Sich entschuldigen, auch wenn man sich schuldlos fühlt?

vom 01.02.2013, 09:00 Uhr

In manchen Situationen fühlt man sich schuldlos, aber jemand anders ist beleidigt, weil man irgendetwas getan oder gesagt hat, was man selber als nicht schlimm empfindet. Ich entschärfe die Situation dann meistens, indem ich sage, dass es mir leidtue – und zwar, ohne Wenn und Aber.

Manche Leute entschuldigen sich, aber hinterher hängen sie ein Aber und lange Erklärungen an, die die Schuld dann eigentlich wieder dem anderen zuschieben.

Vielleicht ein konkretes Beispiel: Ein Arbeitskollege hat sich einmal beschwert, dass ich ihn wegen eines beruflichen Problems angesprochen habe, bevor er überhaupt seinen Mantel ausgezogen hatte. Es war etwas sehr Dringendes und ich wollte es gleich loswerden. Ich habe nicht so genau verstanden, warum er sauer war. Aber ich habe mich entschuldigt und gemeint, dass ich ihn das nächste Mal zuerst einmal ankommen lassen würde. Damit war er besänftigt und alles war wieder gut.

Wenn ich mich entschuldigt hätte, aber dann eine lange Erklärung angehängt hätte, warum ich das getan habe und warum ich persönlich anders darauf reagiert hätte, wäre eine Diskussion, wahrscheinlich sogar mit Streit entstanden. Wenn ich gar nichts gesagt hätte – wie beispielsweise Brüderle als Beispiel in der aktuellen Situation – hätte eisige Stimmung geherrscht, was auch nicht gut ist.

Entschuldigt ihr euch auch manchmal für Dinge, in denen ihr bei euch eigentlich nicht direkt eine Schuld seht? Warum macht ihr das? Ist das richtig so? Oder ist Ausdiskutieren oder Totschweigen die bessere Strategie?

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich finde, eine Entschuldigung sollte schon ernst gemeint sein. Es ist meiner Ansicht nach keine Art, sich einfach zu entschuldigen, ohne seinen Fehler wenigstens etwas einzusehen. Für eine Entschuldigung muss man auch nicht alleine schuld sein. Es reicht aus, wenn man einsieht, dass man zumindest eine kleine Teilschuld hat.

Solange man sich nachher nicht ärgert, dass man sich entschuldigt hat und es ernst gemeint war, ist doch alles gut. Würdest du denn deinen Kollegen noch mal zu einem Problem ansprechen, bevor er richtig angekommen ist? Wahrscheinlich eher nicht. Auch wenn du keine direkte Schuld hast, ist es doch gut zu wissen, dass der Kollege etwas empfindlich ist, wenn er noch nicht richtig im Büro angekommen ist.

» Ariola » Beiträge: 693 » Talkpoints: 4,96 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ich würde mich da in dem Fall mit dem Mantel eher so entschuldigen, dass ich sage, dass ich ihn nicht überfallen wollte und nicht gedacht hätte, dass ihm das so unangenehm ist und dass ich keine Unannehmlichkeiten bereiten wollte. Das ist zwar in dem Sinne keine klassische Entschuldigung sondern eher eine Klarstellung. Aber ich denke, dass so eine Klarstellung schon helfen kann, Missverständnissen vorzubeugen, die sich leicht zu harten Fronten verhärten können. Damit ist ja keinem geholfen. Wenn es wirklich nicht meine Absicht war, den Kollegen zu nerven, dann kann man das ja auch so sagen, da bricht einem kein Zacken aus der Krone.

Wenn allerdings Menschen grundlos überreagieren und Dinge aufbauschen, die eigentlich völlig normal sind, oder die sie sonst normal akzeptieren, da bin ich schon eher zögerlich. Gerade wenn man von mir eine Entschuldigung erwartet, wo ich mir keiner Schuld bewusst bin. Da fällt es mir schon schwer, solchen Forderungen nachzukommen.

Schlimm finde ich auch solche Leute, die aus irgendwelchen Formfehlern die Entschuldigung so nicht akzeptieren wollen. Wenn es ihnen Beispielsweise nicht reicht, sich mündlich zu entschuldigen sondern ein Schreiben einfordern. Oder wenn sie einem auf den Kopf zusagen, dass sie einem nicht glauben können, dass die Entschuldigung ernst gemeint ist und man müsse sich da schon mehr Mühe geben. Da kann es schon passieren, dass ich dann auf Stur schalte. Wenn meine Bemühungen nicht wert geschätzt werden und der andere sich in der Rolle des armen Opfers wohl fühlt, dann soll er doch im Selbstmitleid aufgehen. Wenn ich mich entschuldige ist das immer ernst gemeint, wer das nicht akzeptieren will hat Pech gehabt.

