so sehr aufpassen würde, bloß nichts im Fernsehen zu zeigen, was Kinder dazu verleiten würde, es nachzumachen, dürfte so vieles nicht gezeigt werden. Es dürften dann keine Leute gezeigt werden, die Drogen nehmen, rauchen, Alkohol trinken oder ungeschützten Geschlechtsverkehr haben. Das wäre aber absolut schwachsinnig. Von daher finde ich es nicht schlimm, wenn so etwas gezeigt wird. Immerhin wird die Essstörung in dieser Serie ja nicht verherrlicht. Ich bin mir sicher, dass das Mädchen bald sehr schlimme Folgen davontragen wird, die eben zeigen, wie schlimm so eine Essstörung ist.

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge


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