Oma die mir fremd ist gestorben

Meine Mutter hat mich heute angerufen um mir mitzuteilen, dass meine Oma vor einigen Tagen gestorben ist und das am Freitag die Beerdigung ist! Ich hatte zu meiner Oma keinen Kontakt, meine Eltern auch nicht und daher war sie doch da schon eine Fremde Person.

Meine Oma war laut der Erzählungen ein Drache, sie hat weder meinem Vater, noch uns als Enkeln jemals zum Geburtstag gratuliert als wir da noch halbwegs Kontakt hatten, damals war ich höchstens 11 Jahre alt. Das ist das letzte woran ich mich erinnere. Ich erinnere mich noch daran, dass ich einmal ein Geschenk bekommen habe, das war in Zeitungspapier eingewickelt und das musste ich selber unten abholen, nachdem sie geklingelt hat.

Seitdem ist es eskaliert und der Kontakt wurde abgebrochen. SIe hat mich auf der Straße nie gegrüßt und so getan als wenn sie mich nicht kennt! Obwohl der Streit zwischen den Erwachsenen war und nicht unmittelbar uns die Enkelkinder betroffen hatte! Aber ich habe es auch zu spüren bekommen und seit dem ich 12 Jahre alt bin, habe ich keinen Kontakt mehr zu ihr gehabt!

Jetzt kam der Todesfall und ich frage mich, geht man dann zur Beerdigung. Ich bin mir nicht sicher, ich habe mir auch nie Gedanken darüber gemacht, wie ich das Verhältnis wieder herstelle, weil ich einfach kein Verlangen danach hatte! Nun frage ich mich, soll ich zur Beerdigung gehen? Aus Anstand? Weil ich rein emotional nicht viel fühle.

Meine Eltern gehen hin, weil mein Vater nun mal ihr Sohn war, aber für ihn ist es auch mehr der Anstand. Ich weiss nicht so recht wie ich mich verhalten soll?

Erstmal spreche ich dir mein herzliches Beileid aus. Dieses Thema ist nicht gerade einfach und schon gar nicht leicht zu beantworten. Da du nie eine Beziehung, ja eine Bindung zu deiner Oma hattest, verstehe ich, dass du emotional nichts fühlst und fühlen kannst.

Du schreibst, dass deine Oma ein "Drache" war. Woran hat es gelegen? Man muss immer bedenken, dass in einem Streit immer beide Parteien beteiligt sind. Dass sich deine Oma dir als Enkelkind merkwürdig verhalten hat, liegt vielleicht daran, dass sie nie eine richtige Bindung eventuell wegen den Missverständnissen mit deinem Vater aufbauen konnte. Vielleicht hätte sie gern mehr Kontakt gehabt, nur stand sie sich vielleicht dabei selbst im Weg.

Ich kann dir nur sagen, was ich an deiner Stelle machen würde: Ich würde zu der Beerdigung hingehen, quasi um Respekt zu zeigen und ihr die letzte Ehre zu erweisen, denn immerhin ist es deine Oma und gehört mit zur Familie. Ich denke nicht, dass ein Mensch das verdient hat, dass niemand zu seiner Beerdigung hingeht. Da du ja enge Beziehung zu ihr hattest, sollte dir die Beerdigung auch nicht so schwer fallen, da du wahrscheinlich keine Trauer empfindest. Egal wie du dich entscheidest- wichtig ist, dass du mit deiner Entscheidung auch leben kannst.

Natürlich ist es sehr schwer in einer solchen Situation zu entscheiden, ob man auf die Beerdigung eines mehr oder weniger fremenden Menschen geht oder eben nicht. Ich persönlich denke aber, dass ich aus Respekt und Anstand durchaus zu dem Gegräbnis gehen würde. Denn selbst, wenn kein Kontakt bestand, so finde ich, dass es sich in gewisser Weise gehört, dass man zu der Beerdigung eines Familienmitgliedes geht.

Dennoch denke ich nicht, dass du dich gezwungen fühlen solltest, dorthin zu gehen und finde, dass du nur gehen solltest, wenn es für dich selbst in Ordnung ist. Denn, wenn sich alles in dir sträubt und es dir zuwider ist, dort hinzugehen, macht es wohl wenig Sinn!

Ich denke, dass ich an deiner Stelle auf die Beerdingung gehen würde. Vergiss einfach alles was zwischen deinen Eltern und deiner Oma war und auch, dass was zwischen dir und deiner Oma war oder eben nicht war. Ich finde schon, dass du ihr die letzte Ehre erweisen und mit allem was vorgefallen ist, abschließen solltest.

Deine Oma würde sich sicher freuen, wenn du zu ihrer Beerdigung gehst und nicht mit gleichgültigen Gefühlen zu Hause sitzt. Immerhin war sie deine Oma und sollte nun ihren Frieden finden. Aber natürlich ist es deine Entscheidung, ob du hin gehst oder lieber zu Hause bleibst.

Ich denke auch, dass Du das für Dich selbst ausmachen musst. Wenn Du wirklich auch für die Zukunft sagen kannst, dass Du Dir nie vorwerfen wirst, nicht da gewesen zu sein, dann lasse es sein. Man muss nicht mehr zu Beerdigungen gehen nur aus Anstand, natürlich könntest Du, wenn Du wolltest, aber das weißt Du ja selbst. Ich denke, es wäre interessant zu wissen, warum deine Eltern schon keinen Kontakt mehr zu deiner Großmutter hatten und ob der Grund/die Gründe dafür auch aus deiner Sicht für einen totalen Kontaktabbruch von Dir aus geführt hätte. War ihr Verhalten so unverzeihlich?

Ich denke es ist auch abhängig davon, ob Du religiös bist. Ich meine Abschied kann man auch anders nehmen, auch später oder für sich alleine, wenn man es möchte.

Ob fremd oder nicht: erst einmal mein aufrichtiges Beileid. Ich kann dich ganz gut verstehen, weil ich auch eine "Oma" habe, die den Namen eigentlich gar nicht verdient. In erster Linie bin ich ja der Meinung, dass man nur etwas auf einer Beerdigung zu suchen hat, wenn man sich ernsthaft von dieser Person verabschieden will - und bei dir scheint das weniger der Fall zu sein.

Sicherlich ist das eine Sache, die du mit dir selber ausmachen musst. Aber würdest du zu der Beerdigung einer dir fremden Person gehen? Wohl eher nicht. Schuldig bist du ihr sicher nichts. Menschen sollte man zu ihren Lebzeiten gut behandeln und wenn ihr kein gutes Verhältnis hattet - bringt es wohl auch nichts, quasi jetzt damit anzufangen.

Ich würde trotzdem auf diese Beerdigung gehen. Einfach deinem Vater zuliebe. Sicherlich wird er es da auch nicht leicht haben, auch wenn deine Oma ein Drache war und da solltest du einfach an seiner Seite sein. Außerdem ist es eben auch irgendwo Anstand. Man muss denjenigen ja nicht gemocht haben, aber es gehört sich einfach zu so einer Beerdigung zu gehen. Du musst dort ja auch nicht weinen oder so, aber vielleicht findest du dort deinen Frieden mit ihr.