Wenn ganz offensichtlich ein Missverständnis zu Grunde liegt, dann ist Ausdiskutieren sicher auch eine Möglichkeit. Allerdings ist es gut, wenn man damit warten kann, bis sich die ersten Wogen geglättet haben, damit das Gespräch nicht gleich eskaliert.

Wenn es Leute sind, mit denen ich vermutlich nie wieder zu tun habe, sitze ich das ganze auch gerne mal aus. Gerade hier im Berliner Raum sind die Leute recht schnell mit eskalieren und pöbeln. Wenn einer einen schlechten Tag hat, passiert das schon mal, dass er seine Launen an fremden Mitmenschen auslässt. Wenn mir also beim Einkaufen einer blöd kommt und eine Entschuldigung einfordert, zum Beispiel weil ich das letzte Brot gekauft habe oder versehentlich gerempelt habe und dabei patzig wird, dann frage ich auch provokant, warum er denn glaubt dass es aus dem Wald anders heraus schallt als man herein ruft. Aber wie gesagt, das mache ich nur bei Fremden, nicht im näheren Umkreis.

Benutzeravatar

» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Ich finde so etwas auch immer sehr schwierig. In deinem Fall hätte ich sicherlich nur gesagt, dass ich es als sehr wichtig empfunden habe und das hätte dem Kollegen dann auch reichen müssen. Das ist ja an sich auch kein Vergehen, sondern eher ein Formfehler und vielleicht auch eine Missachtung Knigges. Ansonsten sollte das dem Kollegen aber reichen.

Es gibt Menschen, die bei jeder kleinen Sache eine Entschuldigung wollen. Das finde ich dann auch übertrieben, und sage nicht direkt, dass es mir leid tut, sondern umschreibe es oder lenke stark davon ab.

Wenn ich der Meinung bin, dass ich keinen Fehler gemacht habe, dann entschuldige ich mich auch nicht. Eine Entschuldigung muss Ernst gemeint sein und auch von Herzen kommen und alles andere wäre dann eine Lüge. Ich sehe es aber nicht ein, mich zu entschuldigen, nur damit sich ein anderer besser fühlt.

Benutzeravatar

» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich entschuldige mich eigentlich nicht, wenn ich keinerlei Schuld bei mir sehe. Immerhin sehe ich es nicht ein, nachzugeben, wenn ich in meinen Augen, keinerlei Schuld an der Situation habe. Von daher greife ich dann eher zu Erklärungen, warum ich so gehandelt habe und frage meinen Gesprächspartner danach auch ganz klar, warum er denn sauer auf mich ist. Immerhin habe ich ja nichts Schlimmes getan, worüber man sauer sein müsste.

Reagiert mein Gesprächspartner dann trotzdem noch beleidigt und sieht es nicht ein, sich wieder normal mir gegenüber zu verhalten, warte ich einfach so lange ab, bis sich die Situation von allein normalisiert hat. Immerhin habe ich keine Lust, der Person hinterher zu rennen und mich zu entschuldigen, wenn ich mir sicher bin, keine Schuld an der Situation zu haben. Und wenn die Person eben trotzdem längere Zeit auf mich sauer ist, dann ist es eben so. Ich finde das Verhalten dieser Person dann ganz einfach kindisch, da man als Erwachsener doch in der Lage sein sollte, über das eine oder andere hinwegzusehen und sich nicht alles so zu Herzen zu nehmen.

ich habe kein Problem damit, mich zu entschuldigen. Wenn ich mich aber entschuldige, dann nur dann, wenn ich einsehe, auch Schuld an einer Situation zu haben. Ist das nicht der Fall, entschuldige ich mich nicht, versuche aber eben trotzdem, meinem Gegenüber meine Lage und mein Handeln zu erklären. Kann oder will er das nicht verstehen, hat er eben Pech gehabt.

Benutzeravatar

» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge


Ich finde, dass es bei einer Entschuldigung gar nicht immer um die Schuldfrage geht und sich auch nicht immer das Problem stellt, dass man selbst irgendeinen Fehler gemacht hat. Dieser Begriff „Entschuldigung“ wird in unserer Sprache ja nun für so einiges gebraucht, nicht nur für das wirkliche Entschuldigen, also die Bitte darum, dass einem die eigene Schuld an etwas genommen wird, sondern auch für die Bitte um Verzeihung, selbst, wenn die Schuld bestehen bleibt. Genauso gut kann man sich entschuldigen, indem man bekräftigt, dass einem irgendetwas leid tut, das man selbst bewirkt hat, auch, wenn man selbst das eigene Handeln nach wie vor vertreten kann und es keine klassische Schuldfrage gibt, weil eigentlich gar nichts passiert ist, wie in Deinem Beispiel, anlupa.

In dieser Situation hätte ich mich sicherlich nicht mit dem Wort „Entschuldigung“ erneut zu Wort gemeldet, sondern ich hätte vielleicht so etwas gesagt wie: „Ja, keine Eile“ oder „Dann komm erstmal an und melde Dich bitte kurzfristig bei mir“, weil es mir nicht einmal leid getan hätte, dass ich nun der offenbare Tropfen war, der das persönliche Fass Deines Kollegen zum Überlaufen gebracht hat. Irgendeine Laus wird ihm wohl über die Leber gelaufen sein und ich denke, dass er einfach überreagiert hat. Es ist nichts passiert, Du hast ihn nicht beleidigt, nicht verletzt und ihm auch sonst keinen Schaden zugefügt. Allein die Tatsache, dass er sich gehetzt gefühlt hat, kann wiederum aber meiner Ansicht nach auch nicht ursächlich dafür sein, dass Dir irgendetwas leid tut, denn damit nimmt er sich einfach zu wichtig, meine ich.

Ich „entschuldige“ mich also, wenn ich erkennen kann, dass ich in irgendeinem Punkt zu weit gegangen bin und das bedaure, weil ich eigentlich eher etwas Gutes im Sinn hatte, aber auf jeden Fall niemandem zu nahe treten wollte. Mein Bedauern über irgendetwas ausdrücken, das ich mir in seinem Verlauf so nicht vorgestellt habe und sicherlich auch nicht absehen konnte, kann ich aber, und das wird wohl häufig als Entschuldigung bezeichnet, ist aber eigentlich keine, weil eben nichts passiert ist, das mich zu einem Schuldigen macht.

Benutzeravatar

» moin! » Beiträge: 7218 » Talkpoints: 22,73 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich wünschte mir manchmal, so verfahren zu sein, wenn ich an meine vergangene Beziehung denke. Sie war immer von vielen Streits geprägt, das lag einfach in unserer beider Natur, wir kamen damit auch gut zurecht, da wir uns immer wieder vertragen haben. Einer von uns beiden hat sich entschuldigt und vergessen war der Streit - doch je länger wir zusammen waren, desto hartnäckiger haben wir auf unserer Meinung beharrt und uns nur schwer davon abbringen lassen. Das hat besonders die kleinen Streits unnötig vorangetrieben und viel schlimmer gemacht, als sie es eigentlich hätten sein müssen. Ein einfaches "Entschuldigung", auch wenn man sich nicht unbedingt schuldig fühlt, hätte die Situation wahrscheinlich oft entschärfen können und hätte uns viele Diskussionen erspart.

» Schnuffline » Beiträge: 1019 » Talkpoints: 33,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ein bisschen schuldig wird man sich schon fühlen, sonst würde man sich auch nicht unbedingt entschuldigen wollen. Selbst wenn es sich um eine völlig andere Sache handelt die damit überhaupt nichts zu tun hat, das Gewissen rechnet das alles mit auf. Ich sage auch immer wer sich verteidigt der klagt sich an. Da ist es also besser gleich alles zu zu geben.

Ich denke aber man muss da einfach etwas unterscheiden. So richtige Schuld und damit auch eine Entschuldigung wird niemand auf sich nehmen wenn einem grobe Fehler zugesprochen werden die auch Konsequenzen haben. Ich denke da besonders an die Arbeit wo eine Entschuldigung nicht angebracht ist wenn man völlig schuldlos an einer Sache ist und natürlich auch Dinge die strafrechtliche oder arbeitsrechtliche Konsequenzen haben könnten. Das wäre auch Mobbing, die ständig drohende sexuelle Belästigung oder gar eine Straftat.

Anders sieht es aus wenn mir meine Frau etwas vorwirft wo für ich nun wirklich nichts kann. Da ist es einfacher zu sagen dass es einem Leid tut und die Sache ist erledigt. Für irgendetwas anderes hat man bestimmt einen Tadel in der Richtung verdient und damit gleicht sich das dann auch aus. Es bringt nichts über Banalitäten ewig zu streiten oder dass man seinen Ärger in sich hinein frisst.

Benutzeravatar

» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^